Verschwörungsideologen der QAnon-Bewegung wittern an allen Ecken und Enden Kindesmissbrauch. Mit ihren absurden Verdächtigungen behindern sie aber genau diejenigen, die sich wirklich für Missbrauchsopfer einsetzen – die Kinderhilfswerke. In den USA haben sich nun mehr als 100 Kinderschutzorganisationen gegen die Vereinnahmung ihres Kampfes gegen Kindesmissbrauch durch die QAnon-Sekte gewehrt.
In den USA schlagen Kinderschutzorganisationen Alarm. Ausgerechnet im Jahr der Corona-Pandemie, in dem Kontaktbeschränkungen in zahlreichen Bundesstaaten Familien zusetzen und Kinder in Gefahr geraten, behindert ein zweites Problem massiv die Arbeit der Kinderhilfswerke: Die QAnon-Verschwörungsideologie.
Die Anhänger dieser Bewegung sind faktenfrei davon überzeugt, dass in den USA ein bösartiges Netzwerk von demokratischen Politikern und Prominenten Kinder entführt und in unterirdischen Gewölben gefangen hält. Dort soll ihnen Blut abgezapft werden, um daraus das angebliche Verjüngungsmittel Adrenochrom zu gewinnen.
QAnon behindert Arbeit von Kinderschutzorganisationen
Mit ihren Verschwörungslegenden richten die QAnon-Anhänger in vielerlei Hinsicht Schaden an. Ein Beispiel dafür ist die Kinderhilfe, deren Notfall-Hotlines von Anrufern besetzt werden, die in ihrem Verschwörungswahn Nachbarn oder Bekannte denunzieren wollen.
Die Organisation Childhelp sah sich sogar gezwungen, wegen der vielen unsinnigen Beschuldigungen ihrer Hotline einen Anrufbeantworter vorzuschalten. Die Flut von Beschuldigungen wurde ausgelöst durch ein Meme von QAnon im Internet, in dem Childhelp erwähnt worden war.
Ist die Person, welche die Hotline für Notfälle bedient, jedoch damit beschäftigt, „mit jemandem eine widerlegte Verschwörungstheorie zu diskutieren, dann hängt vielleicht ein Kind währenddessen in der Warteschleife“, erklärte die Sprecherin von Childhelp, Daphne Young, dem US-Nachrichtensender CNN.
Die unsinnigen und faktenfreien Anschuldigungen der QAnon-Verschwörungsideologen schaden den Kinderschutzorganisationen aber auch durch das «Crying Wolf»-Phänomen. Wer immer wieder grundlos «der Wolf, der Wolf!» schreit, dem wird nicht mehr geglaubt, wenn wirklich ein Wolf auftaucht.
Werde laufend der absurde Vorwurf gestreut, dass „jeder in Hollywood Teil dieser riesigen, Kinderblut trinkenden Clique ist“, dann überdecke „dieser Schwachsinn ein Kind, das um Hilfe bittet, ein Elternteil, das Unterstützung braucht“, erklärt Daphne Young.
Falsche Anschuldigungen schaden dem Kinderschutz
Die Flut falscher Anschuldigungen gebe Kinderschändern sogar einen gewissen Schutz. Werden ständig zu Unrecht Menschen beschuldigt, dann können auch Behörden misstrauischer werden gegenüber begründeten Missbrauchsvorwürfen.
Selbst große globale Kinderschutzorganisationen wie Save the Children geraten durch die Masse an Verschwörungsgläubigen in Bedrängnis. Ihr Hashtag #savethechildren, mit dem die NGO Spendengelder sammelt, ist von QAnon-Gläubigen gekapert worden, die darunter ihre realitätsfernen Verschwörungstheorien verbreiten.
Die Clintons, Tom Hanks oder Papst Franziskus werden von QAnon-Anhängern auf Social-Media-Kanälen als führende Mitglieder von „satanisch“ eingeschätzten Gruppen auf.
Die Absurdität der Vorwürfe sollte nicht dazu führen, die QAnon-Bewegung zu unterschätzen. Denn sie drängt mit Macht in die öffentliche Meinung, auch beim Thema Kinderschutz. Ausgerechnet in diesem Bereich, in dem Vorwürfe tatsächlich oft absurd erscheinen, sich später jedoch als wahr herausstellen.
Manipulative Alternative
Marc-André Argentino, der an der Universität von Concordia die Präsenz der QAnon-Bewegung in sozialen Medien untersucht, sagt dazu: «Jeder stimmt zu, dass Kinderhandel furchtbar ist.» QAnon mache daraus das Argument: «Wenn Sie dagegen sind, dass wir darüber reden, dann sind Sie für Kinderhandel.» QAnon kreiert also die falsche und manipulative Alternative: Bist du für uns oder für Kinderhandel?
Indem sich QAnon an namhafte Kinderschutzorganisationen anhängt, verleiht es seinen abstrusen Vorwürfen Glaubwürdigkeit und bekommt enorme Verbreitung.
In einem offenen Brief wehrten sich deshalb im Oktober mehr als 100 Kinderschutzorganisationen gegen die Vereinnahmung ihres realen Kampfes gegen Kindesmissbrauch durch die QAnon-Verschwörungsideologen. Die Kinderschutzorganisationen riefen dazu auf, die wahren Nöte der Opfer zu bekämpfen, anstatt „politisch motivierte und hochgradig gefährliche Erzählungen“ in die Welt zu setzen, die jenen schaden würden, „für die sie angeblich eintreten: Opfer, Überlebende, Kinder, Familien und gefährdete Gemeinden“. Die Stiftung KidSafe warnt im Internet sogar vor „Parasiten“, die den guten Namen von Kinderschutzorganisationen rauben, die den wirklichen Kampf gegen Missbrauch anführen.
Der scheidende US-Präsident Donald Trump dagegen sieht in QAnon kein Problem, weil die Anhänger ihn als Retter anbeten. Und wer das Ego Trumps streichelt, den mag er. Im Interview mit dem US-Nachrichtensender NBC stellte Trump fest, dass QAnon „sehr stark gegen Pädophilie“ sei. Und damit stimme er überein. Für Verschwörungsgläubige war das ein weiteres Zeichen, dass Trump an ihrer Seite steht.
Quelle:
Wirre Vorwürfe auf Hotlines: QAnon-Anhänger lähmen US-Kinderschutz (n-tv)
Anmerkung:
Die Verschwörungslegende vom rituellen Kindsmissbrauch ist eine Neuauflage der Ritualmordlegende.
Es ist tragisch, dass erfundene Vorwürfe und Unterstellungen von Kindesmissbrauch den Kampf gegen realen Kindesmissbrauch behindern.
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