Verschwörungsgläubige sind oft auch Wissenschaftsverweigerer. Sie kommen über weite Strecken nicht darum herum, wissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen oder ihre Bedeutung herunterzuspielen. Wissenschaftsverweigerung / Wissenschaftsleugnung gehört deshalb zum Kern vieler Verschwörungstheorien.
Das liegt schon auf der Hand bei skurrilen Phänomenen wie den «Flacherdlern». Grosse gesellschaftliche Bedeutung bekommt die Wissenschaftsverweigerung aber bei den Klimaerwärmungsleugnern.
Wissenschaftsverweigerer bedienen sich einer ganzen Reihe von rhetorischen Tricks, um mit ihrem Manöver durchzukommen.
Hier dazu ein paar Beispiele:
– Wissenschaftliche Erkenntnisse werden als «Meinung» hingestellt
Wissenschaftliche Fakten sind aber nicht nur eine «Meinung», die man teilen kann oder nicht.
Wissenschaft gewinnt Erkenntnisse auf einem methodisch geregelten Weg, der transparent beschrieben werden muss. Das ermöglicht es anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ergebnisse zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Prägnant formulierte der amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) „das erste Erfordernis des wissenschaftlichen Verfahrens – nämlich volle Öffentlichkeit der Materialien und Prozesse“ (in: Erfahrung, Erkenntnis und Wert, S. 314, Suhrkamp 2004).
Die Revision früherer Ergebnisse und die interne Auseinandersetzung um ihre Interpretation gehören zu Kern der Wissenschaft. Sie sind nicht ihre Schwäche, sondern ihre Stärke.
Die Wissenschaft entspricht diesen Idealen nicht immer. Das kann an persönlichen Schwächen einzelner Menschen liegen, an Schwachpunkten im Wissenschaftsbetrieb oder im gesellschaftlichen Umfeld.
Trotz dieser Einschränkungen bleibt festzuhalten: Wissenschaftliche Erkenntnisse als blosse «Meinung» abzutun, ist krass irreführend.
– Wissenschaftsverweigerer säen und kultivieren toxische Zweifel
Wissenschaft braucht Zweifel. Für Wissenschaftsverweigerer ist der Zweifel jedoch kein Werkzeug, um ehrlich gemeinte Fragen zu stellen. Er wird vielmehr benutzt, um unliebsame Vorstellungen zu unterminieren.
Diese Strategie zeigt sich mit Sätzen wie «Ich stelle ja nur Fragen». Ein Beispiel für diese Strategie ist Daniele Ganser, der immer wieder betont, nur Fragen zu stellen.
Echte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen unbedingt Antworten auf ihre Fragen haben und berücksichtigen dabei auch alle denkbaren Alternativen. Wissenschaftsverweigerer stellen dagegen immer wieder die gleichen destruktiven Fragen, auch wenn sie längst beantwortet sind. Die Antwort steht für sie eigentlich schon fest. Es geht ihnen primär darum, mit ihren Fragen Zweifel zu sähen. Es geht ihnen nicht darum, eine Entdeckungsreise anzutreten, die zu echten Erkenntnissen führt.
Ihre obsessiv vorgetragenen Fragen sind getarnte Vermutungen. In den leeren Raum, den ihre Fragen öffnen, legen Verschwörungsgläubige ihre unausgesprochenen Antworten. Weil sie angeblich nur Fragen stellen, und keine Aussagen machen, sind die transportierten Unterstellungen kaum zu widerlegen. Mit solchen als Fragen getarnten Vermutungen betreten Behauptungen und politische Vorurteile den öffentlichen Raum, die sich in einer offenen Debatte kaum legitimieren liessen. Sie wirken damit korrosiv auf wissenschaftliche Erkenntnisse.
Der Historiker Philipp Sarasin hat dieses Phänomen prägnant beschrieben («Was ist falsch an Verschwörungstheorien?», in: Geschichte der Gegenwart).
Ein Teil der Strategie des Zweifel-säens ist es, sich darauf zu berufen, dass sich wissenschaftlich fundiertes Wissen im Laufe der Zeit verändert. Daraus schliessen Wissenschaftsverweigerer: Wenn sich Wissenschaftler in der Vergangenheit geirrt haben, dann kann das wieder geschehen.
Niemand bestreitet aber, dass aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vorläufiger Natur sind. In der Wissenschaft werden Theorien zunehmend akzeptiert, wenn sie ernsthafte Versuche überstanden haben, sie zu widerlegen. Diese Akzeptanz gilt immer nur vorläufig, weil schon das nächste Experiment oder die nächste Beobachtung das Potenzial hat, eine bestimmte Theorie zu widerlegen. Am ehesten setzen sich diejenigen Theorien dadurch, die sinnvolle Erklärungen liefern und die zu anderen akzeptierten Theorien passen, weil die Wissenschaft an einem kohärenten Modell arbeitet, das letztlich erklären soll, wie das Universum funktioniert.
Wissenschaftliche Bildung setzt nicht nur voraus zu wissen, wie die beste und aktuelle wissenschaftliche Erklärung eines Phänomens lautet. Genauso wichtig ist es zu wissen, wie sicher sich die Wissenschaft darin ist, dass sie damit richtig liegt und ob die zugrunde liegende Frage damit vollständig beantwortet wurde. Darum wird am Schluss von wissenschaftlichen Studien oft die Frage erörtert «Was bleibt noch offen?». Manche Theorien sind umstritten, andere ziemlich belastbar. Am Ende dieses Spektrums steht jene Theorie, die, wie Stephen Jay Gould es formulierte, «in einem solchen Ausmass bestätigt ist, dass es widernatürlich wäre, die vorläufige Zustimmung vorzuenthalten».
Wissenschaftsverweigerer verstärken und überziehen die adäquaten, unverzichtbaren Zweifel der Wissenschaft und lassen Erkenntnisse so unbedeutend wie möglich erscheinen. Sie sind häufig sogar so dreist, selbst eine vorläufige Zustimmung zu verweigern. Manchmal gehen sie so weit zu bestreiten, dass wir überhaupt etwas wissen können und stellen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage.
Wichtig ist an diesem Punkt die Unterscheidung zwischen einem toxischen Zweifel der Verschwörungsgläubigen und einem gesunden Zweifel, der für Wissenschaft und Demokratie unverzichtbar ist. Siehe dazu auch folgenden Beitrag:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
– Mehr Beweise verlangen als vorhanden (oder möglich)
Wissenschaftsverweigerer verschieben ständig die Torpfosten. Sie verlangen Nachweise, und sobald diese erbracht werden, fordern sie weitere. Die Kriterien für einen «Beweis» oder für die Akzeptanz eines Beweises werden also willkürlich verschoben. Wird ein Tor erzielt, also ein Beweis erbracht, steht für den Verschwörungsgläubigen das Tor plötzlich woanders. So können sie das Tor / den Beweis weiterhin abstreiten.
Die Nachweise werden ihnen nie genügen.
So funktioniert Wissenschaft aber nicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen im Vorfeld einer Untersuchung festlegen, welche Nachweise geeignet sind, um eine bestimmte Theorie zu bestätigen oder zu widerlegen. Gelingt ein solcher Nachweis, werden Wissenschaftler, die konkurrierende Theorien vertreten, und denen ein solcher Nachweis nicht gelingt, in der Regel ihre Meinung ändern. Vielleicht tun das nicht alle, aber doch so viele, dass es genügt, um den wissenschaftlichen Konsens entsprechend zu revidieren.
Wissenschaftsverweigerer machen das nur selten. Sobald ihre Fragen beantwortet oder die geforderten Nachweise erbracht sind, wenden sie sich der nächsten Frage zu.
Impfgegner zum Beispiel legen ihre Messlatte so hoch, dass es ihnen möglich ist, alle Beweise, die für die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen sprechen, zu ignorieren.
Sie verlangen zum Beispiel oft randomisierte Studien. Das sind Studien mit einer Placebogruppe, bei denen per Zufall (= randomisiert) entschieden wird, wer die reale Impfung bekommt und wer eine Placebo-Impfung. Diese Forderung tönt auf den ersten Blick sinnvoll. Impfgegner könnten jedoch wissen, dass es eine solche Studie nie geben kann. Dazu wäre nämlich nötig, dass manche Kinder geimpft werden und andere nicht. Das wäre unethisch, wenn Schutzimpfungen als gesundheitsfördernder Standard gelten. In einer klinischen Studie darf durch die Randomisierung den Testpersonen die Standardtherapie nicht vorenthalten werden. Die Impfgegner legen hier also die Torpfosten so fest, dass es gar nicht möglich ist, ein Tor zu schiessen. Dass in zahlreichen (nicht randomisierten) Studien, bei denen Geimpfte und Nichtgeimpfte verglichen werden, die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfungen belegt wurde, lassen Impfgegner oft nicht gelten.
Die Torpfosten-versetzen-Strategie lässt sich auch an konkreteren Beispielen zeigen. Steven Novella hat sie am Beispiel der MMR-Impfungen beschrieben:
«So behaupteten Impfgegner beispielsweise, der MMR-Impfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln verursache Autismus. Als wissenschaftliche Studien diese Behauptung widerlegten, stürzten sich die Impfgegner auf Thimerosal (ein quecksilberhaltiges Konservierungsmittel, das in manchen Impfstoffen vorkommt, nicht jedoch im MMR-Impfstoff). Sie sagten voraus, dass 2002 mit dem Verbot von Thimerosal in den USA die Autismusdiagnosen drastisch zurückgehen würden – was aber nicht eintrat. Daraufhin behaupteten sie, Quecksilber aus anderen Quellen wie Kohlekraftwerken gleiche den Rückgang wieder aus. Als sich diese These auch nicht bestätigte, machten sie Aluminium als Ursache aus (aber nein, auch daran lag es nicht). Inzwischen sprechen sie ganz vage von «Toxinen». Ganz gleich, wie viele Daten die Sicherheit von Impfstoffen belegen – es sind nie genug. Die Impfgegner versetzen einfach immer wieder die Torpfosten…….
Zeigt eine Studie, dass kein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt einer Schutzimpfung und dem Auftreten von Autismus oder einer anderen Auswirkung vorliegt, behaupten die Impfgegner flugs, dass die Wirkung verzögert einsetze oder von einer Impfung der Mutter während der Schwangerschaft herrühre. Kommt es zu keiner Dosiswirkung, dann liegt das daran, dass sich bei kleinsten Mengen die negativsten Wirkungen zeigen. Wird ein Inhaltsstoff herausgenommen, dann reichen winzigste Spuren davon, um die negative Wirkung auszulösen. Oder es ist eben ein anderer Inhaltsstoff verantwortlich. Wie auch immer, kein Nachweis wird jemals genügen.»
Quelle: Steven Novella; Bedienungsanleitung für deinen Verstand, Riva Verlag 2019
Die Unterstellung, dass MMR-Impfungen Autismus auslösen, basiert auf einer gefälschten Studie und ist schon lange widerlegt. Trotzdem wird dieser nichtexistierende Zusammenhang in aktualisierten Versionen von Impfgegnern immer noch als «Argument» genutzt. Siehe dazu:
Studie widerlegt erneut Zusammenhang zwischen Impfung und Autismus
Die Torpfosten-versetzen-Strategie kommt bei vielen Verschwörungstheorien zur Anwendung. Die Impfthematik dient hier nur als Beispiel.
– Die Auseinandersetzung um Detailfragen wird so interpretiert, als stehe der wissenschaftliche Konsens in Frage
Je mehr Fortschritte die Wissenschaft erreicht, desto tiefer vergräbt sie sich in immer winzigere Details über die Natur und ihre Funktion. Im Idealfall führt diese Beschäftigung mit Details zu grundlegenden Erkenntnissen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind deshalb auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, von denen manche tiefer liegen als andere.
Seit Gregor Mendel (1822 – 1884) die nach ihm benannten Mendelschen Regeln der Vererbung entdeckt hat, sind in der Vererbungslehre viele weitere Fakten dazugekommen.
Inzwischen ist ein geklärter Konsens, was Mendel noch nicht wissen konnte: Gene und Erbinformationen sind in der DNA gespeichert. Diese Aussage ist inzwischen so etabliert, dass sie als wissenschaftliche Tatsache gelten kann. Die DNA ist aber nach wie vor nicht restlos erforscht. Wenn also Wissenschaftler zum Beispiel kontrovers über Details der Genregulation diskutieren, dann ändert das nichts an der grundlegenden Tatsache, dass die DNA das primäre Erbmolekül ist.
Wissenschaftsverweigerer dagegen nehmen Auseinandersetzungen um Detailfragen zum Anlass, grundsätzlichere Konsense in Frage zu stellen.
– Den wissenschaftlichen Konsens anzweifeln und verzerren
Es ist sehr einfach, Unstimmigkeiten zwischen Wissenschaftlern aufzubauschen, denn diese wird es immer geben. Beispielsweise kann man eine Meinungsverschiedenheit zwischen einer kleinen Minderheit und dem Rest der Wissenschaftler als Mainstreamkontroverse darstellen.
Es gibt immer eine Handvoll Wissenschaftler, die an irgendeinem Punkt nicht mit dem fundierten wissenschaftlichen Konsens übereinstimmen. Das ist an und für sich eine gute Sache. Selbstgefälligkeit tut der Wissenschaft nicht gut. Solche Herausforderungen dagegen halten wach. Allerdings sind derartige Meinungsverschiedenheiten stets im Kontext zu betrachten. Und das ist für Laien im betreffenden Fachgebiet in der Regel schwierig bis unmöglich. In manchen Fällen handelt es sich um einen echten Dissens und die Wissenschaft kann sich so oder anders entscheiden. In anderen Fällen ist an den wissenschaftlichen Nachweisen nicht zu rütteln und der Dissens ist irrelevant.
Die politischen Auseinandersetzungen um die menschengemachte Klimaerwärmung haben die Diskussion um das Konsensargument ins Rampenlicht gerückt.
Bereits im Jahr 2013 kam eine Analyse der publizierten wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema zum Schluss, dass 97% der Studien dem Konsens zustimmen, dass der Mensch die globale Klimaerwärmung zu verantworten hat.
Dieses Resultat stimmt mit den Ergebnissen anderer Studien zum selben Thema überein.
Eine andere Möglichkeit, zu einem wissenschaftlichen Konsens zu gelangen, besteht für wissenschaftliche Organisationen darin, alle Beweise zu prüfen und dann eine Schlussfolgerung zu ziehen.
Im Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschlusses für Klimaveränderungen (IPCC-Bericht) aus dem Jahr 2013 steht als Schlussfolgerung, dass der Weltklimarat zu 95% sicher sei, dass es die vom Menschen herbeigeführte Klimaerwärmung tatsächlich gibt.
Wissenschaftsverweigerer bestreiten nicht nur, dass ein Konsens vorliegt. Sie zweifeln häufig an, ob ein wissenschaftlicher Konsens relevant ist. Sie versuchen immer wieder, einen fundierten wissenschaftlichen Konsens als kognitiven Fehlschluss zu verkaufen, genauer als Autoritätsargument. Das trifft natürlich nicht zu. Das Autoritätsargument liegt dann vor, wenn einer Einzelperson Glauben geschenkt und sie als massgebliche Autorität betrachtet wird, obwohl sie das nicht ist. Ein Beispiel dafür liegt zum Beispiel dann vor, wenn man sich der Meinung von Prominenten anschliesst, obwohl sie nicht über entsprechende Fachkenntnisse verfügen (beispielsweise wenn ein Fitnesscoach der sich zu medizinisch-epidemiologischen Fragen rund um Covid-19 äussert).
Es ist jedoch kein Fehlschuss vom Autoritäts-Typ, wenn Laien einen erwiesenen wissenschaftlichen Konsens zitieren. Bedenklich wird es dagegen, wenn die eigene laienhafte Meinung über den wissenschaftlichen Konsens anerkannter Fachleute gestellt wird.
– Wissenschaftsverweigerer wecken oft Zweifel an den Motiven von Wissenschaftlern
Es ist einfach, anderen dunkle Motive zu unterstellen. Man kann sich immer eine Geschichte darüber ausdenken, wie käuflich Wissenschaftler sind oder welchen kognitiven Fehlschlüssen sie auf den Leim gehen. Solche Vorwürfe lassen sich nach Belieben in die Welt setzen.
Steven Novella schreibt dazu:
«Keine Frage, natürlich gibt es auch unter Wissenschaftlern Korruption und kognitive Verzerrungen, aber das bedeutet nicht, dass man alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit denen man nicht einverstanden ist, einfach als Produkt solcher Korruption bezeichnen und damit unglaubwürdig machen kann. Doch genau das tun Wissenschaftsverweigerer.
Leugner des globalen Klimawandels wollen uns zum Beispiel einreden, dass Klimaforscher auf der ganzen Welt gemeinsame Sache machen und diese raffinierte ‘Falschmeldung’ in Umlauf gebracht haben, um mehr Mittel für ihre Forschung zu erhalten. Zur Erhärtung ihrer Vorwürfe initiierten sie die ‘Climategate-Affäre’, bei denen sie Tausende von durch Hackerangriffe gestohlene E-Mails durchforsteten, bis sie angeblich auf entsprechende Bestätigungen stiessen, die aber völlig aus dem Zusammenhang gerissen waren.»
Quelle: Steven Novella; Bedienungsanleitung für deinen Verstand, Riva Verlag 2019
Wer Korruption unterstellt, müsste diese Vorwürfe mit Fakten belegen.
Die Forderung nach Offenlegung von potenziellen Interessenkonflikten ist dagegen auf jeden Fall berechtigt. Dann können mündige Leserinnen und Leser sich selbst ein Bild machen davon, ob sie eine Informationsquelle für vertrauenswürdig halten oder nicht. Daraus kann allerdings rasch eine Hexenjagd werden. Aus jedem noch so flüchtigen Kontakt eines Wissenschaftlers mit der Industrie folgt dann der Schluss, dass er von ihr geschmiert ist und darum seine Ergebnisse disqualifiziert sind. Das ist nicht korrekt.
– Wissenschaftsverweigerer verweisen oft auf akademische/geistige Freiheit
Verschwörungsgläubige und andere Wissenschaftsverweigerer beanspruchen oft mindestens Gleichwertigkeit für ihre Konstrukte mit dem Verweis auf die akademische/geistige Freiheit.
Sie ignorieren dabei allerdings häufig, dass für Wissenschaft, Lehre und Berufsstände Standards gelten. Solche Standards dienen der Qualitätssicherung. Sie richten sich nicht gegen die persönliche Freiheit, lassen sich jedoch einfach so hinstellen. Manchmal kommt auch der Vorwurf, dass hohe Standards vom Elitedenken der Wissenschaft zeugen. Universitäten sind jedoch zum Beispiel in keiner Weise verpflichtet, irgendeinem komischen Kauz zu erlauben, in ihrem Namen Unsinn zu erzählen. Sie sind aber verpflichtet, Studierenden nur wissenschaftlich gesicherten Lehrstoff zu vermitteln.
– Wissenschaftsverweigerer beurteilen wissenschaftliche Erkenntnisse oft anhand ihrer Folgen
Wissenschaftsverweigerer lehnen manchmal wissenschaftliche Ergebnisse ab, weil sie die Konsequenzen nicht akzeptieren wollen. Dann führen zum Beispiel Leugner der globalen Klimaerwärmung ins Feld, es bestehe die Gefahr, dass der Staat die private Industrie übernehme, wenn die Warnungen der Klimaforscher ernst genommen würden. Manche Wissenschaftler bezeichnen dieses Phänomen als «Lösungsaversion».
In Bezug auf die globale Klimaerwärmung heisst das: Die Wissenschaft dahinter wird abgelehnt, weil die vorgeschlagenen Lösungen nicht passen.
Diese Strategie ist grundsätzlich falsch. Man sollte sich auf die Lösungen konzentrieren, statt die Wissenschaft anzuzweifeln.
Wer also beispielsweise aus ideologischen Gründen für die freie Marktwirtschaft eintritt, sollte nicht die globale Klimaerwärmung und den wissenschaftlichen Konsens dazu bestreiten, sondern nach marktwirtschaftlichen Lösungen suchen.
Wichtigste Quelle für den obigen Beitrag:
Steven Novella; Bedienungsanleitung für deinen Verstand, Riva Verlag 2019
Weitere Infos zum Thema:
☛ Wissenschaftsleugnung gehört auch zum Kerngeschäfts des Rechtspopulismus. Das verbindet Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien.
Der Historiker und Rechtsextremismusforscher Damir Skenderovic sagt dazu:
„Für Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus ist die Behauptung zentral, dass die politische Elite, die Wissenschaft oder die Intellektuellen korrupt sind und das Volk verraten. Dieses sei Opfer und es müsse sich gegen diese angeblichen Eliten wehren…. In den letzten Jahren war es Ziel der Populisten, das Vertrauen in Wissenschaft, Expertise und Fakten zu untergraben.“
Quelle: Watson
☛ Hier gibts eine informative Übersicht der Techniken der Wissenschaftsleugnung. Die Liste bezieht sich insbesondere auf die Klimaerwärmungs-Verleugnung, lässt sich aber auch gut auf andere Bereiche übertragen.
☛ Hier gibts ein Plakat zu den Methoden der Wissenschaftsleugnung als Grundkurs der Desinformation.