In Verlauf der Corona-Krise ist immer wieder die Rede von einer Spaltung der Gesellschaft, zu der unter anderem Verschwörungstheorien beitragen sollen. Der Kirchenhistoriker sieht die Problematik der Verschwörungstheorien, hält aber nichts von der Rede von einer Spaltung der Gesellschaft.
In einem Interview mit der Salzburger Kirchenzeitung „Rupertusblatt“ betont Cerny-Werner, dass gerade in Krisen wie der aktuellen Coronapandemie viele Menschen das Bedürfnis nach einfachen Antworten auf große Fragen haben: „Viele, die Angst und Wut haben, suchen ihre Erklärung in sogenannten alternativen Erzählungen“, betonte er in Bezug auf Verschwörungstheorien und Fake News, die gerade in Pandemiezeiten Hochkonjunktur haben.
Keine Spaltung der Gesellschaft
Man könne nicht von einer Spaltung der Gesellschaft sprechen, nur weil eine „erkennbar laute Minderheit im Verbund mit Radikalen der Mehrheit eine polarisierende Auseinandersetzung aufdrängt“, sagte der an der Universität Salzburg lehrende Professor für Kirchengeschichte.
Den Grund, weshalb zahlreiche Leute sich gegenwärtig in ihrer Meinung überhitzen, sieht er in einer „fehlenden Distanz in einem doppelten Sinn“. Dabei geht zum einen um die äußere fehlende Distanz, weil man tagtäglich mit Corona-Nachrichten konfrontiert wird – „es gibt keine Pause, keinen Abstand“. Zum anderen ortet Cerny-Werner auch eine innere fehlende Distanz, dort, „wo Menschen durch Krankheit oder existenzielle Bedrohung Betroffene sind“.
Die Verschwörungstheorie wolle die Welt erklären., wobei im Unterschied zu wissenschaftlichen Erklärungsmodellen nichts zufällig ist und nichts so, wie es scheint:
„Alles folgt diesem Plan auf ein Ziel hin, wo alles miteinander verbunden ist. Es ist eine geschlossene Welt, die weder bestätigt, noch widerlegt werden kann.“ (1)
Die Nichtwiderlegbarkeit gelte als Beweis für die Richtigkeit der Verschwörung, sagt der Kirchenhistoriker.
Verschwörungstheorien und Fake News sind nicht identisch
Cerny-Werner weist zudem darauf hin, dass man Verschwörungstheorien nicht mit Fake News oder gezielten Lügen gleichsetzen dürfe, denn Fake News seien nicht nur Falschinformationen, sondern auch bewusst gesteuert. Fake News würden zielgerichtet eingesetzt, um Verwirrung zu stiften und um Zweifel gegenüber einer faktenbasierten Argumentation zu säen.
In herkömmlichen Medien können Menschen nicht einfach in die Redaktion gehen und erklären: „Das ist meine Meinung oder was ich gerade für richtig halte“, und auf einer Veröffentlichung bestehen. Denn in solchen Medien gebe es klare redaktionelle Qualitätskontrollen.
In den sozialen Medien – bei Facebook oder Twitter etwa – gebe es so etwas nicht:
„In diesen Räumen lesen Menschen dann nur mehr, was sie wissen wollen….Sie bekommen ständig ihre eigene Vorstellung und eine permanente Bestätigung der eigenen Meinung. Es gibt keine kritische Auseinandersetzung, eines Abwägens von Argumenten und Fakten“.
Das ebne den Weg für Fake News und Verschwörungstheorien, stellt Cerny-Werner abschließend fest.
Quellen:
Kirchenhistoriker: Coronapandemie befeuert Verschwörungstheorien (kathpress)
Ausserdem:
☛ (1) Es stimmt nicht ganz, dass Verschwörungstheorien «weder bestätigt, noch widerlegt» werden können. Es gibt widerlegbare Verschwörungstheorien wie diejenige von der «Flachen Erde» oder von der Mondlandungslüge. Und es gibt Verschwörungstheorien, die so gebaut sind, dass sie sich grundsätzlich einer Widerlegung entziehen. Siehe dazu:
Immunisierungsstrategien zur Stabilisierung von Verschwörungsideologien
☛ «Die Spaltung der Gesellschaft» sollte schon im Auge behalten werden. Sie wird aber wohl tatsächlich überschützt, weil eine kleine Minderheit besonders lautstark auftritt. Siehe dazu auch:
Polarisierung & Verschwörungstheorien
☛ Zur Spaltung der Gesellschaft tragen insbesondere die Algorithmen der (a)sozialen Medien bei. Sie entfalten diese Wirkung, indem sie die Verbreitung von polarisierenden Posts fördern.