Vor allem die russische Propaganda nutzt den Vorwurf der «Inszenierung» gern als Propagandatrick und unterstellt damit jeweils eine Verschwörung. Aktuell geschieht das gerade wieder im befreiten Isjum. Dort wurde nach dem Abzug der russischen Truppen eine grosse Zahl von Leichen gefunden. Unter den bisher gefundenen 440 Toten befanden sich sowohl ukrainische Soldaten als auch Zivilisten und Kinder. Ein grosser Teil der exhumierten Leichen wies Zeichen eines gewaltsamen Todes oder Folterspuren auf. Alle Untersuchungen in Isjum werden in Anwesenheit einer großen Zahl unabhängiger Beobachter und Zeugen durchgeführt. Dennoch streuten kremlnahe Medien sofort Gerüchte, es handle sich bei den Leichenfunden um eine ukrainische Inszenierung.
Das ist eine Fortsetzungsgeschichte der russischen Propaganda. Genauso lief es beim Massaker von Butscha.
Das Massaker von Butscha? Eine Inszenierung der ukrainischen Armee! Diese Verschwörungstheorie lenkt ab von den inzwischen gut belegten Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine. Doch während die Dokumentation solcher Verbrechen Zeit braucht, ist die Unterstellung einer «Inszenierung» billig und schnell zur Hand. Damit lässt sich jedes Verbrechen dem Gegner in die Schuhe schieben.
Der gleiche Propagandatrick beim Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine durch eine russische Luftabwehrrakete. Dort gipfelte der Vorwurf der «Inszenierung» in dreisten Behauptungen, im Flugzeug hätten gar keine lebenden Passagiere, sondern Leichen gesessen. Auch dieses Verbrechen ist inzwischen detailliert untersucht und belegt worden.
Und nun also Isjum
Die Unterstellung der «Inszenierung» bei derart monströsen Verbrechen ist ein Tiefpunkt des politischen Zynismus. Propagandastrategisch soll damit vor allem Verwirrung gestiftete werden. Die Leute sollen damit soweit gebracht werden, dass sie schliesslich davon überzeugt sind, die Wahrheit lasse sich sowieso nicht finden.
Bernd Stegemann schreibt dazu:
«Sie glauben weder den einen noch den anderen Aussagen, sondern lehnen die Möglichkeit, dass öffentlich Argumente ausgetauscht werden und damit Wahrheiten gefunden werden können, im Ganzen ab. Das zynische Verhältnis zur Funktion der Öffentlichkeit bereitet…sowohl den Radikalisierungen den Weg als auch den magischen Verheissungen der Verschwörungstheorien, die für alles eine Antwort haben.» (Bernd Stegemann, Die Öffentlichkeit und ihre Feinde, Klett-Cotta 2021).
Auch in Isjum unterstellt die russische Propaganda eine «False-flag-Operation».
Und ja. Es gibt «False-flag-Operationen». Aber diese Unterstellung lässt sich durch Propagandamedien rasch und billig in die Welt blasen. Und in einer durch politischen Zynismus und Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit geprägten Atmosphäre braucht es dafür nicht einmal solide Begründungen. Die liefern russische Propagandamedien auch nicht. Bei einem Teil der Bevölkerung kommen sie auch so durch. Isjum ist dafür ein weiteres Beispiel.
Quelle:
Fake: Ukraine bereitete in Isjum eine Inszenierung nach dem Schema von Butscha vor
(Stopfake)
Ausserdem:
«Inszenierung» als Vorwurf in Propaganda und Verschwörungstheorien