In den USA versinken die Republikaner immer stärker im Sumpf der Verschwörungstheorien und bringen die Demokratie an den Rand des Abgrunds.
Wie stark die rechte Propaganda und die damit verbundenen Verschwörungstheorien verfangen, zeigt eine Umfrage des Instituts PRRI vom Mai 2021: Unter den Anhängern der Republikaner bejahten 28 Prozent die Aussage, dass wahre amerikanische Patrioten womöglich zur Gewalt greifen müssten, um das Land zu retten, weil die Dinge so weit aus dem Ruder gelaufen seien. 23 Prozent der Befragten glauben demnach, dass die Regierung, die Medien und die Finanzwelt in den USA von einer Gruppe satanistischer Pädophiler kontrolliert werden, die einen globalen Kindersexhandel betreiben. Das ist eine Verschwörungstheorie, die auf die QAnon-Sekte zurückgeht. Die Anhänger dieser Verschwörungstheorie merken offenbar nicht, dass sie politisch instrumentalisiert werden.
Donald Trump selber ist Urheber und «Superspreader» der Verschwörungstheorie, die für die US-Demokratie die gefährlichste sein dürfte: Dass er die Wahl im November 2020 gegen Biden gewonnen habe. Trump-Kritiker nennen diese längst und eindeutig widerlegte Behauptung „The Big Lie“, die große Lüge. Trump ein notorischer und dokumentierter Serienlügner: Die Faktenchecker der Washington Post haben ihm bekanntlich in seiner vierjährigen Amtszeit über 30.000 falsche und irreführende Aussagen nachgewiesen. Das hält seine Anhängerinnen und Anhänger nicht davon ab, ihm zu glauben. Denn für sie ist wahr, was zum Denken des eigenen Stammes passt (siehe dazu: Tribalismus: Zur Problematik des Stammesdenken). Laut einer Umfrage der University of Massachusetts vor dem Jahrestag des Angriffs auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 gingen nur 21 Prozent der Republikaner davon aus, dass Biden legitim gewählt wurde.
Republikaner nominieren Wahlleugner als Wahlaufseher
Besorgniserregend ist auch, dass die Republikaner Schlüsselstellen für zukünftige Wahlen mit radikalen Trump-Anhängern besetzen.
Anhänger von Trumps absurder Wahlsieg-Verschwörungstheorie werden in den USA „Election Denier“ genannt, Wahlleugner. In der Partei der Republikaner gewinnt diese Gruppe immer mehr Einfluss. Bei den Vorwahlen haben die Republikaner bisher in vier sogenannten Swing States – also in möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaaten, die weder Republikanern noch Demokraten klar zuzuordnen sind – Wahlleugner als Kandidaten für das Amt des Secretary of State nominiert. Dabei handelt es sich in den Bundesstaaten um die obersten Wahlaufseher. Es ist zu befürchten, dass diese bedingungslosen Trump-Anhänger bei zukünftigen Wahlen der Aufforderung des Möchtegern-Autokraten, doch unverzüglich die zum Wahlsieg nötigen Stimmen zu finden, weniger entgegensetzen als die einsprechenden Amtsinhaber bei der vergangenen Wahl.
Der politische Gegner als Feind
Der Washington Post-Kolumnist und Autor Dana Milbank verortet den Anfang der Radikalisierung der Republikaner allerdings schon lange vor dem Aufstieg Trumps. Schon Newt Gingrich, der 1994 Vorsitzender des Repräsentantenhauses wurde, habe seinen Kollegen geraten, „über Demokraten als Verräter, Lügner und Betrüger zu sprechen“, sagte Milbank dem Radiosender NPR: „Das war also eine ganz andere Art, über den Gegner zu sprechen, der Gegner als Feind und nicht nur als Gegner.“
Quelle:
Wie Trumps Republikaner die Demokratie untergraben (Tiroler Tageszeitung)
Ergänzung:
Der politische Gegner als Feind: Das ist eine fundamental undemokratische Haltung, nicht nur wenn es um die Republikaner in den USA geht, sondern auch bei uns. Politikerinnen und Politiker, die einer solchen Verirrung frönen, sollten nie und nimmer gewählt werden. Die Die Philosophin Marie-Luisa Frick schreibt dazu:
„Gegner tragen ihre politischen Konflikte innerhalb eines Rahmens geteilter (demokratischer) Prinzipien aus: Sie betrachten einander als legitime Kontrahenten mit grundsätzlich legitimen Auffassungsunterschieden. Mouffe hat dafür die Bezeichnung agonistische Konflikte (nach griechisch agon, der Wettkampf) gewählt, die sie von antagonistischen unterscheidet. Erstere nehmen eine Form an, welche die politische Gemeinschaft nicht zerstört, da die Gegner sich durch ein gemeinsames Band, wie insbesondere das Bekenntnis zum demokratischen Rahmen ihres Konfliktes, verbunden fühlen. Agonistische Konflikte werden geprägt von Dissens und Einmütigkeit zugleich, sie drücken, wie Mouffe es nennt, »konfliktualen Konsens« aus. Solange sich politische Konflikte in diesem Sinne ausdrücken dürfen, so lange sei es unwahrscheinlich, dass sie gewaltvoll ausgetragen werden……
Unter demokratischen Bedingungen werden politische Konflikte diskursiv, d. h. mit Argumenten und ohne Rückgriff auf physische Gewalt, sowie unter wechselseitiger Anerkennung der Legitimität der Kontrahenten ausgetragen. Feinde hingegen verbindet kein gemeinsames Band an (demokratischen) Wettstreitregeln. Deshalb können solche Konflikte im äussersten Fall auf einer existenziellen Ebene zu einem Entweder-oder, d. h. der ultimativen Vernichtung des Kontrahenten, führen. Die Entscheidung dafür, wann es sich um Gegnerschaft oder aber Feindschaft handelt, kann dabei selbst ein politischer Konflikt auf der Metaebene sein.“
Aus: „Zivilisiert streiten – Zur Ethik der politischen Gegnerschaft“ (Reclam 2017)
Siehe auch:
Wahlbetrug / Wahlmanipulation als Unterstellung und Verschwörungstheorie
Feindbilder & Verschwörungstheorien