Medienkompetenz ist kein Allheilmittel gegen Verschwörungstheorien. Sie kann aber einen Beitrag leisten zur Eindämmung. In einem Interview auf rp-online spricht der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen über Falschmeldungen, Verschwörungstheorien und seinen Vorstoß für ein Schulfach Medienkompetenz.
Im Interview wird Pörksen gefragt, weshalb Medienmündigkeit zur Existenzfrage der Demokratie geworden ist.
Antwort:
«Weil wir erleben, in welchem Maße sich Verschwörungstheorien, Falschnachrichten und bizarre Gerüchte verbreiten, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie. Der Blick in die USA zeigt: Man kann den demokratischen Prozess und das soziale Miteinander durch Desinformation gefährden. Menschen brauchen sauberes Wasser, freie, demokratische Gesellschaften brauchen saubere Informationen!»
Drei Tipps für Medienkompetenz
Der Medienwissenschaftler gibt zudem drei Tipps für den täglichen Umgang mit echten und falschen Nachrichten:
Erstens brauche es Quellenbewusstsein: «Wir müssen einschätzungsfähig werden. Woher stammt die Information? Ist die Quelle anerkannt und seriös oder nicht?»
Zweitens sei die Uralt-Tugend der Skepsis nötig, um sich vom Reflex des „kommentierenden Sofortismus“ zu befreien: «Muss ich sofort weiter leiten, posten und kommentieren, was mich selbst gerade erst erreicht hat?»
Drittens sei es zentral, die Informationsflut zu dosieren: «Wie gelingt eine gute Mischung aus Anteilnahme am Weltgeschehen und abgrenzungsfähiger Auswahl?»
Die laufende Medienrevolution sei in ihrer Wirkung vergleichbar mit der Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks. Ein paar Zusatzseminare hält der Medienwissenschaftler deshalb für nicht ausreichend. Ein Schulfach dagegen sei der richtige Ort, um die Macht der Medien zu begreifen und zu lernen, wie die Kunst des Miteinander-Redens unter neuen Kommunikationsbedingungen gelingt. Es gilt zu unterscheiden: «Was ist sinnvolles Argument, was nur Geschrei und Pöbelei?»
Dafür brauche es eigens in Medienkompetenz geschulte Lehrerinnen und Lehrer, wozu auch bei der Lehrerausbildung anzusetzen sei.
Auswahl von Informationen als Schlüsselkompetenz
Aber auch der die Schulung des Einzelnen sei entscheidend in Bezug auf Medienkompetenz: «Der Umgang mit und die Auswahl von Informationen ist heute eine Schlüsselkompetenz.»
Hier spielt auch der Journalismus eine wichtige Rolle.
Mit publizistischem Dreck lasse sich viel Geld verdienen, guter Journalismus dagegen koste auch Geld. Zugleich führt das Wegbrechen von Anzeigen- und Werbemärkten bei den klassischen Medien zu einer Umschichtung in Richtung digitaler Giganten.
Diese Situation verlangt laut Pörksen nach gesamtgesellschaftlichen Antworten: «Es braucht politischen Willen und Medienmündigkeit in der Breite der Gesellschaft.»
Quelle:
Interview mit Bernhard Pörksen: „Passives Publikum gibt es nicht mehr“ (rp-online)
Zum Thema siehe auch:
Verschwörungstheorien & Jugendliche – was Lehrpersonen und Eltern tun können
Bernhard Pörksen hat ein informatives Buch geschrieben mit dem Titel:
Buchtipp: “Die grosse Gereiztheit” von Bernhard Pörksen
Ausserdem als Kurztext:
Bernhard Pörksen über das Dilemma im Umgang mit Medien
Zur Medienkompetenz gehört auch ein Verständnis der Funktionsweise von Medien. Dazu hat Matthias Zehnder ein informatives Buch geschrieben:
Buchtipp: “Die Aufmerksamkeitsfalle” von Matthias Zehnder
Eine Zusammenfassung des Buches finden Sie hier:
Wie Medien via Aufmerksamkeitsfalle den Populismus fördern