Die Psychologin Pia Lamberty beschäftigt sich schon seit einigen Jahren wissenschaftlich mit dem Phänomen der Verschwörungstheorien. Sie mahnt, dass Verschwörungsmythen nicht nur mit einer gesteigerten Affinität zu Gewalt einhergehen, sondern unter politisch rechts verorteten Gruppen auch besonders verbreitet sind. Die Expertin beobachtet schon seit Jahren große Überschneidungen zwischen Verschwörungsglauben und rechten Weltbildern. Dabei spielt eine scheinbar harmlos scheinende weltanschauliche Strömung eine sehr zentrale Rolle: Die Esoterik.
Das nicht ganz klar abgrenzbare Feld der Esoterik, dessen Grenzen zur Mystik, Spiritualität oder auch zum Aberglauben fließend sind, sei „der Motor“, der viele Verschwörungsmythen ans Laufen bringen würde. Esoterik, erklärt Lamberty, würde menschenfeindliche und fortschrittsfeindliche Inhalte normalisieren und in die Gesellschaft tragen.
Das heisse natürlich nicht, dass jeder, der an Pendeln oder Gläserrücken glaube, rechts ist. «Trotzdem finde ich es wichtig, dass man sich klar macht, dass nur weil jemand nicht ‚so aussieht‘, die Person auch ein faschistisches Weltbild vertreten kann», sagt die Psychologin.
Tatsächlich rückte in letzter Zeit auch bei den Corona-Demos die Gruppe der sogenannten Esoteriker immer mal wieder in den Fokus. In Fernsehbeiträgen ist beispielsweise zu sehen, wie Demoteilnehmer mitten auf der Straße meditieren und am Straßenrand in Batikkleidung friedfertig auf Trommeln herumklopfen, während auf derselben Kundgebung Unterstützer rechtsextremer Gruppierungen versuchen, in das Reichstagsgebäude einzudringen. Dass das zusammenpassen kann, scheint auf den ersten Blick nur schwer nachvollziehbar.
Doch eine klare Abgrenzung der Esoteriker von ihren rechtsextremen Mitdemonstranten existiert nicht. Stattdessen hört man immer wieder, dass sich die Demonstranten „nicht spalten lassen“ wollen. Dass man im Grunde genommen eine Menschheitsfamilie sei. Auch wenn man direkt neben radikal rechten Teilnehmern demonstriert.
Esoteriker und Rechtsextreme scheinen sich tatsächlich besser zu verstehen, als es zunächst scheint.
Esoterik als trojanisches Pferd für rechtsextremes Denken
Der Theologe Matthias Pöhlmann ist Beauftragter für Sekten– und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er befasst sich ebenfalls seit längerer Zeit mit dem Zusammenhang zwischen rechter Szene und Esoterik. Er warnt immer wieder davor, dass Rechtsradikale und Esoteriker mehr Dinge gemeinsam haben, als auf den ersten Blick zu sehen ist – und dass fließende Übergänge zwischen den beiden Strömungen bestehen.
Der Schulterschluss zwischen den beiden Gruppierungen sei nicht neu, sagt Pöhlmann: «Rechte und Rechtsextreme hatten immer ein besonderes Naheverhältnis zur Esoterik. Schnittmengen gibt es nicht nur über die Verschwörungserzählungen. Beide haben auch einen Totalitätsanspruch. Es geht um ein Überwissen.» Beide Strömungen eint auch, dass ihr Verhältnis zur Elite von Misstrauen geprägt ist. Das habe klar elitäre Züge und damit verbunden sei auch ein Potential für Autoritarismus, Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus: «Es wird klar zwischen Gut und Böse unterschieden. In dieser dualistischen Weltsicht wird eine Personengruppe zum Sündenbock gemacht.»
Aufklärung als gesellschaftliche Aufgabe
Die Esoterikszene sei über lange Zeit als unpolitisch wahrgenommen worden. Dabei diene Esoterik vor allem über verklausulierte Sprache häufig als „trojanisches Pferd“ für rechtsextremes Denken, mahnt der Experte. Vielen Menschen seien die Risiken und Nebenwirkungen von Esoterik gar nicht bewusst. Doch in der Esoterikszene tummelten sich mitunter etliche Rechtsextreme und Reichsbürger.
In diesem Bereich mehr Aufklärungsarbeit zu leisten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der nicht nur die Medien mitwirken müssten. Wichtig sei es nun zuerst einmal, überhaupt auf den Zusammenhang hinzuweisen. Doch damit allein sei es noch nicht getan.
Gerade über die sozialen Medien wie Youtube, Facebook und Telegram organisieren sich die rechtsextremen Esoteriker und verbreiten ihre antisemitischen Gedankenkonstrukte. Internetnutzern fehlt es aber oft an Medienkompetenz, um Quellen, ihren Wahrheitsgehalt sowie ihre Herkunft einzuordnen.
Problemtisch daran ist, dass nur noch schwer heraus findet, wer sich einmal in den Tiefen der Verschwörungsmythen verloren hat: «Mit Faktenchecks und Aufklärung kann man sie dann kaum noch vom Gegenteil überzeugen», erklärt Pöhlmann. Deshalb sei es wichtig, Kinder und Jugendliche bereits in jungen Jahren ausreichend zu schulen. Bei dieser grossen Bildungsaufgabe geht es auch darum geht, die Vorzüge von Solidarität und Demokratie auf den Punkt zu bringen, auch wenn sie noch so anstrengend sind.
Quelle:
Verbreiten krude Theorien: Was wir über Taktik von rechten Esoterikern wissen müssen (Focus online)
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