Der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser ist ein Stern am Firmament der Verschwörungstheoretiker. Er wehrt sich energisch, als Verschwörungstheoretiker bezeichnet zu werden.
Ist Daniele Ganser ein Verschwörungstheoretiker oder nicht? Die Antworten auf diese Frage fallen unterschiedlich aus. Das hängt wohl mit unterschiedlichen Vorstellungen darüber zusammen, was ein Verschwörungstheoretiker ist.
Der Amerikanist Michael Butter ist Experte für Verschwörungstheorien. Er analysiert im Buch «Nichts ist, wie es scheint» Videos von Ganser und zeigt dabei auf, wo dieser verschwörungstheoretische Argumentationen verwendet. Ganser bediene sich einer Rhetorik, die vorgibt, nur Fragen zu stellen und auf Widersprüche hinzuweisen. Die Technik des vermeintlichen «Nur-Fragen-Stellens» habe Daniele Ganser perfektioniert. Siehe dazu: Fragen stellen als Strategie.
Michael Butter kommt zum Schluss:
«Sieht man sich ….die zahlreichen im Netz verfügbaren Vorträge genauer an, stellt man, vor dem Hintergrund meiner bisherigen Ausführungen, schnell fest, dass es durchaus angebracht ist, Daniele Ganser als Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen, da er mehr tut, als nur Fragen zu stellen.»
Der Politikwissenschaftler Markus Linden ist hier zurückhaltender mit dem Begriff «Verschwörungstheoretiker» und schreibt zu Ganser:
«Seine meist ausverkauften Vorträge ähneln Messen, in denen das Publikum zwar auf Kritik am Mainstream eingeschworen wird, aber keine Kritik am Vortragenden zeigt…Ganser als Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen, mag angesichts der von ihm intendierten Schlussfolgerungen naheliegen, ist aber gefährlich, weil er in aller Regel keine Unwahrheiten verbreitete, sondern lediglich in seinen einseitigen Bewertungen einem geschlossenen Weltbild folgt, in dem die USA im Verbund mit der NATO die grössten Kriegstreiber sind…..Mit dem Etikett ‘Verschwörungstheorie’ sollte man also differenziert umgehen, da es sonst leicht als Versuch der unsachlichen Delegitimierung elitenkritischen Denkens aufgefasst werden kann. Bei Ganser (der früher von Elsässer für das Compact-Magazin präsentiert wurde, auf NuoViso präsent ist und für KenFM eine Art wissenschaftlichen Dauerstargast darstellt) bildet der Verweis auf die Fremdbezeichnung ‘Verschwörungstheoretiker’ einen steten Beleg der eigenen Opfer- und Oppositionsstellung.»
Quellen:
«Nichts ist, wie es scheint – Über Verschwörungstheorien», von Michael Butter, Suhrkamp Verlag 2018.
«Zwischen alternativer Sicht und Verschwörungstheorie – Entwicklungstendenzen und Argumentationsmuster digitaler ‘Alternativmedien’ in Deutschland», von Markus Linden; in: Verschwörungstheorien im Diskurs, Zeitschrift für Diskursforschung, 4. Beiheft 2020, Sören Stumpf / David Römer (Hrsg.), Beltz Juventa
Verschwörungstheoretiker reduzieren Komplexität
Ist Daniele Ganser nun ein Verschwörungstheoretiker? Michael Butter sagt dazu «ja», weil Ganser mit seinen Fragen und Andeutungen viel suggeriert und damit ein geschlossenes, verschwörungstheoretische aufgebautes Weltbild in den Raum stellt.
Markus Linden geht nicht so weit, vermeidet die Bezeichnung Verschwörungstheoretiker und macht es Ganser damit schwerer, über «Diffamierung» zu klagen und damit die Opferrolle zu bewirtschaften.
Klar ist, dass Daniele Ganser viele verschwörungstheoretische Argumentationsstrategien einsetzt und dabei oft auch Brücken zu einem rechtsextremen Publikum schlägt. Zum Beispiel wenn er faktenwidrig davon schwadroniert, dass Deutschland ein besetztes Land sei. Damit knüpft er nahtlos an die Verschwörungstheorien der Reichsbürger-Szene an: Siehe dazu:
Reichsbürger-Unsinn: Daniele Gansers Behauptung, Deutschland sei ein besetztes Land.
Daniele Ganser hilft in einer komplexen Welt ausserdem bei der Komplexitätsreduktion und bedient sich dabei eines weiteren Elements, das für Verschwörungstheorien charakteristisch ist. So zum Beispiel, wenn er bei allem, was geopolitisch in der Welt schiefläuft, die USA, die CIA oder die NATO als Strippenzieher sieht. Das ist so voraussehbar und blendet so viele weitere mögliche Einflüsse aus, dass ein überschaubares, eindeutiges Weltbild entsteht. Widersprüche und Ambiguität werden dadurch reduziert. Das zeigt sich exemplarisch, wenn Daniele Ganser den Ukrainekrieg interpretiert. Siehe dazu: Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg
Ausserdem zur Frage, ob Ganser ein Verschwörungstheoretiker ist
☛ Michael Butter hält Daniel Ganser eindeutig für einen Verschwörungstheoretiker, Markus Linden will dem selbsternannten Friedensforscher diesen «Titel» nicht verleihen, unter anderem, damit sich Ganser dadurch nicht in seiner Opferrolle bestätigt sehen kann. Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Sicher ist, dass Daniele Ganser Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme «anfüttert» und Brücken zu ihnen baut.
☛ Um die Frage, ob Daniele Ganser als Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen ist, gab es eine heftige Auseinandersetzung auf Wikipedia. Dabei mischte der Publizist und selbsternannte Friedensforscher kräftig mit. Er forderte seine Anhängerinnen und Anhänger öffentlich dazu auf, den Eintrag zu seiner Person immer wieder in seinem Sinne umzuschreiben. Seine Fangemeinde machte bei diesem Edit-War treu mit.
Siehe dazu:
Wikipedia – ein Lieblingsfeind der Verschwörungsgläubigen
Weitere Beiträge zu Daniele Ganser:
Weshalb Daniele Ganser als Historiker unglaubwürdig ist
Daniele Ganser verharmlost Holocaust
Verschwörungstheorien: Guru Ganser?
Daniele Ganser und die Kreml-Propaganda vom «Majdan-Putsch» in der Ukraine
9/11: Daniele Ganser und der gefundene Pass des Attentäters
Daniele Ganser: Medienkritik mit ideologischer Schlagseite
Daniele Ganser: erfolgreicher Bewirtschafter von Zweifel und Misstrauen
Reichsbürger-Unsinn: Daniele Gansers Behauptung, Deutschland sei ein besetztes Land
Daniele Ganser: Manipulation durch verzerrte Maidan-Darstellung
Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg: Minister Bausch kritisiert «Geschichtsverfälschung»
Daniele Ganser und die BBC-Meldung zu WTC 7
Beitrag zu Daniele Ganser in der Enzyklopädie