Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, sieht davon ab, den russischen Propaganda-Sender RT Deutsch (vormals Russia today) zu verbieten. Der Bundesrat teilt zwar die Einschätzung der EU, dass es sich um Propaganda und Desinformation handelt. In den vergangenen Tagen gab es jedoch in Bern Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg zur Bekämpfung dieser Propaganda und Desinformation. Schlussendlich hat sich der Bundesrat gegen ein Verbot von RT und dem inhaltlich ähnlichen Kanal Sputnik entschieden. Damit weicht sie von der EU ab, die den Propaganda-Sender RT verboten hat. Im Bundesrat habe sich ausser Verteidigungsministerin Viola Amherd und Medienministerin Simonetta Sommaruga niemand für ein Verbot starkgemacht, heisst es. Der Bundesrat hält es für wirksamer, unwahren Äusserungen mit Fakten zu begegnen.
Ein Propaganda-Sender zu Zweck von Polarisierung, Spaltung und Destabilisierung
Russia today / RT Deutsch wird direkt vom russischen Staat finanziert und setzt dessen Weisungen um. Chefredaktorin Margarita Simonjan, nennt den russischen Präsidenten Wladimir Putin ihren «Vorgesetzten» und sieht ihren Sender als eine Art «Verteidigungsministerium».
RT Deutsch bietet immer wieder Verschwörungstheoretikern und Figuren am linken und rechten Rand eine Plattform. Der russische Propaganda-Sender empfängt auch immer wieder Gäste aus der Schweiz, prominente Gäste aus der Schweiz, unter anderen den Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel, der dann dort zum Beispiel Putin als den letzten Realisten in Europa lobt.
Eine spezielle Rolle spielt «Russia Today» in der Corona-Pandemie: Während die Staatssender in Russland für die Corona-Impfung werben, sät RT im Ausland Zweifel. So lässt der Propaganda-Sender beispielsweise Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen, die vom wissenschaftlichen Konsens abweichen und faktenwidrig behaupten, die Impfung verursache Schäden an Organen. RT berichtete jeweils prominent über Demonstrationen von Corona-Massnahmengegnern in westlichen Ländern. Solche Widersprüche fallen aber offenbar «Querdenkern» nicht auf.
Der Tages-Anzeiger weist noch auf einen weiteren gern gesehen Gast hin, der den russischen Propaganda-Sender gerne «bereichert»:
«Nicht weit ist es bei solchen Positionen beim Covid-Thema zu einem weiteren gern gesehenen Schweizer Interview-Partner bei RT: zum Friedensforscher und populären Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser. Dieser verurteilte zwar vergangene Woche auf dem Kanal die russische Aggression; er zeigte aber auch ein gewisses Verständnis dafür: ‘Die rote Linie Moskaus wurde überschritten.’»
Quelle:
Deutschsprachiger Propaganda-Kanal:
Selenski-Bashing und Roger Köppel: Was auf Putins Sendern läuft (Tages-Anzeiger, Abo)
Anmerkungen:
☛ Daniele Ganser hat zwar wirklich den russischen Einmarsch verurteilt. Passend zu seinen gut etablierten Feindbildern macht er aber Obama dafür verantwortlich. Wie simpel, wenn man einen klaren Sündenbock hat. Siehe dazu:
Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg
Ganser tritt nicht nur immer wieder einmal beim russischen Propaganda-Sender auf. Seine Sichtweise und seine Feindbilder werden dort geschätzt. Umgekehrt verwendet Ganser Russia today / RT aber manchmal auch als Quelle für seine Äusserungen. Für einen Historiker ist das erstaunlich, ist doch ein kritischer Umgang mit Quellen fundamental, wenn man in diesem Fach wissenschaftlich ernst genommen werden möchte.
☛ Der Propaganda-Sender Russia today / RT sucht nach Konfliktfeldern in demokratischen Gesellschaften und verstärkt sie durch eine Berichterstattung, die Polarisierung und toxisches Misstrauen fördert. Ziel ist die Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Dabei nutzt der Sender die hierzulande geltende Meinungsfreiheit aus, die in Russland hochgradig eingeschränkt ist. Wie weit liberale Demokratien dieses demagogische Treiben im Sinne von Meinungsfreiheit und Pressefreiheit zulassen sollen, und ab welchem Punkt sie sich im Sinne der wehrhaften Demokratie durch ein Verbot schützen müssen, ist eine schwierige Entscheidung.
Die Ansicht der Schweizer Regierung, dass es wirksamer sein, unwahren Äusserungen mit Fakten zu begegnen, ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, aber möglicherweise auch unterkomplex. Menschen, die sich aus Qualitätsmedien informieren, wie es bei den Mitgliedern des Bundesrates der Fall sein dürfte, unterschätzen vielleicht die Wirkung von Propaganda und Desinformation auf Personen, die ihre Infos ausschliesslich über YouTube, Facebook, TikTok und Telegram beziehen. Und wie sieht es aus mit einem nicht ganz kleinen Anteil von Menschen, die an Fakten gar nicht mehr interessiert sind?
☛ Die engen Verbindungen zwischen Verschwörungstheoretikern und Russia today / RT Deutsch hat Sinan in seinem YouTube-Kanal aufgezeigt:
☛ Siehe auch:
Ukraine-Krieg: «Querdenker» fahren auf russische Propaganda ab