Jetzt also auch der Rapper Sido. Immer mehr Prominente fallen gegenwärtig durch die Verbreitung absurder Verschwörungstheorien auf. Der vegane Kochbuch-Autor Attila Hildmann etwa behauptet, dass hinter dem Coronavirus die gezielte Dezimierung der Weltbevölkerung stehe. Der Tanz-Coach Detlef D. Soost will sich gegen eine angebliche Zwangsimpfung wehren. Der prominente Sänger und ehemalige TV-Juror Xavier Naidoo schimpft in Videoclips gegen politische Korrektheit, Geflüchtete und eine angebliche jüdische Weltverschwörung. In einem Interview auf YouTube hat nun auch der populäre Rapper Sido („Pyramiden“) fragwürdige Thesen in die Welt gestellt.
In einem Interview auf YouTube sagt Sido eigentlich nichts – raunt jedoch ziemlich viel Übles.
Xavier Naidoo fabulierte vor kurzem in einem seiner Videos von einer Sekte, die Kinder entführe und deren Blut als Verjüngungsdroge verkaufe. Ob er das glaube, fragte der Interviewpartner Sido.
Kinder verschwänden immer wieder auf unerklärliche Weise, versucht Sido sich an einer Antwort: „Da sind so Dinge, sehr reiche, sehr mächtige Leute, die sich daran irgendwie, keine Ahnung, was die damit machen, aber ich glaube schon daran, dass so etwas sein kann.“
Damit greift der Rapper einen Strang der abstrusen „QAnon”-Verschwörungstheorie auf: Danach sollen Politiker und Prominente, eine diffuse „Elite“, an einem Kinderhändlerring beteiligt sein. Doch Sido wird in diesem Interview nicht konkret. Er deutet bloß an und bleibt im Ungenauen. Aber wer vermutet, „dass so etwas sein kann“, macht vermeintlich Unsagbares salonfähig. Rechtspopulisten nutzen diese Strategie. Die AfD hat mit solchen «Andeutungen» Erfolg gehabt und den Diskurs nachhaltig verschoben.
Die vagen Pauschalisierungen des Rappers Sido überlassen es dem Publikum, sie mit Deutungen zu füllen.
„So was“ kann schon sein, insinuiert er, insbesondere jedoch ist es: geheim. Damit inszeniert sich Sido nicht nur als Insider, er sät Misstrauen.
Uralte antisemitische Stereotypen
Er weist zudem auf Rothschild hin und befeuert damit das antisemitische Stereotyp des Finanzjudentums, wonach „mächtige, gierige“ Jüdinnen und Juden angeblich das Finanzsystem und so manche Regierung unterwanderten, um sich zu bereichern.
Über Andeutungen wird dieses antisemitische Narrativ mit der angeblichen Kinderhändlersekte in Verbindung gebracht. Damit wird ein Sinnzusammenhang geknüpft, wer die „reichen, sehr mächtigen Leute“ sein müssen, die vermeintlich Kinder verschwinden lassen. Schon seit dem Mittelalter wird immer wieder die Ritualmordlegende aufgewärmt, nach der Juden angeblich das Blut von Kindern tränken. Dieses gefährliche Stereotyp des christlichen Antisemitismus geistert seit Jahrhunderten durch wirre Köpfe. Und es taucht in Bruchstücken wieder auf in den abstrusen Behauptungen des Rappers Sido. Vielleicht weiss der nicht im Detail über die historischen Wurzeln Bescheid. Das entlastet ihn aber nicht von Verantwortung.
Auch die Verschwörungstheorie von der Lügenpresse verbreitet Sido in diesem Interview.
Detailliert beschrieben hat diese gefährlichen Unterstellungen das Magazin «Spiegel»:
Sido als Verschwörungstheoretiker: Kinderblut, „alte Clans“ und Medienskepsis
Nachtrag: Sido distanziert sich von Verschwörungstheoretikern
In einem Videointerview hatte sich Sido über „alte Clans“, mögliche Kinderhändlerringe unter Deutschlands Eliten und „unterwanderte Medien“ ausgelassen – immer ziemlich vage, an vielen Stellen auch konfus. Mit einem Statement hat er nun versucht, sich von Verschwörungstheorien zu distanzieren, wie sie auch Xavier Naidoo verbreitet hat. Er tut das aber nicht klar:
„Wenn es so ist, wie er sagt, ist es doch gut, dass jemand mit seiner Reichweite darüber aufklärt. Wenn es nicht so ist, wie er es sagt, […] dann ist es einfach nur verrückt. […] Ich bin auf keiner Seite. Ich weiß nicht, ob Dinge so sind oder nicht.“
Gleichzeitig distanzierte sich Sido jedoch eindeutig von bestimmten Verschwörungstheoretikern: „Ich möchte nur nicht in einer Ecke stehen mit den Attila Hildmanns und KenFMs dieses Landes. Ich habe mit so was nichts zu tun. Ich sitze zu Hause und gucke mir diese Videos an und lache mich kaputt über die. Ich habe mit diesen Menschen nichts zu tun. Deswegen finde ich es jetzt einfach grade richtig scheiße und gefährlich, dass mir diese Worte in den Mund gelegt werden und ich als Verschwörungstheoretiker verschrien werde.“ Zu Attila Hildmann und Ken Jebsen aka KenFM ergänzt Sido: „Ich halt die für sehr gefährlich.“
Quelle:
Sido distanziert sich von Verschwörungstheoretikern
Sowohl die ursprünglichen Aussagen und die spätere teilweise Distanzierung sind wir und lassen Verantwortung vermissen.