Zu dieser Frage hat der «Spiegel» ein Interview veröffentlicht mit Martin Baron, dem scheidende Chefredakteur der „Washington Post“. Baron, zweifelt daran, dass Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien mit journalistischen Angeboten erreicht werden können. Dem «Spiegel» sagte er: „Ich hoffe, dass es einen Weg gibt. Aber das Verschwörungsdenken ist tief verwurzelt“, und ergänzte: „Wenn Menschen einmal anfangen, so zu denken, ist es sehr schwer, sie davon zu überzeugen, dass sie von der Realität abgekoppelt sind.“ Das hat viel mit Polarisierung zu tun.
Verschwörungstheoretiker „sehen uns Mainstream-Medien als diejenigen, die lügen. Und sie sehen sich selbst als diejenigen, die im Besitz der Wahrheit sind“, erklärte der US-Journalist in dem Interview. Er ist zudem der Ansicht, dass mehr Transparenz über journalistische Arbeit und Quellen am Ende für jene Menschen „keinen großen Unterschied zu machen“ scheint: „Wir verstärken eben nicht das feste Weltbild von Verschwörungstheoretikern – und weil wir das nicht tun, sehen ihre Anhänger uns als Feinde, als Lügner, als bezahlte Agenten ihrer Gegner.“ Der 66-Jährige Martin Baron scheidet nach acht Jahren an der Spitze der Redaktion der „Washington Post“ zum Monatsende aus diesem Amt aus.
Zum Umgang mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump äusserte sich Baron im Interview selbstkritisch: „Wir hätten Trumps Lügen schon früher offener ansprechen müssen, hätten sie viel klarer benennen müssen“, und fügte hinzu, es sei klar gewesen, „dass Trump alles tun würde, um uns zu dämonisieren“.
Polarisierung bewirkt, dass Fakten aus dem Gegenlager nicht ankommen
Trumps Ziel sei es gewesen, «seine Anhänger dazu zu bringen, alles, was wir geschrieben haben, zu ignorieren und als ein Produkt der Opposition zu betrachten.»
Das sei dem Ex-Präsidenten weitgehend gelungen, stellt Baron fest, und ergänzt, dass Trump selbst dann mit der Dämonisierung aufhören wollte, als es Gewalt und Drohungen gegen Journalisten gab.
Quelle:
„Post“-Chefredakteur Baron: Verschwörungsdenken ist tief verwurzelt (epd)
Anmerkungen:
Hier sieht man deutlich, wie schädlich sich Polarisierung auswirken kann. Ist ein Land in zwei unversöhnliche Lager gespalten, werden Fakten und Argumente, die aus dem realen oder fantasierten Gegenlager kommen, weitgehend ignoriert. Als wahr wird dann nur akzeptiert, was zum eigenen Lager passt und sich als wahr anfühlt. Es herrscht dann das, was Stephen Colbert als Truthiness beschrieben hat.
Je stärker die Polarisierung in einer Gesellschaft, desto grösser der Schaden für die Demokratie. Zwischen Polarisierung und Verschwörungstheorien existieren viele Verbindungen. Die beiden Begriffe beeinflussen sich gegenseitig und in beide Richtungen.
Siehe dazu:
Polarisierung & Verschwörungstheorien
Deshalb sollte man allen Menschen nahelegen, niemals Politikerinnen oder Politiker zu wählen oder sonst wie zu unterstützen, die Polarisierung fördern. Sie sollten im Gegenteil isoliert und gemieden werden wie ein Virus.