Roger McNamee war Facebook-Investor und wurde zum prominenten Kritiker des Konzerns. Im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagt er: «Facebook hat Millionen von Menschen radikalisiert.»
Er hatte schon vorher erklärt, dass Online-Plattformen wie Facebook und Twitter den Sturm aufs Kapitol in Washington ermöglicht hätten. Nun sagt er:
«Viele von denen, die dort waren, sind Anhänger der Verschwörungsbewegung Qanon. Und man kann sich ausrechnen, dass Facebook um die zwei Millionen Menschen radikalisiert und in die Arme von Qanon getrieben hat. Facebook hat selbst herausgefunden, dass Qanon-Seiten und -Gruppen mindestens drei Millionen Mitglieder und Follower haben, und andere interne Studien haben ergeben, dass 64 Prozent der Nutzer, die sich einer extremistischen Gruppe anschließen, das auf eine Empfehlung des Facebook-Algorithmus hin tun. Auch die Organisation des Aufruhrs selbst hat sich vor allem auf Facebook abgespielt.»
Seit kurzem hat der Social-Media-Konzern ein Aufsichtsgremium, das über kontroverse Inhalte entscheiden soll. Doch Roger McNamee hält nicht viel von dieser Massnahme. Wie vieles von dem, was der Konzern tue, sei das ein Versuch, in der Öffentlichkeit besser dazustehen. Es werde der Anschein erweckt, dass ein Problem angepackt wird, doch nichts verändere sich. Die Struktur sei verfehlt und auch die Absicht, die dahinterstecke. Das Gremium beschäftige sich mit einzelnen Einträgen, aber nicht mit den strukturellen Fehlern von Facebook, «die uns wirklich Sorgen machen sollten».
Das neue Gremium hält McNamee für ein reines Feigenblatt: «Es geht darum, die Illusion von Aufrichtigkeit zu erzeugen, um damit ein gefährliches Geschäftsmodell zu überdecken.»
Verschwörungstheorien – ein Schmiermittel für Facebook
Die Plattform betont immer wieder, dass so und so viele Konten entfernt wurden, beispielsweise mit Qanon-Inhalten. McNamee weist demgegenüber darauf hin, dass immer noch reichlich Qanon-Material auf der Plattform zu finden ist:
«Facebook könnte es entfernen, will es aber nicht, weil das Geschäftsmodell von aufrührerischen Inhalten abhängt. Extreminhalte wie Hetze, Falschinformationen und Verschwörungstheorien sind das Schmiermittel. Sie entfernen genug, um ein politisches Problem aus der Welt zu schaffen, aber danach ist wieder „business as usual“. Sie haben einzelne Verschwörungstheoretiker entfernt, und doch sind Verschwörungstheorien geblieben.»
Die Art und Weise, wie die Plattform Geld verdiene, stehe in Konflikt mit dem öffentlichen Interesse, erklärt McNamee. Er fordert, dass die Anreize sich ändern müssen, damit diese Industrie sicherer wird: «Die Leute, die Software entwickeln, haben heute keine Verantwortung und Sorgfaltspflicht. Es sollte eine Art hippokratischen Eid für sie geben. Die Entwickler, die Manager und das Unternehmen sollten alle zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein Produkt Schaden anrichtet. Wir müssen Veränderungen erzwingen.»
Der Konzern sei ein Monopolist. Er müsse zerschlagen werden:
«Und man sollte nicht nur Instagram oder Whatsapp abspalten, sondern auch andere Dienste wie Messenger oder Groups, also vielleicht 15 bis 20 Teile. Google sollte sogar in Hunderte von Teilen aufgespalten werden.»
Wer ist Roger McNamee?
Er gehörte zu den frühen Investoren des sozialen Netzwerks Facebook und verstand sich lange als Mentor für dessen Mitgründer und Vorstandschef Mark Zuckerberg. Seit 2009 ist er dort nicht mehr involviert. In jüngster Zeit ist er jedoch als einer der schärfsten Kritiker des Internetkonzerns aufgefallen. Vor zwei Jahren publizierte er ein Buch, in dem er über den gesellschaftlichen Schaden sprach, den Zuckerbergs Konzern seiner Meinung nach anrichtet.
Quelle:
„Facebook hat Millionen von Menschen radikalisiert“ (FAZ)
Anmerkungen:
Zuckerbergs Konzern ist zweifellos ein massgeblicher Treiber von Radikalisierung und Polarisierung.
Siehe auch:
Friedensnobelpreis: Maria Ressa nennt Facebook Gefahr für Demokratie
Facebook & Co.: Ausgleich und Mäßigung stören das Geschäft
Carolin Emcke zur Problematik von Facebook, Google & Co.
Unakzeptabel: Facebook hat QAnon-Verschwörungsideologie gefördert