Der Glaube an Chemtrails gehört zu den bekannteren Verschwörungstheorien. Die Menschheit wird also angeblich mit Chemikalien vergiftet, die aus Flugzeugen versprüht werden. Als Beleg für diese Überzeugung wird auf Kondensstreifen verwiesen, die von Flugzeugen am Himmel hinterlassen werden. Die Frage, ob es Chemtrails gibt oder nicht, ist nicht sehr interessant. Viel interessanter ist der Glaube an Chemtrails und die Frage, weshalb Menschen daran festhalten.
Der Glaube an Chemtrails ist vollkommen faktenfrei
RP-online hat Experten zum Thema Chemtrails befragt:
☛ Jens Tambke, Atmosphärenphysiker beim Umweltbundesamt (UBA): «Es gibt keinerlei Belege für Chemtrails….Chemtrails sind ein hervorragendes Thema für Verschwörungstheoretiker, denn das Verhalten von Kondensstreifen ist teilweise kompliziert und deshalb für viele Menschen unerklärbar.» Das UBA liefert mit einer Messstation auf der Zugspitze täglich Daten über die Zusammensetzung der Luft. Erfasst werden dabei allerlei Schadstoffe und Treibhausgase wie CO2. Hinweise oder Indizien für Chemtrails ergeben die Daten nicht. „Dort würde auffallen, wenn es Chemtrails tatsächlich gäbe“, sagt Tambke.
☛ Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): «Die Streifen am Himmel sind lediglich Kondensstreifen von Flugzeugen.» Die Kondesstreifen seien für Menschen auf dem Boden ungefährlich, hätten aber einen Einfluss auf unsere Umwelt.
☛ Das Luftfahrt-Bundesamts (LBA): «Das LBA verfügt über keine belastbaren Erkenntnisse, welche Informationen über das Absprühen giftiger Substanzen aus Flugzeugen in der beschriebenen Art belegen würden.»
Quelle:
Wird die Menschheit mit Chemikalien aus Flugzeugen vergiftet? (RP-online)
Anmerkungen zum Glauben an Chemtrails
Auffallend ist, dass solche Stellungnahmen von Behörden und Wissenschaftlern bei manchen Menschen offenbar keine Wirkung haben. Ihr Glaube an Chemtrails ist resistent gegen Fakten – und das zum Teil über Jahre. Das stellt sich die komplexe Frage, weshalb die Glaubwürdigkeit von Expertinnen und Experten bei einem Teil der Bevölkerung offenbar abhandengekommen ist. Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn Menschen glauben, sie könnten die Expertise von Fachleuten durch eine kurze Google-Recherche widerlegen? Siehe dazu:
Recherchieren zu Verschwörungstheorien
Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Menschen mit einer Verschwörungsmentalität dazu neigen, punkto Glaubwürdigkeit keinen Unterschied zu machen zwischen irgendwelchen YouTube-Videos und seriösen Quellen.
Der Glaube an Chemtrails lässt sich allerdings auch ohne grosse Stellungnahmen von Fachleuten und Behörden in Frage stellen.
Flugzeuge werden extrem intensiv gewartet. Daran sind viele Flugzeugtechniker und Flugzeugmechaniker beteiligt. Genauso wie Pilotinnen und Piloten müssten diese Wartungsfachleute etwas davon mitbekommen, wenn Chemikalien versprüht würden.
Viele dieser Menschen haben Kinder. Es ist schwer vorstellbar, dass sie alle schweigend an der Vergiftung ihrer Kinder mitwirken würden. Hier kommt der italienische Staatsmann Niccolò Machiavelli (1469 – 1527) ins Spiel. Er hat sich mit Theorie und Praxis von Verschwörungen befasst und schreibt über die Grenzen von Verschwörungen:
„Das einzige Mittel, der Entdeckung zu entgehen, ist es, den Mitverschwörern keine Zeit zu lassen, das Komplott zu verraten.“
„Vor der Entdeckung einer Verschwörung kann man sich nicht schützen, wenn die Anzahl der Mitwisser drei oder vier übersteigt.“
Siehe dazu:
Machiavelli über Verschwörungen und ihre Grenzen
Die Frage, weshalb der Glaube an Chemtrails sich so hartnäckig hält, bleibt offen. Er passt möglicherweise zu einem sich ausbreitenden, toxischen Misstrauen, das nicht durch Fakten erreichbar ist. Siehe dazu: