Verschwörungstheorien zeigen oft eine besondere Form der Unwiderlegbarkeit. Sie sind so konstruiert, dass sie scheinbar immer Recht haben, egal wie sich eine Angelegenheit entwickelt.
Das zeigte sich zum Beispiel nach dem Brand der Kathedrale von Notre Dame. Rechtsextreme hatten unmittelbar nach den ersten Meldungen vom Brand bereits Gerüchte gestreut, wonach Islamisten das Feuer gelegt hätten. Knapp eine Stunde nach dem Brandausbruch veröffentlichte zum Beispiel der AfD-Stadtverband Solingen auf Facebook einen Post:
«Würde wohl niemanden verwundern, wenn es ein Anschlag mit islamistischen [sic!] Hintergrund wäre. Doch noch weiss man nichts genaues [sic!], aber ob man später wirklich die Wahrheit preisgibt? Die Antwort könnte ja die Bürger verunsichern. […]»
Sascha Lobo beschreibt die Unwiderlegbarkeit so:
«Hier greift die klassische Unwiderlegbarkeit der Verschwörungsmythen: Wenn sich der Brand als Anschlag von Islamisten erweisen sollte, hatten sie Recht. Natürlich wäre das bei einem derart großen, christlichen Symbol wie Notre-Dame möglich. Ergibt aber die Untersuchung einen Unfall, einen bösen Zufall oder einen Anschlag anderer Gruppen, werden die Rechten das Ergebnis als Lüge aus Gründen der „political correctness“ und als Medienverschwörung bezeichnen und trotzdem sagen, sie hätten Recht gehabt. Und wenn sich nichts aufklären lässt, um so besser: Ungewissheit ist der beste Freund aller Verschwörungstheoretiker, weil dann Gegenbeweise unmöglich sind.»
Wie kommt es zur Unwiderlegbarkeit?
Bernd Stegemann beschreibt, wie der argumentative Zirkel über die Abwehr von Kritik zur Unwiderlegbarkeit führt:
«Die Macht, die in einer Verschwörungstheorie aufgedeckt wird, ist umso gewaltiger, je überzeugender die Gegenargumente sind. Eine besonders absurde Verschwörung soll z. B. darin bestehen, dass Angela Merkel in Wirklichkeit ein reptiloides Wesen ist, das Ausserirdische geschickt haben, um uns alle zu unterjochen. Dass es keinen einzigen Beweis hierfür gibt und auch sonst keine Hinweise existieren, gilt den Anhängern dieser Verschwörungstheorie als ultimativer Beweis. Denn nach ihrer Logik kann nur eine uns überlegene Macht eine so perfekte Täuschung herstellen. Der Fehlschluss ist von atemberaubender Unwiderlegbarkeit: Gerade weil es keine Beweise für die Verschwörungstheorie gibt, gilt sie als absolut bewiesen.»
Quellen:
Netzreaktionen auf Notre-Dame: Von rechts bis zum Rechtschaffenheitsreflex (Spiegel online
Wie rechte Ideologen den Brand von Notre-Dame für ihre Zwecke instrumentalisieren (Watson)
Die Öffentlichkeit und ihre Feinde, von Bernd Stegemann, Klett-Cotta Verlag 2021, Seite 38.
Ausserdem:
Diese Immunisierung gegen Kritik, diese scheinbare Unwiderlegbarkeit, ist ein Schwächezeigen für eine Theorie.
Es handelt sich hier um Vorstellungen, die nicht an der Erfahrung scheitern können. In solchen Fällen ist immer Skepsis angebracht. Vorzuziehen sind Theorien, die so konkret gestaltet sind, dass sie an der Erfahrung scheitern können. Sie gelten wissenschaftlich als wertvoller.