In Berlin zeigt sich vielerorts Protest gegen Verschwörungstheorien und das Gerede von der «Corona-Diktatur». So auch im Ortsteil Prenzlauer Berg (Bezirk Pankow).
Dort treffen sich jeden Montag zahlreiche Nachbarinnen und Nachbarn vor der Gethsemanekirche. Sie wollen damit ein Zeichen setzen und wehren sich gegen die Vereinnahmung des geschichtsträchtigen Ortes durch Corona-Proteste, die hier regelmäßig stattfinden. Im Herbst 1989 wurde die Gethsemanekirche zu einem der zentralen Orte der „Friedlichen Revolution” gegen das DDR-Regime. Heute wähnen sich die Corona-Leugnerinnen und Corona-Leugner, die ihren Protest schönfärbend als “Spaziergang” bezeichnen, selbst in einer «Corona-Diktatur».
Dagegen haben die Anwohnerinnen und Anwohner nun ihrerseits mit einer „Demokratie-Erklärung“ Protest formuliert. Und auch die Bezirksverordnetenversammlung nimmt dazu klar Stellung.
Protest gegen Verharmlosung von Diktaturen und Verhöhnung ihrer Opfer
„Uns bereitet es große Sorgen, dass umherziehende Protestler*innen eine angebliche ‘Corona-Diktatur’ herbeizureden versuchen. Wir verurteilen diese Verharmlosung von Diktaturen und die Verhöhnung ihrer Opfer“, schreiben die Initiantinnen und Initianten. Es sei an der Zeit, dass die große Mehrheit der Gesellschaft aktiv werde und für den Zusammenhalt eintrete, betonen sie.
Mit der nun publizierten „Demokratie-Erklärung“ richten sie sich gegen Verschwörungserzählungen und die fehlende Abgrenzung von Corona-Protestler*innen gegenüber Rechtsextremist*innen und Antisemit*innen.
Am Montagabend wurde die «Demokratie-Erklärung» im Beisein von Bürgerrechtlerin Marianne Birthler und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) öffentlich vorgestellt.
Die Petition wurde bereits von 100 Personen aus Politik, Kultur und Gesellschaft unterschrieben. Darunter befinden sich die Moderatorin Marion Brasch, Volksbühnenintendant René Pollesch, Bezirksstadträtin Rona Tietje (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke), Pankows FDP-Vorsitzende Daniela Kluckert und der Generalmusikdirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim.
Auch Bezirksverordnete stimmen dem Protest zu. In der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) soll dazu diese Woche eine klare Position bezogen werden. Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen haben, unter Mitzeichnung der FDP-Fraktion, in der BVV den Antrag „Kein Platz für Verschwörungserzählungen und Neonazis in unserem Bezirk“ gestellt. Dieser Antrag bezieht sich nicht nur auf die „Montagsspaziergänge“ vor der Gethsemanekirche, sondern darüber hinaus auch auf die meist unangemeldeten Versammlungen vor den Rathäusern in Pankow und Weißensee sowie in Karow.
„Die BVV Pankow fordert alle Teilnehmenden auf, sich nicht mit Rechtsextremist*innen gemein zu machen. Wer die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ablehnt, kann dies im Dialog mit der Politik jederzeit und frei zum Ausdruck bringen. Wo Einschüchterung, den Faschismus relativierende Äußerungen und die Teilnahme organisierter rechtsextremer Gruppen offensichtlich sind, ist kein Platz für Dialog“, heißt es in der Begründung des Antrags, über den am Mittwochabend abgestimmt wird.
Quelle:
KEIN PLATZ FÜR VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN (Prenzlauerberg Nachrichten)
Anmerkung:
Protest ist ein legitimes Mittel in der Demokratie. Wenn dabei aber demokratische Verhältnisse als «Corona-Diktatur» diffamiert werden, ist mehr Protest gegen diesen Protest notwendig. Die Initiative vom Prenzlauer Berg ist deshalb sehr nachahmenswert.
Gegenüber der lauten Minderheit, die Verschwörungstheorien verbreitet und zu mindestens in Teilen antidemokratische Einstellungen propagiert, sollte die demokratisch gesinnte Mehrheit konsequent Zeichen setzen. Dieser demokratische Protest artikuliert sich nun in verschiedenen Formen.
Siehe auch:
Warum sind Verschwörungstheorien eine Gefahr für demokratische Gesellschaften?
Postreligiöser Theologismus & «Corona-Diktatur»
Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien – ein enger Zusammenhang