Waldbrände sind zunehmend Ausgangspunkte für eine ganze Palette von Verschwörungstheorien. Feuerwehren und Polizei kämpfen nicht mehr nur gegen Brände, sondern ebenso gegen Unterstellungen, Gerüchte und Falschmeldungen. Womit hat das zu tun?
Waldbrände können ohne menschliches Zutun entstehen, zum Beispiel durch Blitzschlag. Sie können unabsichtlich ausgelöst werden, zum Beispiel durch Zigarettenstummel. Und sie können absichtlich gelegt werden durch Brandstifter.
Brandstifter können motiviert sein durch persönliche Motive – zum Beispiel psychische Krisen, zwischenmenschliche Konflikte. Sie können aber auch aus wirtschaftlichen Gründen handeln – zum Beispiel um Bauland oder Agrarland zu gewinnen. Und dann kann Brandstiftung auch aus politischen Gründen vorkommen.
Um diese letzte Möglichkeit herum ranken sich seit einiger Zeit zunehmend Verschwörungstheorien, die politisch instrumentalisiert werden.
Beispiel: Waldbrände in Kalifornien
Das FBI, Feuerwehren und Polizeibehörden kämpfen im September 2020 in Kalifornien nicht nur gegen desaströse Waldbrände an der Westküste, sondern auch gegen Verschwörungstheorien. Auf den Social-Media-Plattformen werden Falschmeldungen immer lauter, dass Antifa-Mitglieder, also Antifaschisten, für die Brände verantwortlich seien.
Eine der verbreitetsten Verschwörungstheorien behauptet sogar, dass diese verhaftet wurden. Laut Stellungnahmen des FBI und der Polizeibehörde in Oregon sind diese Meldungen jedoch nicht wahr.
Das FBI erklärte, es habe mit den örtlichen Behörden zusammengearbeitet, um Behauptungen zu untersuchen, dass Extremisten Waldbrände gelegt hätten, und festgestellt, dass sie falsch seien. „Verschwörungstheorien und Fehlinformationen entziehen den örtlichen Feuerwehr- und Polizeibehörden wertvolle Ressourcen, die rund um die Uhr daran arbeiten, diese Brände unter Kontrolle zu bringen“, kritisiert die FBI-Erklärung.
Das Douglas County Sherriff’s Office schreibt:
“Gerüchte verbreiten sich wie ein Lauffeuer und nun werden unsere 911-Einsatzkräfte und professionelles Personal mit Anfragen zu Informationen zu einem UNWAHREN Gerücht überrannt, dass 6 Antifa-Mitglieder wegen Brandstiftung in Douglas County, Oregon verhaftet wurden. DAS IST NICHT WAHR! Leider verbreiten die Menschen dieses Gerücht und das verursacht Probleme.“
Die Verbreitung solcher Falschinformationen nehme kostbare Ressourcen in Anspruch, die für das Löschen der Waldbrände benötigt werden. Die Behörden bitten die Bürger deshalb, die Verbreitung solcher Falschmeldungen zu unterlassen, damit sich die Einsatzkräfte darauf konzentrieren können, die Brände unter Kontrolle zu bringen. Trotzdem teilten tausende Twitter- und Facebook-Benutzer Beiträge, in denen sie versuchten, die Brände mit Antifa-Aktivisten in Verbindung zu bringen. Daran beteiligt war auch ein ehemaliger republikanischer Kandidat für den US-Senat aus Oregon. Er machte eine koordinierte „Armee von Brandstiftern“ verantwortlich, lieferte jedoch keinerlei Belege. Auch viele Konten, die zum QAnon-Netzwerk zählen, verbreiteten Gerüchte und Verschwörungslegenden zu den Waldbränden. Facebook erklärte, gegen die Welle der Falschmeldungen vorgehen zu wollen und entsprechende Beiträge zu löschen.
Die Polizei in Medford, Oregon, dementierte eine gefälschte Grafik, die im Netz verbreitet wird. Sie zeigt das Polizeilogo sowie ein Foto von einer Verhaftung. Diese fand jedoch 2018 statt und hat nichts mit den aktuellen Waldbränden zu tun. In einem weiteren Fake-Beitrag war davon die Rede, ein Landbesitzer habe die Polizei alarmiert, nachdem Brandstifter Molotow-Cocktails auf sein Land in Clackamas County geworfen hätten. Das zuständige Sheriff-Büro hielt fest, dass es keine derartigen Berichte gebe.
Beispiel: Waldbrände und Buschfeuer in Australien
Anfangs 2020 tobten in Australien seit Monaten Waldbrände und Buschfeuer. Der Kampf gegen diese Katastrophen wird auf den Social-Media-Plattformen von Lügen, Verschwörungstheorien und offenbar auch von einer gezielten Desinformationskampagne begleitet.
Bis anfangs 2020 starben 26 Menschen und unzählige Tiere durch die Feuer, tausende Häuser wurden zerstört. Über zehn Millionen Hektar Land brannten nieder. Wissenschaftler sind sich sicher, dass die Klimaerwärmung ihren Teil zu dieser gewaltigen Katastrophe beigetragen hat.
Australien erlebt seit Jahren wiederkehrende Temperaturrekorde und lange anhaltende extreme Trockenheit. „Das sind klare Indizien dafür, dass der Klimawandel die Brände begünstigt.“ erklärt der Kieler Klimaforscher Mojib Latif.
Das australischen Amt für Wetterkunde stellte fest, dass 2019 das wärmste Jahr in Australien war seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1910. Darüber hinaus sei im vergangenen Jahr außergewöhnlich wenig Niederschlag gefallen, im australischen Durchschnitt so wenig wie nie zuvor. Alle Jahre seit 2013 hätten zu den zehn wärmsten in Australien gezählt, schreibt das Amt in seinem jährlichen Klimabericht. Den Zusammenhang zwischen den Bränden, den geringen Niederschlägen und den hohen Temperaturen hält die Behörde für deutlich.
Verschwörungstheorien statt Fakten
Im Internet werden dagegen auch ganz andere Geschichten über die Ursache der Busch- und Waldbrände in Australien verbreitet.
Einige davon sind einfach als krude Spinnereien erkennbar: So behaupteten zum Beispiel Beiträge in Sozialen Medien, dass es die Brände gar nicht wirklich gäbe, und der „kommunistische US-Sender CNN“ Fotos des blutroten Feuerhimmels gefälscht habe. Doch die deutlich sichtbare Ausbreitung der Feuer, deren Rauchfahnen inzwischen sogar die mehr als 11.000 Kilometer entfernten Länder Chile und Argentinien erreicht hatten, erledigte diese Verschwörungstheorie.
Eine weitere Verschwörungstheorie gründet auf einer unscharfen Karte, die dem „Guardian“ zufolge im Internet kursiert. Sie unterstellt, dass die Waldbrände Teil eines Planes sind, um Land für eine Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zu roden. Die Behauptung liess sich rasch als Unsinn enttarnen, da sie eine Verschwörungstheorie kopiert, die schon während der Waldbrände in Kalifornien aufgestellt und widerlegt worden ist.
Einige der Buschfeuer-Verschwörungstheorien haben die Internetblase verlassen und sind ins Tagesgespräch eingesickert. So zum Beispiel die Unterstellung, Australiens Grüne hätten eine Mitschuld an der derzeitigen Lage, weil sie Brandschutzmaßnahmen blockiert hätten, die das kontrollierte Abbrennen von Vegetation in buschfeuergefährdeten Gebieten vorsehen. In Wahrheit unterstützen die Grünen diese Brandschutzmaßnahmen. Die kleine Partei hätte zudem gar nicht die Möglichkeit zu einer solchen Blockade. Sie hält nur einen von 151 Sitzen im Bundesparlament. Trotzdem verbreiten Mitglieder der Liberalen Partei von Premierminister Scott Morrison dem „Guardian“ zufolge seit Monaten diesen Blockade-Mythos.
Unter dem Hashtag #ArsonEmergency zirkulierte die Behauptung, die Feuer seien zum Großteil durch Brandstiftung entstanden, durch die sozialen Medien. Einige Nutzer teilten laut „News.com“ sogar gefälschte Nachrichtenartikel, in denen unterstellt wurde, dass Klimaaktivisten absichtlich Buschfeuer entzündet hätten, um ihren Standpunkt zu belegen. „Die Vorstellung, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Brände von Brandstiftern entfacht wurden, ist falsch“, schreibt die australische Nachrichtenseite zu diesen Behauptungen: „Zwar hat die Polizei Dutzende von Brandstiftern angeklagt, die Zahl ist aber viel niedriger als die ‚Hunderte‘, die genannt werden.“
Hinweise auf gezielte Desinformationskampagne
Hinter den #ArsonEmergency-Tweets sollen offenbar häufig orchestrierte Kampagnen stecken. Die Technologiewebseite „ZDNet“ berichtet, dass diese Posts zu einem viel größeren Anteil von Bot- oder Troll-ähnlichen Accounts stammen als solche mit allgemeineren Hashtags wie #BushfireAustralia oder #AustraliaFire. „ZDNet“ beruft sich dabei auf eine Analyse der Queensland University of Technology (QUT). Die #ArsonEmergency-Tweets «konzentrierten sich insbesondere darauf, das Klima als Ursache für die Buschfeuer zu leugnen und die Grünen verantwortlich zu machen, ebenso wie Anschläge von Brandstiftern“, sagt Timothy Graham von der QUT. Die Studie der Universität habe gezeigt, dass das Auftauchen des ‘Brandstiftungsmythos‘ den Mustern einer koordinierten Desinformationskampagne entspreche, schreibt der „Guardian“.
Unklar bleibt, wer hinter dieser möglichen Kampagne steckt. Sie weise jedoch alle Merkmale eines breiteren, konspirativen Denkens und rechtspopulistischer, extremistischer Online-Diskussionen auf, erklärte Timothy Graham gemäss „ZDNet“. Der Forscher fürchtet demnach unangenehme Folgen der „beispiellosen“ Menge an Desinformation und Fehlinformation für Australien.
„Das ist ein kleines Warnzeichen für mich“, zitiert „ZDNet“ Timothy Graham. Er kommt zum Schluss: „Ich glaube nicht, dass Australien so etwas schon einmal erlebt hat, und es sieht langsam sehr ähnlich aus wie die 60 oder 70 Beispiele aus anderen Ländern der Welt, wo Desinformation zu einem ernsthaften Problem für Wahlen und andere Dinge geworden ist.“
Beispiel: Waldbrände in Brasilien
Die Großfeuer im brasilianischen Amazonasgebiet lösen weltweit Bestürzung aus.
Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro zweifelt die menschengemachte Klimaerwärmung an und ist wegen seiner Umweltpolitik in der Kritik.
Die Zahl der Waldbrände in Brasilien ist in den ersten acht Monaten des Jahres 2020 sehr stark angestiegen. Zwischen Januar und August gab es nach Angaben der Behörden 72.843 Waldbrände, die sich in den Bundesstaaten am Amazonas konzentrieren. 2018 waren es im selben Zeitraum 39.759 Brände.
Darüber hinaus nahm die Abholzung in Brasilien deutlich zu, wie ein Bericht des brasilianischen Weltraumforschungsinstituts INPE belegte. Umweltschützer sehen darin die Ursache für die Zunahme der Waldbrände in der Amazonas-Region. Der WWF erklärte, dass die „Nutzung von Feuer“ eine der „Techniken für Baumrodungen“ sei.
Bolsonaro hatte die INPE-Daten als Lügen diffamiert und den Direktor des Instituts gefeuert. Er ist ein Freund der Agrarindustrie. Umweltorganisationen werfen dem Präsidenten vor, mit seinen Aussagen gegen den Umweltschutz Holzfäller, Bergleute und Bauern zum Raubbau am Amazonaswald zu ermutigen.
Bolsonaro agiert in diesem Konflikt mit der Bewirtschaftung von Verschwörungstheorien. Er warf NGOs vor, die Brände gelegt zu haben, um wegen der dramatischen Bilder mehr Spendengelder einsammeln zu können. Die Umweltschutzorganisation WWF wies die Vorwürfe mit Nachdruck zurück: „Korruption war und ist die Hauptursache für die Zerstörung des Amazonasgebiets, für Landraub, Gewalt gegen lokale Gemeinschaften und indigene Völker, illegale Aktivitäten und Holzdiebstahl“, heißt es in einer Stellungnahme des WWF. Und weiter: „Was wir von der Regierung erwarten, ist der Mut, das Problem der Brandstiftung und der Bodenspekulation anzugehen.“
Camila Veiga vom brasilianischen Dachverband der Nichtregierungsorganisationen erklärte, die Waldbrände seien die Folge einer „Politik der Umweltzerstörung und der Unterstützung für die Agrarindustrie.“
Jair Bolsonaro erhob ausserdem schwere Vorwürfe gegen den US-Schauspieler und Umweltaktivisten Leonardo DiCaprio. Er unterstellte ihm, Geld zu geben, um den Amazonas in Brand zu stecken. Auch dafür lieferte er keinerlei Belege.
Quellen:
Verschwörungstheorien zu Kalifornien-Bränden nehmen zu (futurezone.at)
BUSCH- UND WALDBRÄNDE: Diese kruden Verschwörungstheorien werden über die Feuer in Australien verbreitet (Magazin Stern)
Großbrände in den USA: Ein Lauffeuer von Gerüchten (Tagesschau Faktenfinder)
Inferno am Amazonas: Bolsonaro heizt Verschwörungstheorien an (n-tv)
Amazonas-Waldbrände: Bolsonaro verbreitet Verschwörungstheorie über Leonardo DiCaprio (Spiegel online)
Anmerkungen:
Bei Jair Bolsonaro ist die Sache leicht durchschaubar. Als Populist gehören Verschwörungstheorien quasi zu seinem politischen Werkzeugkasten. Siehe dazu auch:
Verschwörungstheorien und Populismus
Ansonsten liegen aber die Hintergründe der Verschwörungstheorien zu den Waldbränden nicht immer einfach auf der Hand. Hier hilft vielleicht die Frage «Cui bono» (»Wem zum Vorteil?«) weiter. Eigentlich ist das ein typisches Leitmotiv von Verschwörungsgläubigen, die daraus sehr verkürzt ihre Spekulationen über die Verschwörer ziehen. Wer von einem Ereignis profitiert, steckt dahinter. «Cui bono?» bietet bezogen auf unerfreuliche bis tragische Geschehnisse eine verführerisch einfache Antwort, die voll in die Irre führen kann. Denn von einem Ereignis kann auch jemand profitieren, der nicht dafür verantwortlich ist. Wenn Hänschen davon profitiert, dass die Lehrerin krank ist, und er nun keine Prüfung schreiben muss, dann heisst das noch nicht, dass er die Krankheit der Lehrerin auch verursacht hat.
Wendet man die Cui-bono-Frage aber auf die Verschwörungstheorie selber an, kann sie sich durchaus als ergiebig erweisen. Wer profitiert also von den Verschwörungstheorien rund um die Waldbrände? Am offensichtlichsten die Klimaerwärmungs-Leugner, weil sie damit von der Klimaerwärmung als Mitverursacher der Waldbrände ablenken können. Die Verschwörungstheorien rund um die Waldbrände sind auch ein Beispiel für die politische Instrumentalisierung von Verschwörungstheorien. Siehe dazu auch:
Welche politischen Interessen stehen hinter Verschwörungstheorien?