Der Templerorden wurde 1118 im Königreich Jerusalem gegründet. Aus einer losen Bruderschaft europäischer Ritter entwickelte sich ein geistlicher Orden, der zum Ziel hatte, die Pilger im Heiligen Land zu beschützen und die schon dort ansässigen Johanniter zu entlasten, die durch Seelsorge und Krankenpflege das Leben in Jerusalem erträglicher machten. Templer nannten sie sich, weil ihr Hauptquartier auf dem Tempelberg in Jerusalem lag, in der Nähe des einstigen Tempels des Salomo.
Der Templerorden hatte bis 1312 Bestand und war der erste Ritterorden. Er vereinte damit die Ideale des adligen Rittertums mit denen des Mönchtums. Das waren zwei Stände, die bis dahin streng getrennt waren.
Die Mitglieder des Templerordens werden Templer, Tempelritter oder Tempelherren genannt. Genauso wie andere Ordensleute legten sie ein Gelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam ab, waren zudem jedoch auch bereit, für die Sache Christi Blut zu vergiessen. Damit erweiterte der Templerorden das ursprünglich der Friedfertigkeit verpflichtete Ideal der Mönche prägnant.
Der Templerorden war direkt dem Papst unterstellt und bildete während der Kreuzzüge eine militärische Eliteeinheit.
Der Orden wurde auf Druck des französischen Königs Philipp IV. nach einem langwierigen, aufsehenerregenden Prozess (Templerprozess) von Papst Clemens V. am 22. März 1312 auf dem Konzil von Vienne offiziell aufgelöst. In seiner Nachfolge gab es mehrere Organisationen, die sich auf das Erbe des Templerordens bezogen und zum Teil noch aktiv sind.
Um den Templerorden ranken sich vielfältige Verschwörungstheorien. Schon beim Templerprozess im Jahr 1307 spielten sie eine Rolle. Im Mittelalter war bei Verschwörungstheorien immer der Teufel involviert. Und einen Bund mit dem Teufel unterstellte auch Philipp dem Orden der Templer. Einen zweifelhaften Ruf erarbeiteten sich die Templer aber auch dadurch, dass sie in ihr Ordensleben manche suspekt scheinende Einflüsse aus dem Orient aufgenommen hatten.
Philipp IV. nimmt die Templer ins Visier
Der französische König Philipp IV. – auch Phillip der Schöne genannt – war notorisch knapp bei Kasse. Um diese zu füllen, hatte er bereits 1306 die französischen Juden enteignen und vertreiben lassen.
Der Templerorden war durch zahlreiche Schenkungen von Adeligen reich geworden und bildete Ende des 13. Jahrhunderts insbesondere in Frankreich eine Art Staat im Staate.
Gut vorbereitet, liess Philipp am 13. Oktober 1307 alle Templer auf einen Schlag verhaften. Ihre Güter wurden konfisziert. Der König und seine Berater lieferten dabei ein Musterbeispiel für den Einsatz politischer Propaganda. Sie spielten virtuos auf der Klaviatur aus Verschwörungstheorien, Fälschungen und Mythen. Den Templern wurden absurde Vergehen vorgeworfen. Zwielichtige oder möglicherweise auch gekaufte Zeugen hatten schon 1305 behauptet, bei der Aufnahme in den Orden müsse Christus dreimal verleugnet werden und die Novizen müssten dabei dreimal auf das Kruzifix speien. Beim Aufnahmeritual komme es zu Sodomie, d. h. zu homosexuellen Praktiken. Ordensangehörige müssten den untersten Rückenwirbel, den Mund oder den Nabel eines Mitbruders küssen und Dämonen beschwören. Sie schändeten zudem angeblich die heilige Messe, indem sie ungeweihte Hostien verwendeten.
Nach ihrer Verhaftung im Oktober 1307 gestanden viele Templer unter Folter solche Vergehen und nicht wenige starben bereits unter der Folter. Allein von den 138 in Paris verhafteten Templern kamen 134 «Geständnisse». Widerriefen sie die Geständnisse später wieder, wurden sie als sogenannte relapsi (Zurückgefallene) behandelt und zum Tode verurteilt. Schon im Jahr 1310 kam es in Sens (Frankreich) zur ersten Massenverbrennung von 54 angeblich rückfällig gewordenen Templern, die es gewagt hatten, den Templerorden zu verteidigen.
Die Ankläger erweiterten und verschärften daraufhin die Beschuldigungen auf insgesamt 88 Anklagepunkte gegen die Templer als Einzelpersonen und 127 gegen den Templerorden. Unter dem Druck Philipp des Schönen hob der von ihm abhängige Papst Clemens V. den Templerorden 1312 auf. Der Besitz des Templerordens ging nach seiner Auflösung hauptsächlich auf die Johanniter über, doch auch Philipp sicherte sich seinen Anteil.
Reichhaltige Verschwörungstheorien rund um die Templer
Die Templer wurden nicht nur Opfer von Verschwörungstheorien, die zur Zerschlagung des Ordens führten. Sie wurden auch im Nachklang zum Ausgangspunkt vieler Verschwörungslegenden. Eine wichtige Rolle spielten dabei fiktionale Texte, die als Beschreibungen der Realität ausgegeben wurden und in weiten Kreisen auch für real gehalten wurden. Ein einflussreiches Beispiel sind die Schriften des Abbé Barruel (1741 – 1820). Er schrieb die Französische Revolution einer Verschwörung der mittelalterlichen Tempelritter zu, die überlebt hätten und in Freimaurersekten aufgegangen seien. Und da Verschwörungstheorien dazu neigen, alles mit allem verbunden zu sehen, integrierte Barruel auch noch die führenden französischen Aufklärer und den Illuminatenorden in seine Fiktion. Der italienische Schriftsteller, Philosoph und Medienwissenschaftler Umberto Eco (1932 – 2016) fasst es so zusammen:
«In den Jahren 1797 – 98 schrieb dann, als Antwort auf die Französische Revolution, der Abbé Barruel seine Mémoires pour servir à l’histoire du jacobinisme, ein dem Anschein nach historisches Werk, das sich jedoch wie ein Schauerroman liest. Es beginnt natürlich mit den Templern. Nach dem Feuertod ihres Grossmeisters Jacques de Molay verwandeln sie sich in eine Geheimgesellschaft mit dem Ziel, die Monarchie und das Papsttum zu stürzen und eine Weltrepublik zu errichten. Im 18. Jahrhundert bemächtigen sie sich der Freimaurerei und gründen eine Art Akademie, deren teuflische Mitglieder Voltaire, Turgot, Condorcet, Diderot und d’Alembert sind, und aus diesem Zirkel gehen die Jakobiner hervor. Doch auch die Jakobiner werden von einer noch geheimeren Gesellschaft kontrolliert, nämlich den Bayerischen Illuminaten, die Tag und Nacht nur auf Königsmord sinnen. Die Französische Revolution war das Ergebnis dieses Komplotts.»
So stellte es Barruel dar.
Erweitert wurde diese Verschwörungstheorie durch einen mysteriösen Hauptmann Simonini, der in einem Brief an Barruel auch noch die Juden als Verursacher der Französischen Revolution ins Spiel brachte. Damit war die Grundlage gelegt für die späteren Protokolle der Weisen von Zion, ein zentrales und ebenfalls fiktives, antisemitisches Pamphlet.
An diesem Beispiel zeigt sich die bei Verschwörungsgläubigen verbreitete Überzeugung, dass alles mit allem zusammenhängt. Hier die Templer mit den Freimaurern, diese mit den Illuminaten, und alle zusammen mit den Philosophen der verhassten Aufklärung. Und was nicht zusammenhängt, wird zusammenhängend gedacht, wenn nötig auch über Jahrhunderte.
Und während bei Barruel von einer geheim gesteuerten Weltrepublik die Rede ist, fabulieren gegenwärtige Verschwörungsgläubige von einer «Neuen Weltordnung» (NWO) oder vom «Great Reset». Im Reich der Verschwörungstheorien gibt es wenig wirklich Neues unter der Sonne.
Templerorden regt Phantasien bis in die Gegenwart an
Die Templer wurden in anderen europäischen Ländern weit milder behandelt als in Frankreich. Ausserhalb des unmittelbaren Machtbereiches von König Philipp dem Schönen wurden sie nur zum Teil verfolgt, teilweise sogar gänzlich in Ruhe gelassen. Die Vernichtung des Ordens und seiner Führungselite bildete jedoch den Auftakt zu einer bis in die Gegenwart reichenden Legendengeschichte rund um Schuld oder Unschuld des Ordens, sein angebliches Weiterleben als verschwörerische Geheimgesellschaft und wilden Spekulationen über einen sagenhaften Templerschatz. Auf dieser Grundlage entstand eine Flut von Sachbüchern, Romanen und Filmen. Bekannte Autoren sind insbesondere Umberto Eco («Das Foucaultsche Pendel») und Dan Brown («The Da Vinci Code – Sakrileg»), die sich in ihrer Ausrichtung und Fundiertheit allerdings stark unterscheiden. Der «Bildungsserver» beschreibt den Unterschied so:
«Das Foucaultsche Pendel ist….mit einem Seitenhieb auf den Bestseller von Dan Brown als „Da Vinci Code für denkende Menschen“ bezeichnet worden. Im Gegensatz zu Browns Buch, in dessen Handlung sich die Verschwörungstheorien ja bestätigen, geht es bei Eco um die Fiktionalität von Verschwörungstheorien und die Beliebigkeit, mit der sich Tatsachen zu irrealen Verschwörungen zusammenimaginieren lassen. Der Roman kann somit als eine große Polemik gegen die gesamte Esoterik verstanden werden.»
In Bezug auf Verschwörungstheorien enthalten die Bestseller von Dan Brown tatsächlich ein Problem, weil der Autor seine Schriften als historische Wahrheit darstellt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Mischung von Fakt und Fiktion. Umberto Eco zeichnet in seinem Bändchen über «Verschwörungen» präzis historische Fehler in Browns Werk nach. Die Mischung von Fakten – zum Beispiel realen Orten – mit Fiktion und historischen Fehlern führt zu Halbwahrheiten. So bekommen Fiktionen und damit zusammenhängende Verschwörungstheorien eine nicht verdiente Glaubwürdigkeit.
Quellen:
Ingo Grabowsky: “Ketzer, Chemtrails und Corona”, HEEL Verlag 2020.
Werner Tschacher: «Mit dem Teufel im Bunde – Verschwörungstheorien im hohen und späten Mittelalter», in: Verschwörungstheorien früher und heute, Stiftung Kloster Dalheim / LWL 2020.
Umberto Eco: «Verschwörungen – eine Suche nach Muster», Hanser Verlag 2021.
Beitrag zum Thema «Templerorden» auf Wikipedia.
Beitrag «Das Foucaultsche Pendel» auf Bildungsserver Wiki Weltliteratur.
Der Untergang der Templer – von Mythen, Verschwörungen und Justizirrtümern; Vortrag des Historikers Dr. Ralf Lützelschwab im Rahmen de Ringvorlesung „Geschichte als Waffe. Fälschungen – Mythen – Verschwörungstheorien“ am 20. November 2019 an der Freien Universität Berlin: