Die Beweise für entsetzliche russische Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha sind erdrückend. Doch die Kreml-Propaganda wirft Nebelkerzen. Selbsternannte «Alternative Medien» und ein grosser Teil der «Querdenker»-Szene übernehmen die Propagandalügen.
Da heisst es zum Beispiel, das Massaker sei inszeniert, die Toten am Strassenrand seien gar nicht tot, sie würden nur Tote darstellen. Dann heisst es wieder, die Toten von Butscha seien zwar tot, aber sie seien von ukrainischen Soldaten umgebracht worden.
Wir sehen ein altbekanntes Muster der Kreml-Propaganda: Es werden laufend neue und oft auch sich widersprechende Varianten verbreitet. Das Ziel dieses Vorgehens liegt darin, Verwirrung zu stiften, so dass die Menschen zum Schluss kommen, es sei sowieso nicht herauszufinden, was stimmt. Ziel ist es, eine Haltung des politischen Zynismus zu schaffen, in dem ein Massaker nur noch ein Schulterzucken hervorruft.
Die Kreml-Propaganda wiederholt damit beim Massaker von Butscha dieselbe Strategie, die sie schon bei den Kriegsverbrechen in Syrien, bei der Skripal-Vergiftung und beim Abschuss von MH-17 in der Ostukraine eingesetzt hat.
Rund um die Kriegsverbrechen von Butscha wird eine Super-Verschwörungstheorie aufgebaut
Die Massaker von Butscha wurde inszeniert! Was für eine absurde Verschwörungstheorie. Tausende von Opfern sind nur Krisendarsteller. Tausende von Zeugen wurden gebrieft und sagen nur ihr Sprüchlein auf. Das erinnert an die Verschwörungstheorien rund um den Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School am 14. Dezember 2012 in Newton (USA). Verschwörungsgläubige in den USA und in anderen Teilen der Welt (auch in der Schweiz) behaupten bis in die Gegenwart, das Sandy-Hook-Massaker sei nur „großes Theater“ gewesen, „ein bühnenreifer Auftritt bezahlter Schauspieler“ und eine Inszenierung der Regierung von US-Präsident Barack Obama, um striktere Gesetze umzusetzen und am Ende das Land zu entwaffnen. Bezahlte «Krisenschauspieler» seien bei solchen Massakern in Aktion. Obwohl es keinerlei auch nur annähernd glaubwürdige Zweifel am Ablauf der grausamen Tat gibt.
Diese Verschwörungstheorie hatte zur Folge, dass Eltern von getöteten Kindern diffamiert und bedroht wurden, unter massiver Mithilfe von Alex Jones, dem bekanntesten Verschwörungsunternehmer und Hassprediger in den USA. Die russische Propaganda mit ihrer Verschwörungstheorie von der Inszenierung der Massaker von Butscha übertrifft die Dimension der Verschwörungstheorie um den Amoklauf an der Sandy Hook School um ein Vielfaches.
«Querdenker» auf Putin-Kurs
Erschütternd ist, wie rasch viele «Querdenker» den russischen Propagandablick auf die Massaker von Butscha übernehmen. Sie stellen sich damit auf die Seite von Massenmördern und stützen ein totalitäres System. Und dies, obwohl die Belege für die Verantwortung russischer Truppen an den Kriegsverbrechen unübersehbar sind. Es gibt eine grosse Zahl von direkten Zeuginnen und Zeugen und eine grosse Zahl von unabhängigen Journalistinnen und Journalisten haben Verbrechen dokumentiert. Auch unabhängige Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und das Rote Kreuz sammeln Belege. Die Investigativ-Plattform Bellingcat verifiziert Videos. Inzwischen ermitteln auch Gerichtsmediziner und ein Ermittlerteam der OSZE.
Natürlich gibt es zum jetzigen Zeitpunkt kein Gerichtsurteil. Das gibt aber noch lange keine Berechtigung, alle Zeugenaussagen und Belege vom Tisch zu wischen und die Massaker von Butscha als «Inszenierung» abzutun, was einer Verhöhnung der Opfer gleichkommt.
Aber für die russische Propaganda, viele «Querdenker» und andere Verschwörungsgläubige steht schon fest, dass alles nur eine Inszenierung war oder das ukrainische Militär die eigenen Landsleute massakriert hat. Fakten und Belege, wie sie nun schon seit Wochen gesammelt werden, spielen hier keine Rolle. Als wahr gilt hier eher, was der «Wahrheit» des eigenen Stammes entspricht (Tribalismus) und den Charakter einer gefühlten Wahrheit (Truthiness) hat.
Kreml-Propagandisten aus Westeuropa beteiligen sich aktiv an der russischen Desinformation zum Butscha-Massaker. Ein Beispiel dafür ist Markus Fiedler. Sein unsägliches Propagandavideo wird hier gekonnt auseinandergenommen:
Infos zu den Massakern von Butscha
Hier gibt’s weitere Informationen zur Sammlung von Belegen über die Massaker von Butscha:
☛ Die Wahrheit über Butscha (Republik)
«Die Beweise für entsetzliche russische Kriegsverbrechen sind erdrückend. Trotzdem gibt es Schweizer Medien, die keinerlei Hemmungen haben, die Fakten zu verwischen.»
☛ „New York Times“-Bericht rekonstruiert Horrormonat in Butscha (Der Standard)
«Es sind verstörende Inhalte: Eine Schule wurde demnach zur Zentrale der russischen Streitkräfte im Kiewer Vorort, Zivilisten getötet und eine Frau als „Sexsklavin“ missbraucht.»
☛ Krieg gegen die Ukraine: OSZE sieht Anzeichen für systematische Verbrechen in der Ukraine (Zeit online)
«Ein Expertenteam der OSZE hält Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Russland für wahrscheinlich. Es gebe „glaubwürdige Beweise“ für Folter und Misshandlung.»
Hier gibt’s weitere Beiträge zum Thema auf dieser Website:
Kreml streut Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg
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