In der Schweiz haben zuständige Behörden innert kurzem zwei Privatschulen aus reichsbürgernahen Kreisen provisorisch bewilligt. Der Kanton St. Gallen genehmigte in Uznach eine Privatschule mit Verbindungen zur rechtsesoterischen Anastasia-Sekte.
Nun zieht der Kanton Zürich nach mit einer Privatschule auf Primar- und Sekundarstufe in Rikon.
An der Eingangstüre der Privatschule Campus Vivere in Rikon hängt ein «Schutzbrief» des «Institut Trivium United». Das ist eine Vereinigung, die der Reichsbürger-Szene zugeordnet wird. Trivium United stellt seinen Mitgliedern eigene Pässe aus und behauptet faktenfrei, sie dadurch «nach der Genfer Konvention» vor dem Zugriff durch staatliche Behörden zu schützen.
Campus Vivere hat in den vergangenen Monaten laut der «Wochenzeitung» (WOZ) in den vergangenen Monaten verschiedene Vorträge zu Reichsbürger-Themen veranstaltet.
Privatschulen aus der Staatsverweigerer-Szene
Die geplanten Privatschulen in Uznach und Rikon kommen aus einer Reichsbürger- bzw. Staatsverweigerer-Szene.
Laut dem Religions- und Sektenexperte Georg Otto Schmid gibt es in der Schweiz eine zunehmende Szene von Menschen, die der Überzeugung ist, dass die Schweiz nicht als Staat existiert, sondern eine Firma darstellt. Sie glauben daher, dass sie der Schweiz gegenüber zu nichts verpflichtet ist, nicht zu Steuern, Abgaben oder Bussen. «Diese Menschen werden Staatsverweigerer oder Staatsverweigernde genannt», sagt Georg Otto Schmid.
Charakteristisch für Staatsverweigernde sei der Gedanke, dass sie keine «Person», sondern ein «Mensch» seien, denn eine Person sei «Personal» der Firma Staat. Solche Spitzfindigkeiten sind auch aus der Reichbürger-Szene in Deutschland bekannt, wo aus denselben Gründen ein Personalausweis abgelehnt wird.
Staatsverweigernde wollen gemäss Schmid den in ihrer Sicht illegitimen staatlichen Strukturen in der Schweiz eine Parallelgesellschaft oder Alternativgesellschaft entgegenstellen, mit eigenen Schulen und eigenem Gesundheitssystem.
In diesem Zusammenhang sieht der Experte auch die Schulprojekte, die in letzter Zeit begründet wurden. Schmid erklärt dazu:
«Nach unserer Kenntnis wird unter Lehrkräften von Schulen aus dem Umfeld der Staatsverweigernden-Szene bewusst eingeübt, wie Kontrollierende der Bildungsdirektionen getäuscht werden können, damit diesen nicht auffällt, dass der Lehrplan mindestens in Teilen nicht beachtet wird.»
Wenn sie zahlreicher werden, seien solche Privatschulen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hochproblematisch: «Schulen mit Bezug zu dieser Szene sollten aus unserer Sicht nur mit höchster Vorsicht und unter engmaschiger Kontrolle durch die zuständigen Ämter bewilligt werden. Es kann der Gesellschaft nicht egal sein, wenn Kinder in einem Umfeld gross werden, in welchem Verschwörungstheorien normal und die Abgrenzung von Andersdenkenden Alltag ist.»
Quellen:
FRAGWÜRDIGE PRIVATSCHULEN: Reichsbürger bauen in der Schweiz eigene Schulen auf (20nin)
Privatschulen: Die Staatsfeinde und ihre Kinder (Wochenzeitung, WOZ)
Ausserdem:
☛ Die geplante Privatschule in Uznach lehnt sich an Konzepte der Schetinin-Schule an, die mit der Anastasia-Sekte verbunden ist.
Siehe dazu:
Bewilligung für rechts-esoterische Schetinin-Schule im Kanton St. Gallen
☛ Diese geplanten Privatschulen aus der Staatsverweigerer-Szene werfen schwierige Fragen auf. Selbstverständlich hat der Staat in einer Demokratie kein volles Zugriffsrecht auf die Erziehung der Kinder, wie das in totalitären Staatsformen der Fall ist. Kinder sollten aber auch in religiöser und ideologischer Hinsicht nicht einfach ihren Eltern gehören. Wenn Eltern ihre Kinder in einer vollkommenen ideologischen Parallelwelt schulen und erziehen, dann werden dadurch den Kindern auch Startgrundlagen in der Gesellschaft genommen. Und der Gesellschaft kann es nicht egal sein, wenn Kinder in isolierten Welten aufwachsen. Die Volksschule mit Kindern aus unterschiedlichen Milieus hat hier eine integrierende Funktion, die für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Die Behörden sollten hier sehr genau hinschauen und zugunsten der Kinder sehr restriktiv vorgehen.
☛ Dass die Staatsverweigerer-Szene auch in der Schweiz am Wachsen ist, hat mit der Pandemie-Erfahrung zu tun. Offensichtlich sind dadurch manche Menschen überfordert und verwirrt. Die Parallelwelt-Ideen dieser Kreise sind sehr realitätsfern. Wer jede Zusammenarbeit mit dem Staat verweigert, sollte konsequenterweise zum Beispiel auch keine privaten oder öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Stassen und Eisenbahnen sind schliesslich von unseren Vorfahrinnen und Vorfahren durch Steuern finanziert und gebaut worden.