Verschwörungstheoretiker führen eine Hass-Kampagne gegen den Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten.
Der renommierte Immunologe Anthony Fauci ist bei den rechten Trollen auf Facebook und Twitter zum Hassobjekt geworden. Dafür hat schon genügt, dass Fauci widerholt Falschaussagen ihres Idols zurückgerückt hat. Das geht gar nicht….. (Ironie).
In den vergangenen Wochen musste Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten in den USA, zum wiederholten Mal die irreführenden Aussagen von US-Präsident Donald Trump zum Coronavirus zurechtrücken. Dass ein bestimmtes Anti-Malaria-Medikament, wie Donald Trump behauptete, das Virus eindämmen könne, glaube er nicht, erklärte Fauci zum Beispiel in einem TV-Interview.
Ein Bild von einem Presse-Briefing, auf dem sich Fauci offenbar wegen einer Äußerung Trumps auf den Kopf griff, verbreitete sich weltweit. Das Foto rief auch rechte Verschwörungstheoretiker auf den Plan, die den Immunologen zur Zielscheibe einer Hasskampagne in Online-Netzwerken machten, berichtet die „New York Times“.
Flut an Hass-Postings von Verschwörungstheoretikern gegen Experten
Postings, die Fauci ins Zentrum einer Verschwörung gegen den US-Präsidenten rücken werden inzwischen tausendfach geteilt und erreichen so Millionen von Leuten.
Laut einer Analyse der «New York Times» sind allein auf Twitter mehr als 70 Accounts aktiv, die mit Hashtags wie #FauciFraud bis zu 800 Postings pro Tag veröffentlichen, die den Wissenschaftler diskreditieren sollen. Videos mit Verschwörungstheorien zu Fauci bekommen auch auf YouTube regen Zuspruch.
Konzertierte Fehlinformationen und Diskreditierungen
Der Biologe Carl Bergstrom von der University of Washington, der Desinformationskampagnen untersucht, verwies gegenüber der «New York Times» auf „konzertierte Anstrengungen“ von Trump-Anhängern, Fehlinformationen über das Virus zu verbreiten. Die Angriffe auf Anthony Fauci seien ein zentraler Bestandteil davon. Denn Fachleute würden in den Kampagnen allgemein als nicht vertrauenswürdig gebrandmarkt.
Die auf digitale Ethik spezialisierte Forscherin Whitney Phillips hat ähnliche Muster schon vorher festgestellt, zum Beispiel beim Klimawandel.
Bei einer Pandemie würden solche Fake-News-Kampagnen jedoch besondere Gefahren mit sich bringen. Sie schüren Misstrauen gegenüber Fachleuten und Beamten des Gesundheitswesens. In solchen Fällen könnten sie tödliche Konsequenzen haben, warnte die Expertin. Das kann zum Beispiel eintreten, wenn Menschen notwendige Empfehlungen nicht mehr umsetzen.
Ursprünglich waren die Postings über den Immunologen in Online-Netzwerken zunächst weitgehend positiv. Das galt auch für Kommentatoren aus dem rechten Lager, wie das Medienanalyseunternehmen Zignal Labs analysiert. Erst nachdem sich der Wissenschaftler bei dem Presse-Briefing an den Kopf griff, seien zunehmend Hass-Postings in Umlauf gebracht worden.
Befeuert wurde die Fake-News-Kampagne durch ein sieben Jahre altes E-Mail, in dem Fauci Hillary Clinton lobte. Das geht gar nicht (Ironie).
Der Immunologe lässt sich von den Verschwörungstheoretikern allerdings nicht irritieren und wiederholt seine zentrale Botschaft, das Coronavirus sei eine ernste Angelegenheit.
Quelle:
Rechte Trolle nehmen Trumps Corona-Berater ins Visier
Zur Diffamierungskampagne gegen Fauci hat der Politologe Claus Leggewie einen Gastbeitrag auf Spiegel online veröffentlicht:
«Zur Zielscheibe geworden ist ausgerechnet jener Topexperte, den sich Trump in seinen Krisenstab und vor die Kameras bei Pressekonferenzen geholt hat: Dr. Anthony S. Fauci, den Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases…..Gegen ihn haben Trump-Anhänger eine gewaltige Denunziationskampagne gestartet. Nachdem sie schon zu bemerken meinten, dass er nicht immer auf der Linie des Präsidenten lag, brachten sie vor allem eine Szene am 20. März auf, als Trump das US-Außenministerium als Teil des „tiefen Staates“ denunzierte und sich Dr. Fauci……..die Stirn rieb. Wir wissen nicht, was dahinter vorging, die Twitterer aber auch nicht, als sie darin eben jene Geste von Fremdschämen erblickten, die so gut wie alle Ansagen Trumps seit 2017 verdient hätten.»
Der «Tiefe Staat» (Deep state) ist eine Verschwörungstheorie, auf die Donald Trump immer wieder mal anspielt.
Verschwörungstheoretiker überinterpretieren Einzelheiten
Claus Leggewie bring dann auf den Punkt, wie Verschwörungstheoretiker ticken:
«Paranoiker lesen kleinste, insignifikante Zeichen – hier ein „palmface“ – und blasen ihre Beobachtungen auf zu einer missionarisch betriebenen Welterklärung.»
Der hashtag #FauciFraud habe sich danach wie ein Lauffeuer in den «(dafür wie geschaffenen) asozialen Medien» verbreitet. Angefacht worden sie diese Denunziationskampagne noch «durch prominente Sprecher der extremen Rechten wie Tom Fitton, Präsident von Judicial Watch, einer üblen Denunziationsmaschine in Washington, D.C., und Bill Mitchell, dem Host der Onlinetalkshow „YourVoice America“, der selbst ernannten Stimme einer angeblich zum Schweigen verurteilten Mehrheit.»
Als „Beweismittel“ sei dann die Mail Faucis an Trumps Opponentin Hillary Clinton ins Spiel gekommen:
«Im Oberstübchen eines Verschwörungstheoretikers fügt sich jedes Detail zum Beleg für ein Komplott. Und der Mob kann jeden Fachmann wegfegen, auch wenn er wie Fauci seit der HIV-Epidemie der führende Immunologe ist, nicht obwohl, sondern weil er weltweit Anerkennung genießt und zur Elite gehört.»
Claus Leggewie fragt dann, was es bedeutet, wenn in einer dramatischen Krisensituation, in der das Land (und damit auch die Gesundheit der Denunzianten) mehr denn je vom medizinischen Fachwissen und den operativen Fähigkeiten der Prävention und Bekämpfung einer Pandemie abhängt, der zuständige Fachbeamte so massiv attackiert wird.
Es zeige, schreibt Leggewie, «dass Paranoia durch keinerlei Faktizität belehrbar ist, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste vorgeht und am Ende mörderisch wirkt. Paranoide wollen die Gefährlichkeit des Virus nicht wahrhaben, führen aber keine pseudowissenschaftliche Evidenz dagegen an, sondern attackieren gleich den Überbringer der Botschaft. Und sie stellen sich schützend vor ihren angeblich angegriffenen Präsidenten, der – right or wrong – immer im Recht ist.»
Hier werde „freie Meinungsäußerung“ zum Hassverbrechen, nicht nur in den USA.
Leggewie weisst abschliessen darauf hin, dass die Rechte, mit diesem Präsidenten an der Spitze, schon alle Institutionen destabilisiert habe, die Wahrheit und Wirklichkeit verbürgen: Parlamente, Gerichte, Wissenschaften, freie Medien.
Quelle:
Doktor Faucis Fauxpas: Wie politische Paranoia funktioniert (Spiegel online)
Wir sehen an diesem Beispiel ein ziemlich charakteristisches Vorgehen von Verschwörungstheoretikern:
Fachleute werden auf der persönlichen Ebenen diffamiert, wenn ihre Aussagen und Argumente die eigenen Überzeugungen in Frage stellen. Weil gute Argumente fehlen, wird auf persönliche Diffamierung ausgewichen. Das zeigt sich tatsächlich nicht nur im Umgang mit der Coronakrise, sondern beispielhaft auch in den Auseinandersetzungen um die menschengemachte Klimaerwärmung.
Eindrücklich zu beobachten ist auch, wie in solchen Situationen oft komplette Laien vollkommen unverfroren und im Brustton der Überzeugung Fachleute in deren Spezialgebiet belehren wollen. Blindes Vertrauen in Fachleute kann problematische Folgen haben, blindes Misstrauen aber auch.
Sieh dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
Dazu passt ein Tweet von Florian Aigner (@florianaigner):
«Drei einfache Regeln:
1) Jeder, egal wie klug, ist bei fast allen Themen Laie.
2) Es ist völlig ok, wenn sich Laien öffentlich äußern.
3) Als Laie zu glauben, den Experten widersprechen zu können, ist meistens nicht klug. Das soll man nur mit extrem guten Argumenten versuchen.» (30. März 2020)
Verschwörungstheoretiker hassen sehr oft Experten. Das Beispiel der Diffamierungskampagne gegen Anthony Fauci zeigt dies sehr deutlich.
Update 2. April:
Inzwischen steht Anthony Fauci wegen Morddrohungen unter Polizeischutz“
„Wegen Morddrohungen stellte nun die Regierung Fauci, der sich in der Aids-Forschung erste Lorbeeren verdient und sechs US-Präsidenten gedient hat, unter Polizeischutz. In den sozialen Medien geifern extremistische Trump-Fans gegen die Corona-Koryphäe, aufgestachelt von Kritik und Verschwörungstheorien ultrakonservativer Moderatoren und Blogger.“
Quelle:
Morddrohungen gegen Trumps „Corona-Papst“ (Die Presse)