Der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser hält am 7. März einen Vortrag in der Stadthalle Rostock. In einer Pressemitteilung äussern die drei Fraktionen der SPD, DIE LINKE.PARTEI und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am Auftritt scharfe Kritik.
Die drei Fraktionen sind sich einig darin, dass durch das Auftreten von Daniele Ganser das Ansehen der Stadt Rostock erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Erklärungen der einzelnen Fraktionen bringen die Kritik an Ganser gut auf dem Punkt. Sie sollen deshalb hier aufgeführt und anschliessend mit Anmerkungen kommentiert werden:
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thoralf Sens erklärt:
„Daniele Ganser ist einer der bekanntesten Verbreiter von rechten Verschwörungstheorien. Er verdreht bewusst Fakten, leugnet wissenschaftliche Erkenntnisse und betreibt eine Täter-Opfer-Umkehr. Für ihn war die US-Regierung an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt, Deutschland sei ein besetztes Land und die Schuld am Ukrainekrieg tragen allein die USA. Zahlreiche Forscherinnen und Forscher haben Herrn Ganser bereits seine Seriosität als Wissenschaftler zu Recht abgesprochen. Angesichts der zahlreichen Ukrainerinnen und Ukrainer, die in unserer Stadt Schutz suchen und finden, halte ich es für unerträglich, dass in der Rostocker Stadthalle Putins Propaganda durch Ganser ungefiltert weitergegeben wird.“ (Anmerkung 1)
Der Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE.PARTEI, Christian Albrecht, begründet seine Kritik so:
„Ganser bedient sich seit Jahren einer Rhetorik, wie wir sie aus rechten Kreisen kennen. Besonders das Bild eines Deutschlands, das von ausländischen Mächten besetzt gehalten wird, ist ein Narrativ, das von Rechtspopulisten und Rechtsextremen kontinuierlich wiedergegeben wird. Besonders mit Blick auf die Corona-Pandemie werden seine antisemitischen und den Holocaust relativierenden Aussagen sichtbar. Wer den Holocaust als lokalen genozidalen Wahnsinn beschreibt, die Impfung gegen Corona aber als weltweiten genozidal wirkenden Wahnsinn, der hat aus der Geschichte nichts gelernt oder relativiert bewusst den Holocaust. Solche Aussagen und Ansichten sind für uns in keiner Weise hinzunehmen und wir widersprechen diesen entschieden.“ (Anmerkung 2)
Kritik an Reichsbürger-nahen Aussagen
Und Uwe Flachsmeyer, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, führt die Kritik weiter aus:
„Es ist mir unbegreiflich, wie ein Vertragsabschluss zwischen der Stadthalle und Herrn Ganser zustande kommen konnte. Es besteht keinerlei Verpflichtung der Stadthallengesellschaft jede Anfrage nach einem Auftritt positiv zu bekunden. Gerade bei solchen Personen mit großer Bekanntheit im rechtsextremen Raum, wünschen wir uns mehr Feingefühl von der inRostock GmbH. Wenn Rostock weiterhin rechten Kräften Veranstaltungsräume zur Verfügung stellt, dann leidet auf Kurz oder Lang das Image der gesamten Stadt und andere Veranstalter werden sich zweimal überlegen, ob sie wirklich in unsere Stadt kommen wollen – dies gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.“ (Anmerkung 3)
Die drei Fraktionsvorsitzenden in der «Bürgerschaft» – dem Parlament der Stadt Rostock – erklären abschliessend gemeinsam:
„Die Meinungsfreiheit ist eine der höchsten Errungenschaften in unserer Demokratie. Diese gilt es stets zu bewahren und zu verteidigen. Gleichzeitig sind alle Teile der demokratischen Zivilgesellschaft aufgerufen, jenen Kräften entgegenzutreten, die rechtsextreme, demokratiefeindliche und antisemitische Denkweisen verbreiten. Im Sinne einer wehrhaften Demokratie treten wir weiterhin all jenen entgegen, welcher unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit die Demokratie und die Freiheitsprinzipien aushöhlen und abschaffen wollen.“ (Anmerkung 4)
Quelle:
Rechte Hetzer in der Stadthalle nicht willkommen (SPD-Bürgerschaftsfraktion Rostock)
Anmerkungen zur Kritik am Ganser-Auftritt:
Anmerkung 1:
Daniele Ganser bedient mit seinen faktenwidrigen Behauptungen, dass Deutschland ein besetztes Land sei, explizit die Reichbürger-Szene und den rechten Rand. Die Kritik an solchen Aussagen ist sehr berechtigt. Siehe dazu:
Reichsbürger-Unsinn: Daniele Gansers Behauptung, Deutschland sei ein besetztes Land
Zur fehlenden Seriosität Gansers als Historiker siehe:
Weshalb Daniele Ganser als Historiker unglaubwürdig ist
Gansers Ausführungen zum Ukraine-Krieg sind für Ukrainerinnen und Ukrainer tatsächlich provokativ und beleidigend. Der «Friedensforscher» stellt sie als reine Marionetten dar, die an den Fäden der US-Regierung zappeln. Dass sie sich 2004 mit der «Orangenen Revolution» und 2014 mit dem Aufstand auf dem Maidan-Platz aus eigenem Antrieb von einem korrupten Regierungschef befreien zu wollten, kann sich Ganser offenbar nicht vorstellen. Ukrainerinnen und Ukrainer haben seinen Geschichten zur Ukraine keinen Subjektcharakter, sie kommen nicht als eigenständig handelnde Personen vor, sind gekauft oder manipuliert von den «Amerikanern».
Zu Gansers 9/11-Verschwörungstheorien gibt es hier weitere Infos/Videos.
Anmerkung 2:
Ganser äussert sich nicht direkt judenfeindlich. Seine Vergleiche zwischen dem Holocaust und der Corona-Pandemie sind aber vollkommen abwegig, geschichtsvergessen holocaustrelativierend. Ihnen wird nicht ohne Grund von vielen Fachleuten ein antisemitischer Charakter zugeschrieben. Zur Kritik dazu siehe:
Ganser-Vortrag: Landesbeauftragter für Antisemitismus ist alarmiert
Daniele Ganser verharmlost Holocaust
Anmerkung 3:
Ja, Veranstalter sollten mehr Feingefühl aufbringen, wenn sie auftreten lassen, insbesondere wenn es öffentliche Räume sind. Ein Auftritt in der «Stadthalle» kann den Eindruck vermitteln, dass die Stadt Rostock hinter den Ausführungen des Referenten steht.
Anmerkung 4:
Die Meinungsfreiheit ist tatsächlich ein hohes Gut. Sie bringt aber nicht das Recht mit sich, jede Bühne zu bespielen. Der Staat verbietet Daniele Ganser in keiner Weise, seine Meinung zu äussern. Er kann jederzeit seine Meinung in einem anderen Saal oder in den (a)sozialen Medien verbreiten. Andererseits sind Absagen seiner Vorträge und Kritik an seinen Behauptungen für Ganser immer eine Steilvorlage. Er kann damit bestens seine Opfer-Rolle bewirtschaften.
Sieh dazu: Opfermentalität / Selbst-Viktimisierung
P.S. In Dortmund hat auch die CDU-Fraktion scharf gegen einen Auftritt von Daniele Ganser protestiert. Siehe dazu:
Scharfe Kritik an Ganser-Vortrag in Dortmund
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