Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam dauern im Iran die Proteste gegen das Regime unvermindert an. Der geistliche Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei , greift nun zu Verschwörungstheorien.
Mahsa Amini war von der Religionspolizei verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch nicht streng genug gebunden hatte. Die Familie der jungen Frau wirft den Sittenwächtern vor, sie totgeprügelt zu haben, was die Behörden bestreiten. Millionen Iranerinnen und Iraner gehen seit Aminis Tod am 16. September protestierend auf die Straße. Bei Demonstrationen im ganzen Land verlangen sie nicht nur die Abschaffung des Kopftuch-Zwangs, sondern den Sturz der Islamischen Republik.
Chamenei und sein Griff zu Verschwörungstheorien
Ajatollah Ali Chamenei greift in dieser Situation in «bewährter» Manier zu Verschwörungstheorien. Der 83-Jährige ist krank und dafür bekannt, dass er unangenehme Aufgaben gern seinen Regierungspolitikern überlässt, die dann als Sündenböcke herhalten müssen, wenn etwas schiefgeht.
Nun bezeichnet er die Proteste als Verschwörung Israels und der USA. Das ist so eine elende Masche. Es sind also nicht Iranerinnen und Iraner, die mit dem Regime zutiefst unzufrieden sind, die da protestieren, sondern nur die Marionetten ausländischer Mächte.
Chamenei sagt wörtlich:
«Ich sage deutlich, dass diese Unruhen von Amerika und dem usurpierenden und falschen zionistischen Regime geplant wurden, und diejenigen, die ihre Gehälter kassieren, von denen einige verräterische Iraner im Ausland sind, haben ihnen geholfen.»
Das ist seine alte Leier. Mit fast identischen Verschwörungstheorien hat Chamenei auf die Proteste gegen Benzinpreiserhöhungen im Jahr 2019 reagiert. Damals verurteilte er die Proteste als „gefährliche Verschwörung“. Verantwortlich dafür machte er «Banditen», die Verbindungen zu Exilanten sowie zu den USA, Israel und Saudi-Arabien unterhielten. Ihnen warf er vor, die Bevölkerung aufzuhetzen. Siehe auch:
Iran-Proteste: Regime setzt auf Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien dienen weltweit als Ausreden für politisches Versagen
Chamenei ist mit seinem Ablenkungsmanöver natürlich nicht allein, sondern sozusagen in «schlechter Gesellschaft». Erinnert sei an die umfangreichen Verschwörungstheorien, mit denen im Stalinismus von Fehlern und Misserfolgen der Führungsriege abgelenkt werden sollte. Geradezu lächerlich mutet aus heutiger Sicht die «Ami-Käfer»-Kampagne der SED-Führung in der ehemaligen DDR an. Auch sie sollte Misserfolge in der Landwirtschaftspolitik kaschieren. Aktueller ist die Verschwörungstheorie der Kreml-Propaganda, die den Maidan-Aufstand im Jahr 2014 in der Ukraine als CIA-Putsch darstellt. Speziell an dieser Propagandalüge ist ausserdem, dass sie auf der Basis eines reflexhaften Antiamerikanismus auch von kremlnahen Figuren im Westen kolportiert wird. Ein Beispiel dafür ist der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser.
Siehe dazu:
Daniele Ganser: Manipulation durch verzerrte Maidan-Darstellung
Was Daniele Ganser mit Wladimir Putin gemeinsam hat
Im Gefolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind in Russland die Verschwörungstheorien zur Legitimation des Einmarsches und zur Kaschierung von Misserfolgen quasi explodiert. Siehe dazu:
Russland: «ausländische Geheimdienste» als bequeme Verschwörungstheorie
Die «Entnazifizierung der Ukraine» als russische Verschwörungstheorie
Goldene Milliarde – antiwestliche Verschwörungstheorie in Russland
Verschwörungstheorien von westlicher Einkreisung haben in Russland Tradition
Quellen:
Iran: Ajatollah Chamenei bezeichnet Proteste als Verschwörung Israels und der USA (Zeit online)
Chamenei nennt Proteste im Iran „gefährliche Verschwörung“ (swissinfo)