Von «Reichsbürgern» hört man meist aus Deutschland. Sie anerkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Manche glauben, Deutschland sei eine Firma, die BRD GmbH. Oder sie wähnen sich im Deutschen Kaiserreich. Weniger bekannt ist, dass auch in anderen Ländern Menschen mit ähnlichen Vorstellungen vorkommen. So gibt es auch Reichsbürger in Russland. Sie erkennen Russland als Staat nicht an und sind überzeugt, dass die Sowjetunion noch existiert.
Einige diese eingebildeten „Sowjetbürger“ haben sogar einen „Obersten Sowjet“ gegründet und „sowjetische Ministerien“. Etwa 30 Jahre nach ihrem Ende gibt es offensichtlich noch immer eine weitverbreitete Sehnsucht nach der Sowjetunion in Russland.
Die „Neue Sowjetunion“ lässt im Internet verlauten, der „Oberste Sowjet“ der UdSSR habe seine Arbeit wieder aufgenommen. Aufgeführt ist zudem eine Liste von Stellen, bei denen man wieder einen „sowjetischen Pass“ beantragen kann. Präsentiert werden Ansprechpartner beinahe in ganz Russland, von Kaliningrad im Westen über den Ural bis nach Sibirien. Die Reichsbürger in Russland haben auch einen „Ministerrat“ ernannt. Das Amt des „Kulturministers der Sowjetunion“ hat eine Mittsechzigerin übernommen, eine klassische Sängerin in Pensa, einer Provinzstadt mehr als 500 Kilometer südöstlich von Moskau. Diese «Kulturministerin» nennt Russland eine „Handelsorganisation“ und seine Staatslenker „Geschäftsführer“.
Es gibt eine „Finanzministerin der UdSSR“, die im Youtube-Video erklärt, alle „Sowjetbürger“ seien von Steuern oder Abgaben an die „Firma Russische Föderation“ befreit. Sie erteilt Tipps, wie man „seine Rechte durchsetzen“ soll. Diese imaginierte „Sowjetunion“ besitzt sogar ein „Kriegstribunal“, das schon Urteile gefällt hat. Eine Todesstrafe wurde beispielsweise gegen den Präsidenten der „nicht legitimen Ukraine“, Petro Poroschenko, in Abwesenheit verhängt. Das «Kriegstribunal» sah ihn als verantwortlich an für Umsturz, Krieg und Völkermord in der Ukraine. Dass ein «Kriegstribunal» der Sowjetunion sich als zuständig sieht für die Ukraine, liegt auf der Hand. Insofern passt die Ideologie der Reichsbürger in Russland zu den Einverleibungsphantasien von Wladimir Putin gegenüber der Ukraine.
Zwischenfall mit einem Reichsbürger in Russland
Dimitri Nabokoff (@DimitriNabokoff) und Stefan Schaak (@SchaakStefan) versehen im Twitter-Account @UntertitelRusDe russische Videos mit deutschen Untertiteln. Sie besprechen ein Video, das einen Polizei-Einsatz bei einem Reichsbürger in Russland zeigen soll:
Ein „Bürger der UdSSR“ hat In Tsibanobalka bei Anapa 2 Polizisten erstochen. Er griff die Polizeibeamten an, als sie bei ihm den Strom abschalten wollten. gekommen waren, um ihm den Strom abzuschalten.
Der 56-jährige Oleg Lysakov betrachtet sich selbst als „Bürger der UdSSR“ und weigert sich, seine Stromrechnungen zu bezahlen. Nach der Auseinandersetzung schloss der Täter sich mit einer Schrotflinte im Haus ein. Daraufhin stürmte die Polizei das Haus.
Eine Kommentatorin reagiert auf den Thread mit einer Empfehlung an die deutschen Reichsbürger:
«Die deutschen Reichsbürger, die nach Putins Hilfe verlangten, sollten also auch warten, bis die UdSSR wieder hergestellt ist…»
Quellen:
Reichsbürger in Russland: Die neuen Sowjetbürger (MDR)
Twittter:
https://twitter.com/UntertitelRusDe/status/1593974109519892480
Anmerkung:
☛ Das Verhalten dieser Reichsbürger in Russland ähnelt sehr demjenigen der deutschen Reichsbürger: „Offizielle“ Dokumente wie „Pässe“ ausstellen, „Regierungsfunktionen“ besetzen (die Reichsbürgerszene in Deutschland hat einen selbsternannten „Reichskanzler“). Auch dass es Probleme und sogar Gewalttätigkeit gibt bei der Durchsetzung behördlicher Forderungen, ist eine Gemeinsamkeit.
☛ Mehr zur Reichsbürger-Szene in Deutschland im Beitrag in der Enzyklopädie.
☛ Reichsbürger-Vorstellungen gibt es auch in der Schweiz. Beispiel:
Skurrile «Reichsbürger» in Kanton Baselland aktiv
Tibits-Mitinhaber im Reich der Verschwörungstheorien
Subtiler sind Äusserungen des Schweizer «Truther» und selbsternannten Friedensforscher Daniele Ganser, die an Reichsbürgerideologie andocken. Siehe dazu:
Reichsbürger-Unsinn: Daniele Gansers Behauptung, Deutschland sei ein besetztes Land