Verschwörungstheorien und Fake News haben in der Coronakrise Hochkonjunktur. T-online hat darüber mit Prof. Dr. Kai Sassenberg gesprochen. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Soziale Prozesse am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen.
Aus diesem Interview hier zwei Zitate:
«Fake News und Verschwörungstheorien werden vor allem bei Unsicherheit („Was soll ich tun?“) und Angst („Werden wir das überleben?“) verbreitet, weil sie einfache Antworten auf komplexe Fragen liefern. Beides – Fake News und Verschwörungstheorien – haben derzeit deshalb Hochkonjunktur. Das ist gefährlich, weil sie mit geringer Zustimmung von Maßnahmen, die durch offizielle Stellen verordnet werden, einhergehen und so die Pandemiebekämpfung erschweren.»
«In Zeiten großer Unsicherheit suchen Menschen nach Nachrichten, die einen Funken Sicherheit geben. Sie prüfen die Richtigkeit der Information nicht. Oft können Laien dies auch nicht. Allein die Tatsache, dass eine Handlungsanweisung in einer Nachricht enthalten ist, reicht, um sie wichtig erscheinen zu lassen. So nehmen Fake News in sozialen Medien Fahrt auf.»
Unsicherheit begünstigt Verschwörungstheorien und Fake News
Gerade weil in der Coronakrise weniger persönlicher Kontakt möglich ist, haben Medien derzeit vermutlich einen besonders starken Einfluss, sagt Sassenberg. Dieser Einfluss werde noch verstärkt durch die Tatsache, dass die derzeit lebenden Menschen noch nie eine Pandemie diesen Ausmaßes erlebt haben und deshalb unsicher sind und Information suchen. In dieser Situation seien Medien für die große Mehrheit die einzige Informationsquelle im Zusammenhang mit dem Virus.
Sassberg weist auch darauf hin, dass die Medien in der gegenwärtigen Situation vor einer besonders schwierigen Aufgabe stehen:
«Auf der einen Seite dürfen sie die Auswirkungen des Coronavirus nicht verharmlosen, weil sonst die Unterstützung der Bevölkerung für die einschneidenden Maßnahmen zurückgehen könnte. Auf der anderen Seite darf die Berichterstattung auch nicht Angst und Panik auslösen, weil sonst Hamsterkäufe und ein Ansturm auf Ärzte und Krankenhäuser ausgelöst werden könnten.»
Dass in der Coronakrise die Einschaltquoten der Hauptnachrichtensendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern deutlich gestiegen sind, könnte laut Sassberg darauf hindeuten, dass die Skepsis gegenüber den Medien im Moment eine geringere Rolle spielt. Es gebe allerdings auch Menschen, die den klassischen Medien nicht vertrauen und sich häufig über soziale Medien informieren.
Quelle:
„Verschwörungstheorien haben derzeit Hochkonjunktur“ (T-online)
Wer sich hauptsächlich über Beiträge «Alternativer Medien» via Facebook, Youtube & Co. informiert, ist allerdings in der Regel schlecht informiert. Das zeigt eine Untersuchung der Universität Münster.
Siehe dazu:
Verschwörungstheorien zum Coronavirus: Wie alternative Medien Fakten verdrehen
Sassberg schildert im Zitat sehr nachvollziehbar die Bedeutung der Handlungsanweisung. In Zeiten der Unsicherheit wird eine Nachricht nur schon als wichtig empfunden, wenn sie eine Handlungsanweisung enthält. Wir neigen dazu, diese Nachricht dann auch zu glauben. Ob die Handlungsanweisung sinnvoll ist oder einfach nur Bullshit, wird dann kaum mehr relevant.