Warnungen sind ein effektives Mittel, um Verschwörungstheorien zu verbreiten und am Laufen zu halten. Andre Wolf vom Verein Mimikama schreibt in seinem Buch «Angriff auf die Demokratie»:
«Warnungen haben eine seltsame Eigenschaft. Sie brauchen den Vergleich mit der Realität nicht zu scheuen. Denn eine Warnung warnt ja nur vor dem, was geschehen könnte, was also per Definition noch nicht real ist. Darum werden Warnungen leicht rezipiert, obwohl oder gerade weil die Gefahr nur in Ansätzen der Realität entspricht. Warnungen sind das ideale Instrument der Verunsicherung. Wer dauernd gewarnt wird, sieht bald überall Gefahr. Ausserdem beinhalten Warnungen unausgesprochen die Aufforderung, die Warnung weiterzugeben, damit auch andere gewarnt sind.»
Warnungen werden also nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern oft geteilt. Das geschieht heute rasch und einfach vor allem via soziale Medien. Warnende Beiträge erregen Aufsehen und bekommen viele Reaktionen wie Likes, Kommentare und Weiterleitungen auf den Social-media-Plattformen. Die Algorithmen der Plattformen sorgen zusätzlich dafür, dass solche Beiträge bevorzugt gezeigt und verbreitet werden, weil sie «Engagement» auslösen und dadurch die User auf der Plattform halten, wodurch ihnen mehr Werbung gezeigt werden kann.
Dieses Zusammenwirken von beunruhigten Userinnen und Usern, die mit Likes, Kommentaren und Weiterleitungen ihr Umfeld warnen wollen, und den Algorithmen der Plattformen, die aufregende Beiträge bevorzugen, verschafft den Warnungen grosse Reichweiten im Netz.
Warnungen als politische Strategie von Extremisten
Politisch unbedarfte und verunsicherte Userinnen und User merken dabei oft nicht, dass Extremisten Warnungen auch absichtlich als strategisches Mittel einsetzen. Das geschieht gegenwärtig vor allem durch rechtsextreme Akteure. Ziel ist dabei die Verunsicherung und die Delegitimierung demokratischer Institutionen, die als unfähig hingestellt werden, für Sicherheit zu sorgen. Ist dieses Ziel erreicht, treten politische Heilsbringer auf mit dem Versprechen, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen.
Politisch unbedarfte und verunsicherte Userinnen und User merken dabei auch oft nicht, dass sie mit dem Weiterleiten solcher Warnungen rechtsextremen Zielen zudienen. Werden sie deswegen kritisiert, beteuern sie ganz ehrlich und aus tiefstem Herzen, dass sie mit dem rechten Rand nichts zu tun haben. Sie fühlen sich angegriffen, missverstanden und beleidigt, wenn sie wegen eines als berechtigt erscheinenden Anliegens in die rechte Ecke gestellt werden. Ihnen geht es oft nicht um die rechtsextremen Inhalte und Strategien, die dabei mittransportiert werden. Es geht ihnen mehr um Sicherheit, die die herrschende Ordnung ihrer Meinung nach nicht mehr gewährleisten kann. Die Verunsicherung nimmt dabei ganz unabhängig von realer Bedrohung und realen Kriminalitätsstatistiken zu, weil die Konfrontation mit zum Teil orchestrierten Warnungen und Horrormeldungen über Social Media zunimmt.
Quelle für Zitat und einzelne Abschnitte:
Andre Wolf, Angriff auf die Demokratie, edition a 2021
Beispiele für Warnungen in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien
Es liesse sich eine ganze Reihe von Beispielen anführen für Warnungen, die im Kontext von Verschwörungstheorien verbreitet werden. Hier dazu drei Beispiele:
☛ Der «Grosse Austausch»
Die Warnung vor dem «Grossen Austausch» ist eine zentrale Verschwörungstheorie von Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Gemeint ist mit diesen Begriffen die hochgradig irreale Vorstellung, dass Migration durch „Eliten“ planmässig gesteuert wird. Dabei soll die einheimische Bevölkerung durch Migrantinnen und Migranten ersetzt werden.
Diese Warnungen haben eindeutig politstrategische Hintergründe. Es geht um die Delegitimation von Demokratie und Rechtsstaat, die als unfähig hingestellt werden, mit den Problemen fertig zu werden.
☛ G5-Mobilfunkstandard
Rund um den G5-Mobilfunkstandard ranken sich verschiedene Warnungen, die auf Verschwörungstheorien basieren. Ein Beispiel dafür liefert Christina von Dreien (eigentlich Christina Meier). Der Esoterikstar warnt:
«5G hat die Fähigkeit, Gedanken, Emotionen, Handlungen und Körperfunktionen von Menschen und Tieren zu manipulieren, so dass sich die Menschen so verhalten wie von denen gewünscht, die die Fäden ziehen auf diesem Planeten.»
Quelle:
Damit unterstellt Christina von Dreien eine Verschwörung, ohne zu sagen, wer diese Fädenzieher sein sollen. Sie verbreitet damit faktenfreie Phantasieprodukte und füttert Dualismus-Vorstellungen. Die scharfe Trennung in Gut und Böse festigt die eigene Anhängerschaft. Mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der G5-Technologie haben diese Ergüsse nichts zu tun.
☛ Covid-19-Impfung
Zwei Leitfiguren der Corona-Leugner, Corona-Skeptiker und Impfgegner, die beiden pensionierten Mediziner Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi, behaupten, dass die Covid-19-Impfung unfruchtbar machen könne. Das ist verantwortungslose, hoch manipulative und faktenfreie Angstmache, die gerade junge Frauen mit zukünftigem Kinderwunsch verunsichert. Die «Warner» bekommen in den Kreisen ihrer Anhängerschaft viel Aufmerksamkeit und den Status der mutigen Aufklärer und Wahrheitsaufdecker. Dieses Beispiel ist nicht direkt mit einer Verschwörungstheorie verbunden. Doch die Unterstellung, dass von staatlicher Seite eine Impfung propagiert wird, die unfruchtbar machen kann, legt nahe, dass da etwas ganz und gar Ungutes im Hintergrund läuft. Dadurch wird eine Verschwörungsmentalität gefördert.
Weitere Infos dazu:
Falschinformationen zu Covid-19-Impfung widerlegt
Warnungen auf dem Prüfstand
Nun gibt es allerdings nicht nur Warnungen, die zu politstrategischen Zwecken verbreitet werden oder dem Statusgewinn von Esoterikstars und pensionierten Medizinern dienen. Es gibt auch Warnungen, die auf reale Gefahren aufmerksam machen. Ein Beispiel dafür sind die Auswirkungen der menschengemachten Klimaerwärmung.
Deshalb gehören Warnungen auf den Prüfstand. Es braucht Kriterien, mit denen sich seriöse Warnungen von demagogischen Warnungen unterscheiden lassen. Dazu können einige Fragen hilfreich sein:
☛ Wer hat die Warnung in die Welt gesetzt? Wer ist die Quelle und wie verlässlich ist sie?
☛ Gibt es eine begleitende politische Botschaft? Wenn ja: Wozu will die Warnung politisch verleiten?
☛ Was sagen Faktencheck-Organisationen wie Correctiv oder Mimikama zum Thema?
☛ Ist mit der Warnung ein Geschäft verbunden? Soll uns etwas verkauft werden? Manche «Warner» jagen den Menschen Angst ein und bieten zugleich Produkte an, die angeblich vor der Gefahr schützen. Beispiele dafür sind Alex Jones in den USA und der Kopp-Verlag in Deutschland.
Fazit
Da die Warnungen der Verschwörungsgläubigen sich auf eingebildete Gefahren beziehen, lenken sie von der notwendigen Auseinandersetzung mit echten Gefahren ab.
Siehe dazu:
Ablenkung durch Verschwörungstheorien statt Lösung realer Probleme
Verschwörungsideologien sind das Gegenteil von Gesellschaftskritik
Warnungen als problematische Elemente in Verschwörungstheorien