Der Gründer der rechtsextremen Miliz «Oath Keepers» ist in den USA wegen Verschwörung zum Sturm auf das Kapitol verurteilt worden. Das Welt- und Menschenbild der «Oath Keepers» ist geprägt von Verschwörungstheorien. Dass Verschwörungstheoretiker selber zu Verschwörung neigen, ist nicht sehr überraschend. Sie fühlen sich von einer angeblichen Verschwörung bedroht und wehren sich dagegen mit einer eigenen Verschwörung.
Während die Mitglieder der rechtsextremen US-Miliz Oath Keepers am 6. Januar 2021 zusammen mit anderen Extremisten das Kapitol stürmten, trat ihr Gründer Stewart Rhodes „wie ein General auf dem Schlachtfeld“ auf. So formulierte es jedenfalls Staatsanwalt Jeffrey Nestler während des Prozesses. Das Geschworenengericht sprach den 57-Jährigen und einen weiteren Anführer der Oath Keepers der „aufrührerischen Verschwörung“ schuldig. Dieser besonders schwerwiegende Anklagepunkt führt dazu, dass den beiden Verurteilten bis zu 20 Jahre Gefängnis drohen. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Es handelt sich um die ersten Verurteilungen wegen aufrührerischer Verschwörung im Zusammenhang mit dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Dieser Straftatbestand richtet sich unter anderem gegen Versuche, die US-Regierung zu stürzen. Er kommt in den USA nur selten zur Anwendung.
Erleichtert über die Verurteilung von Stewart Rhodes reagierte dessen Familie. Sein ältester Sohn Dakota erzählte vom Leben in absoluter Paranoia. Die Familie litt unter den manischen Ausbrüchen des Vaters, der sich auf den sozialen Umsturz vorbereitete und immer mehr aus der Realität fiel.
Rhodes impfte seinen Kindern seine Weltsicht ein, mit der «Vision einer schattenhaften, bösartigen kommunistischen Verschwörung, die eine neue Weltordnung anstrebt mit dem Ziel, die totale Macht zu ergreifen und eine Ein-Welt-Regierung zu errichten, die absichtlich Chaos sät», wie Sohn Dakota es schildert.
Verschwörungstheorien wie Pizzagate waren zu unumstösslichen Tatsachen und die Oath Keepers zum Lebensmittelpunkt nicht nur für Rhodes, sondern für die ganze Familie geworden.
Wer sind die «Oath Keepers»?
Die Oath Keepers („Bewahrer des Eides“ oder „Eidwächter“) sind eine rechtsextreme, staatsfeindliche Miliz in den USA. Nach ihrer eigenen Beschreibung handelt es sich um eine Vereinigung aktiver und ehemaliger Angehöriger von Polizei, Militär, Rettungssanitätern, Feuerwehr und ähnlichen Hilfsorganisationen. Die Mitglieder werden hauptsächlich aus diesen Kreisen rekrutiert. Mit ihrem Namen verweist die Miliz auf den bundesstaatlichen Amtseid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten und insbesondere auf den Teil, der verlangt, „die Verfassung gegen alle ausländischen und inländischen Feinde zu verteidigen“ (englisch to defend the Constitution against all enemies, foreign and domestic).
Es ist sehr skurril, dass eine Miliz, die sich auf die Fahne schreibt, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu verteidigen, sich am 6. Januar 2021 massgeblich am Versuch beteiligte, diese Verfassung auszuhebeln. Das zeigt, wie tiefgreifend Verschwörungstheorien in komplette Desorientierung führen kann. An mangelnder Bildung kann das nicht (oder nicht nur) liegen: Gründer Stewart Rhodes ist Absolvent der Yale Law School an der renommierten US-amerikanischen Yale University. Der ehemalige Fallschirmspringer der US-Army arbeitete als Rechtsanwalt. Tribalismus hat offensichtlich die Kraft, jeden Verstand einzunebeln.
Die Verschwörungstheorien der «Oath Keepers»
Die «Oath Keepers» vertreten die Verschwörungstheorie vom Wahlbetrug, wonach die Präsidentschaftswahl 2020 gefälscht worden sei. Sie befürchten eine «Neue Weltordnung» (NWO), die mit der Vernichtung der verfassungsrechtlichen Freiheiten, der Beschlagnahme von Schusswaffen, einem Verbot des zwischenstaatlichen Reisens und der Inhaftierung von US-Bürgern in Konzentrationslagern beginnen soll. Sie verbreiten Verschwörungstheorien, denen zufolge die USA von einer verdeckt sozialistischen Regierung beherrscht würden, die die Bevölkerung entwaffnen wolle, um sie schutzlos einer Militärintervention auszusetzen. Für die «Oath Keepers» sind die Vereinten Nationen (UNO) ein Werkzeug der New World Order (NWO), um die Souveränität der Vereinigten Staaten zu untergraben.
Die Grundüberzeugungen der «Oath Keepers» mit der Verschwörungstheorie einer Weltregierung als Kern schürten irrationale Ängste, verstärkten regierungsfeindliche Gefühle und geben der Miliz ein Ziel. Die regierungsfeindliche Einstellung veränderte sich partiell in der Regierungszeit von Donald Trump. Rhodes und seine «Oath Keepers» wandelten sich seither von entschiedenen Regierungsgegnern zu imaginären Beschützern der Trump-Bewegung. Rechtsextreme Milizen wie die «Oath Keepers» oder die «Proud Boys» sehen sich zum Teil als Trumps Schattenarmee. Sie werden im Gegenzug von Trump hofiert.
Quellen:
Rechtsextremist droht lange Haft: Milizgründer wegen Sturm aufs US-Kapitol verurteilt
(n-tv)
Beitrag über die «Oath Keepers» auf Wikipedia.
STEWARD RHODES: Paranoia pur – Sohn des Gründers der rechtsextremen «Oath Keepers» erzählt (20min)
Anmerkung:
Rund um die «Oath Keepers» gibt es ein ganzes Netzwerk von unterstützenden Verschwörungsideologen. Aller voran natürlich Donald Trump. Aber auch Medienfiguren wie den Fernsehmoderator Tucker Carlson von Fox News und den Hassprediger und Verschwörungsideologen Alex Jones, ein Trump-Freund und Trump-Unterstützer. Alex Jones bot in seinen Sendungen Stewart Rhodes immer wieder eine Plattform.
Sind solche Netzwerke von Verschwörungstheorien erst einmal etabliert, sind sie kaum mehr wegzubringen. Sie werden die Politik in den USA wohl noch Jahrzehnte beeinträchtigen und demokratische Prozesse wie Wahlen stören.