Im «Tagesspiegel» hat Jan Kixmüller einen Beitrag veröffentlich zum Umgang der Wissenschaftskommunikation mit Verschwörungstheorien, Desinformation und Fake News. Der Autor bezieht sich dabei offenbar auf eine Panel-Diskussion der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
In der Covid-Pandemie verbreiten sich gerade Missverständnisse, Fake News und Verschwörungstheorien ohne Ende. Kürzlich machten zum Beispiel Gerüchte die Runde, dass die Covid-19-Impfung bei Männern Impotenz bewirke. Michael Zitzmann, Chef-Androloge der Universitätsklinik Münster, stellte dann in den Medien klar, dass nicht die Impfung, sondern vielmehr das Virus selbst zu fürchten ist, wenn es um ein gesundes Sexualleben geht.
Dass Impfungen krank machen oder eine Infektion einen besseren Schutz als eine Impfung schafft, sind Falschinformationen, die sich in der Pandemie verbreiten. Oder es werden Verschwörungsgerüchte in die Welt gesetzt, wonach sich die Politik verschworen hat, wahlweise mit dem Virus oder den Gegenmaßnahmen der Gesellschaft zu schaden.
Verschwörungstheorien leben von der Vorstellung, dass es so sein könnte. Und dass es so sein könnte ist in der Regel schwer zu widerlegen. Genau hier kommt die Rolle der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation ins Spiel, um ein klares Bild zu schaffen.
Wissenschaftskommunikation soll vermitteln, wie Wissenschaft arbeitet
Jan Kixmüller beschreibt als zentralen Punkt in der Panel-Diskussion:
«Die Öffentlichkeit müsse überhaupt erst einmal verstehen, wie Wissenschaft arbeitet, dass sie nie endgültige Antworten liefert, sondern ein Prozess ist, eine Debatte, die sich einer Schlussfolgerung nur langsam annähert.»
Der Medienwirkungsforscher David Schieferdecker von der Freien Universität Berlin wies darauf hin, dass Forschende nicht nur ihre Daten diskutieren, sondern auch ihre Zweifel daran kommunizieren sollten.
Viola Priesemann, die in der Corona-Pandemie immer wieder als Expertin zu Rate gezogen wird, kann das nur unterstreichen. Die Polarisierung von Schwarz und Weiß sei falsch, sagt die Physikerin. Als Beispiel nennt sie die Frage, wie sehr Geimpfte das Virus noch übertragen können. Diese Frage sei in der öffentlichen Debatte auf Ja und Nein verkürzt worden, ohne präziser zu fragen, in welchem Ausmaß Übertragungen noch stattfinden. Die öffentliche Debatte habe sich an diesem Punkt völlig vom wissenschaftlichen Diskurs abgekoppelt.
Journalismus und Wissenschaftskommunikation müssen tiefere Recherchen bieten und Quellen benennen
Journalisten müssten tiefere Recherchen der Quellen betreiben, die Fakten genauer checken und die Quellen benennen.
Priesemann wünscht sich darüber hinaus eine differenziertere Berichterstattung, die nicht nur schlechte Nachrichten in den Fokus rückt.
Für Mia Malan, Chefredakteurin und Direktorin des Bhekisisa-Centre for Health Journalism in Südafrika, ist ein wirksames Mittel gegen Fake News, sich direkt an die Adressaten dieser Falschmeldungen zu wenden. Um diesen Adressaten zu erklären, wie präzise die Forschung die Wirkung der Impfungen überprüft. Malan hält das allemal für besser, als sich auf Diskussionen mit sogenannten „Querdenkern“ einzulassen, was oft ein aussichtsloses Unterfangen sei.
Vertrauen als zentraler Begriff
In der Diskussion zwischen Medienleute und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Südafrika war der Begriff des Vertrauens zentral. Das Vertrauen in die Wissenschaft dürfe nicht verloren geht, sonst glaube niemand mehr den Expertinnen und Experten. Dabei sei es dringend notwendig, die richtige Balance zwischen Evidenz und Gefühlen zu finden. Als gutes Vorbild für eine solche Wissenschaftskommunikation wurde der NDR-Podcast von Christian Drosten und Sandra Ciesek erwähnt.
Mia Malan unterstrich, dass die Medien dabei nicht nur genau arbeiten müssten, sondern dass dabei auch ein leicht verständlicher Ansatz wichtig sei. Weniger sei mehr, es sei besser, eine sinnvolle Story zu schreiben als viele austauschbare.
Dabei spielt auch das Format eine Rolle. Animierte Videos könnten beispielsweise komplizierte Sachverhalte leichter erklären.
Marina Joubert von der Forschungsstelle Wissenschaftskommunikation Centre for Research on Evaluation, Science and Technology, der Stellenbosch University/Südafrika wies darauf hin, dass die Wissenschaft in der Pandemie auch näher an die Politik und Öffentlichkeit gerückt ist. Die Forschenden arbeiten nicht länger im Elfenbeinturm
Die Forschenden würden nicht länger im Elfenbeinturm arbeiten. Das werde auch sehr wichtig sein für die Kommunikation in weiteren globalen Krisen wie etwa dem Klimawandel, erklärte Joubert.
Quelle:
Fake News und Verschwörungstheorien Kommunikation in Zeiten der Pandemie (Tagesspiegel)
Ausserdem:
☛ Die Frage, wie Wissenschaftskommunikation Vertrauen fördern kann, ist sehr wichtig. Sie braucht Aufmerksamkeit und einen «Masterplan».
☛ Die Forderung, dass Wissenschaftskommunikation verständlich machen soll, wie Wissenschaft arbeitet, kann nicht genug unterstrichen werden. Allzu oft werden nur wissenschaftliche Ergebnisse vermittelt. Aber ein Verständnis der Wissenschaft kommt eher zustande, wenn das Vorgehen der Wissenschaft, die Methodik, verstanden wird.
☛ Zum Stichwort ‘Förderung von Vertrauen’ ist der Gegenpol ‘Misstrauen’ wichtig. Im Kontext von Verschwörungstheorien ist oft ein toxisches Misstrauen zu finden, das sich sehr von einem gesunden Misstrauen unterscheidet. Diese Unterschiede zu vermitteln ist eine gute Strategie im Sinne des Prebunking. Die Unterschiede zwischen gesundem und toxischem Misstrauen sind hier genauer dargestellt:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen