Der Berliner Künstler Sebastian Bieniek versuchte in den vergangenen Monaten, einen eigenen Verschwörungskult auf Telegram zu schaffen und damit an die QAnon-Szene anzudocken. Jetzt hat er sein „Sabmyk-Network“ als Kunstexperiment bezeichnet. Ein dummes «Kunstprojekt». Denn tatsächlich hat er antisemitische Propaganda an unzählige Menschen verbreitet.
In regelmäßigen Posts entwickelte „Sabmyk-Network“ eine absurde Erzählung über einen angeblichen Erlöser, eine in Deutschland lebende persische Prinzessin und ein mysteriöses mächtiges Schwert. Darin kommt auch der Milliardär und Philanthrop George Soros vor. Soros steht im Zentrum verschiedener antisemitischer Verschwörungserzählungen der vergangenen Jahre.
Seine eigene mythisch-spirituelle Geschichte scheint wohl zu konfus gewesen sein, um damit eine zahlreiche Gefolgschaft aufzubauen. Doch Bieniek streute in seinen Telegram-Kanälen auch eine Vielzahl schon bestehender Verschwörungsgeschichten und versuchte so, an die Qanon-Szene anzudocken.
Recherchen decken «Sabmyk»-Drahtzieher auf
Schon im Februar publizierte die britische Nichtregierungsorganisation Hope not Hate einen Bericht, demzufolge der Berliner Künstler Sebastian Bieniek hinter dem Netzwerk auf Telegram stecke. Die Organisation schrieb dazu: „Dieses Netzwerk hat seine Kanäle getarnt, um Qanon-Anhänger und andere anzusprechen, scheint aber in Wirklichkeit für ein völlig neues quasireligiöses Narrativ zu missionieren.“ Über 100 Kanäle mit total beinahe 900.000 Abonnenten machte sie als Teil dieses Netzwerks aus.
Der britische „Guardian“ und der österreichische „Standard“ griffen die Recherchen von Hope not Hate auf. Daraufhin hat Sebastian Bieniek zunächst abgestritten, hinter dem „Sabmyk“-Netzwerk zu stecken. Am Karsamstag publizierte er dann aber eine 76-seitige Erklärung. Sie bestand aus einer Mischung von Bekennerschreiben und Autobiografie und war voller Rechtschreibfehler.
Alles sei nur ein Experiment gewesen, erklärte Bieniek darin, und er glaube, „in mehrerlei Hinsicht etwas Großes geleistet“ zu haben. Dem Künstler ging es bei seinem „Experiment“ offenbar in erster Linie um sich selbst. Er meint sogar „Ich glaube, dass das jeder will: ‚seinen Fußabdruck auf dieser Welt hinterlassen‘.“
Für Gregory Davis von der NGO Hope not Hate ist Bienieks Aktion nicht nur ein harmloser Streich. Es sei wichtig zu verstehen, dass die ‚Sabmyk‘-Mythologie nur ein kleiner Teil der Veröffentlichungen von Bienieks Kanälen war, erklärte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die überwiegende Mehrheit der Beiträge habe explizit bestehende Verschwörungstheorien wie Qanon und Anti-Impfstoff-Falschinformationen unterstützt.
In einem Telegram-Beitrag wurde etwa die Behauptung verbreitet, Juden würden Corona-Impfstoffe ablehnen, weil die tödlicher seien als das Virus selbst. In einem weiteren Beitrag, der 250.000-mal angesehen wurde, habe Bieniek behauptet, der jüdische Baron Rothschild habe Hitler bezahlt, damit er die Juden verfolgt und zur Gründung des Staates Israel drängt.
Verschwörungserzählungen wie die ‚Sabmyk‘-Geschichte können sehr reale Folgen nach sich ziehen. Impfmythen reduzieren die Effektivität der Pandemiebekämpfung und gefährden damit die öffentliche Gesundheit. Und antisemitische Verschwörungserzählungen waren in den vergangenen Jahren für mehrere tödliche Terroranschläge wie in Halle mitverantwortlich.
Gregory Davis weist darauf hin, dass es nichts an dem Schaden ändere, den die Verbreitung dieser Behauptungen verursacht habe, falls Bieniek vielleicht selbst gar nicht daran geglaubt hat. Es sei Im Gegenteil sogar noch verwerflicher, „dass er dies nur tat, um seine eigene Karriere zu fördern“.
Quelle:
Neue Mythen im Qanon-Kosmos: Verschwörungskult als Kunstprojekt
(Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Anmerkungen:
☛ Gar nichts gegen Kunst, aber dieses Thema ist auf diese Art und Weise angegangen nicht geeignet für ein «Kunstprojekt» und schon gar nicht für eine Selbstbestätigungsaktion.
☛ Es gibt leider einen Trend, antisemitische Äusserungen als Jux, als Ironie oder als «Experiment» zu verkleiden.
☛ Siehe auch:
Antisemitismus und Verschwörungstheorien