In den USA haben sich mehrere Hundert evangelikale Führungsfiguren gegen „christlichen Nationalismus“ und Verschwörungstheorien in ihrem Land ausgesprochen. In einem offenen Brief verurteilen sie den Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar und all jene, die das durch ihren Glauben rechtfertigten.
Der offene Brief beginnt mit folgenden Worten:
„Als Leiter in der breiten evangelikalen Gemeinschaft erkennen und verurteilen wir die Rolle, die christlicher Nationalismus in den gewalttätigen, rassistischen, anti-amerikanischen Aufständen am Kapitol der Vereinigten Staaten am 6. Januar gespielt hat. Wir erkennen den Schaden, den der radikalisierte christliche Nationalismus der Welt, den Kirchen und einzelnen Individuen und Gemeinden zugefügt hat.“
Anlass für den Brief waren die gewaltsamen Aufstände vor dem Kapitol in Washington am 6. Januar, mit denen nach der Wahlniederlage von US-Präsident Donald Trump die Übergabe des Amtes an seinen Nachfolger Joe Biden verhindert werden sollte.
Das Schreiben wurde auch von bekannten Größen der US-evangelikalen Szene unterzeichnet. Dazu gehören der Theologie-Professor am Palmer Theologischen Seminar in Wynnewood, Ronald J. Sider, der ehemalige geistliche Berater von US-Präsident Bill Clinton und Baptistenpastor, Tony Campolo, oder die Leiterin der Heilsarmee in Los Angeles, Danielle Strickland. Zu den Unterzeichnern gehören Brian D. McLaren, Gründungspastor der Cedar Ridge Community Church in Spencerville und Vertreter der Emerging-Church-Bewegung, sowie der bekannte Buchautor und christliche Redner Shane Claiborne.
Evangelikale Führungspersonen liefern theologische Begründung
Die evangelikalen Führungsfiguren begründen ihr Anliegen theologisch:
Sie weisen darauf hin, dass eines der Schlüsselelemente bei der Radikalisierung der Gedanke ist, dass die eigenen Taten „von Gott gesegnet“ und von ihm gewollt seien. Das sei der Grund, weshalb so viele Menschen an einem christlichen Nationalismus festhielten, wird in dem Brief weiter ausgeführt, und dann erklärt:
„Wir stehen zusammen gegen die Perversion des christlichen Glaubens, die wir am 6. Januar gesehen haben. Wir widerstehen außerdem der Theologie und den Zuständen, die zu dem Aufstand geführt haben.“
Es gebe eine Art des amerikanischen Nationalismus, die versuche, sich als christlich zu tarnen, fahren die Unterzeichner fort. Sie bezeichnen das als eine „häretische Version unseres Glaubens“.
Der Begriff „christlich“ bedeute „so wie Christus“, schreiben die Autoren. Christen sollten darum auf eine Weise leben, die Jesus Christus ehrt und die Welt an ihn erinnert. Am 6. Januar sei aber Gewalt gefordert und dabei der Name von Jesus Christus hochgehalten worden, stellen die Unterzeichner fest. Am Senatstisch seien von den Aufständischen Gebete in Jesu Namen gesprochen worden. „Wir lehnen diese Gebete ab, die dazu benutzt wurden, Gewalt zu rechtfertigen und einen Staatsstreich zu versuchen“, halten die Autoren dem entgegen. Sie kommen auch auf die Ausschreitungen in Charlottesville im Jahr 2017 zu sprechen. Schon dort sei der Name von Jesus Christus dazu benutzt worden, Gewalt zu rechtfertigen: „Wir vereinen unsere Stimmen, um das öffentlich und theologisch zu verurteilen.“
Hauptsächlich „weißer Evangelikalismus“ sei verantwortlich für die Irrlehre von christlichen Nationalismus aufgrund der lange herrschenden Vorherrschaft der Weißen in den Vereinigten Staaten. Diese Sünde dürfe nicht weitergehen, heißt es in dem Brief.
Unmissverständliche Aufforderung an Pastoren und christliche Leiter
Der Brief enthält einen unmissverständlichen Appell:
„Wir fordern alle Pastoren und christlichen Leiter auf, mutig klar zu machen, dass ein Bekenntnis zu Jesus Christus nicht vereinbar ist mit dem Ruf nach Gewalt, der Unterstützung von christlichem Nationalismus, Verschwörungstheorien und religösen und rassistischen Vorurteilen.“
Die evangelikalen Führungspersönlichkeiten weisen auch darauf hin, dass Christen im 20. Jahrhundert tragischerweise den Ku Klux Klan und die Nazi-Ideologie unterstützt haben. Umso mehr sei es für Christen daher heute undenkbar, rechtsextreme Organisationen wie „Proud Boys“ und „Oathkeepers“, die Verschwörungsorganisation QAnon und ähnliche zu unterstützen.
Apell für Demokratie und Gleichheit
Die Autoren fordern alle Pastoren auf, klar zu machen, dass „unsere Kirchen sich nicht neutral demgegenüber verhalten“. Ihren Standpunkt machen sie ebenso klar: „Wir sind auf der Seite der Demokratie, der Gleichheit für alle Menschen, des Anti-Rassismus des Wohles der ganzen Gesellschaft.“ Sie schreiben auch, dass sie die Vereinigten Staaten nicht als von Gott erwählte Nation sehen, sondern danken Gott für die weltweite Kirche, die Menschen aller Rassen, Sprachen und Nationen zu Gott und seiner Liebe rufe. Anstatt auf Gewalt zu vertrauen, fordern sie auf, inständig nach der Liebe „unseres Herrn und Retters Jesus Christus“ zu suchen.
Ihr Glaube erlaube es nicht, still zu sein in einer Zeit wie dieser. Die Welt brauche jedoch mehr als ein solches Statements, sie benötige konkretes Handeln. Jeder der Unterzeichner hat sich mit seiner Unterschrift dazu verpflichtet, konkrete Schritte zu unternehmen, damit „Fleisch aus unseren Worten wird“.
Quelle:
USA: Hunderte evangelikale Leiter verurteilen christlichen Nationalismus (Pro-Medienmagazin)
Anmerkungen:
☛ Endlich ein unmissverständliches Statement von Führungsfiguren der Evangelikalen in den USA. Das wird natürlich nicht die ganze evangelikale Szene in den USA so sehen. Weiterhin wird ein grosser Teil davon Donald Trump als Erlösungsfigur anbeten. Aber genau deshalb ist diese evangelikale Stellungnahme sehr wertvoll.
☛ Siehe auch:
Evangelikale: Pietisten in Württemberg distanzieren sich von Verschwörungstheorien und „Querdenkern“
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