«Zeit online» veröffentlicht ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Jakob Guhl. Darin geht es darum, wie Islamisten und Rechtsextreme in der Corona-Pandemie mit Verschwörungstheorien umgehen. Guhl sieht einige Gemeinsamkeiten zwischen Islamisten und Rechtsextremen, aber auch Unterschiede:
«Rechtsextreme konnten stark von der Krise profitieren, weil sie in der Pandemie stark und ganz aktiv an Verschwörungstheorien angeknüpft haben. Islamistische Influencer wie Pierre Vogel haben sich dagegen deutlich und glaubwürdig gegen diese Verschwörungsmythen gestellt.»
Extremisten, egal ob rechts, links oder islamistisch, haben die Pandemie genutzt, um ihre Reichweite im Internet zu steigern. Islamisten konnten die Krise allerdings am wenigsten für sich nutzen.
Islamisten und Rechtsextreme wollen beide keine «Grauzone»
Darin sind sich Islamisten und Rechtsextreme einig: Sie wollen keine Grauzone. Jakob Gruhl sagt dazu:
«Der IS sagt: Es gibt keine Grauzone, du bist entweder mit uns oder mit dem Feind. Das Gleiche tun wiederum Rechtsextremisten, die dann antworten: Seht ihr, das ist das wahre Gesicht des Islam. Sie funktionieren als eigenständige ideologische Bewegungen, aber Islamismus und Rechtsextremismus können sich gegenseitig begünstigen, indem sie den unausweichlichen Konflikt heraufbeschwören.»
Es gibt also Wechselwirkungen zwischen Islamisten und Rechtsextremen. Der IS muss zum Rekrutieren von neuen Sympathisanten signalisieren, Muslime seien im Westen nicht willkommen, weil der von Muslimfeindlichkeit durchdrungen sei. Dabei helfen ihm die Aktivitäten der Rechtsextremen. Und die Rechtsextremen wiederum brauchen einen provokant oder gewalttätig auftretenden Islamismus für ihre Rekrutierung. Es ist interessant, wie viele Gemeinsamkeiten und wechselseitigen Abhängigkeiten diese scheinbar so gegensätzlichen Bewegungen aufweisen, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt.
Während Rechtsextreme zu fast allen gängigen Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie Anschluss finden, distanzieren sich Islamisten hier eher. Für sie kommt die Corona-Pandemie als Strafe von Gott. Er bestraft damit zwei Personengruppen. Einerseits die Ungläubigen, die sich vermeintlich im Krieg mit dem Islam befinden, also zum Beispiel China und die USA. Viele der zu Beginn von der Pandemie betroffenen Nationen sieht der IS ja als seine Hauptfeinde. Andererseits werden mit der Pandemie jene Muslime bestraft, die aus dieser extremistischen Sicht als nicht genügend gläubig betrachtet werden und ein sündhaftes Leben führen. Die Islamisten kreieren sich dadurch eine eigene Verschwörungstheorie.
Quelle:
Extremismus im Internet: „Rechtsextreme konnten stark von der Krise profitieren“ (Zeit online)
Das Zusammenspiel von Rechtsextremisten und Islamisten beschreibt die Extremismusforscherin Julia Ebner in ihrem lesenswerten Buch:
Siehe auch:
Radikalisierung von Extremisten durch Verschwörungsideologien
Coronakrise: Rechtsextreme Verschwörungstheorien im Aufwind
Extremismusforscherin Julia Ebner über Corona, Extremismus und QAnon