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Skeptiker: Sind Verschwörungstheoretiker „Skeptiker“?

21. August 2020

Verschwörungstheoretiker sehen sich oft als «Skeptiker». Sie bezeichnen sich dann als «Corona-Skeptiker», «Klimawandel-Skeptiker» oder «Impf-Skeptiker». Sie legen dann Wert darauf, dass sie halt «kritisch denken» oder «Querdenker» sind. Dem liegt allerdings eine ganze Reihe von Missverständnissen zugrunde. Darum lohnt es sich, Begriffe wie Skepsis, Skeptiker oder Skeptizismus etwas genauer anzusehen. Doch zuvor noch als Einschränkung: Zwar stellen sich manche Verschwörungstheoretiker als «Skeptiker» dar, aber umgekehrt ist nicht jeder Corona-Skeptiker, Klimawandel-Skeptiker oder Impf-Skeptiker dadurch auch schon ein Verschwörungstheoretiker.

Zu den Begriffen Skeptiker und Skepsis im Alltagsgebrauch

Der Begriff «Skeptiker» wird unterschiedlich verwendet.

Er leitet sich ab vom altgriechischen Begriff σκεπτικός skeptikós, der von σκέψις sképsis abstammt. Sképsis bedeutet „Betrachtung, Untersuchung, Prüfung“. Dem liegt das Verb σκέπτεσθαι sképtesthai „schauen, spähen, betrachten, untersuchen“ zugrunde. Antike Skeptiker waren demzufolge Leute, die eine Sache von allen Seiten untersuchten, um deren Beschaffenheit festzustellen.

Die Neigung der Skeptiker, Dinge genau zu untersuchen, führte zu grundsätzlichen Bedenken gegen alles, was sich nicht untersuchen ließ. Dazu zählen alle Bereiche, die über sinnliche Phänomene hinausgingen. Die skeptische Grundhaltung stellte menschliches Wissen in Frage. Um sich nicht festzulegen, bedienten sich Skeptiker einer unparteiischen Sprache und vermieden Floskeln wie „es steht fest“ oder „ich bin sicher, dass“.

Erasmus von Rotterdam, der bedeutende Gelehrte des Renaissance-Humanismus, schrieb um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert:

„Der Name ‚Skeptiker‘ entspricht dem, was Skeptiker tun: Sie erforschen und denken gründlich nach. Es fällt ihnen schwer, sich auf etwas Bestimmtes festzulegen und sie verteidigen auch nicht das, was sie vermuten. Die Skeptiker folgen dem, was sich bewährt hat, Nicht-Skeptiker aber dem, was sie für gewiss halten.“

Für ihn stand also immer noch das Erforschen und Nachdenken im Vordergrund. Im heutigen Alltagsgebrauch wird «Skepsis» meistens mit «Zweifel» gleichgesetzt. «Ich bin skeptisch» heisst dann, «ich zweifle», «ich glaube das nicht», und weniger: «ich forsche nach».

Skeptizismus: Zweifel als allgemeines Prinzip

In der Philosophiegeschichte gibt es eine Strömung, die den Zweifel zum allgemeinen Prinzip macht. Hier wird also nicht einfach irgendwann an irgendwas gezweifelt. Das systematische Hinterfragen wurde zum Prinzip des Denkens erhoben. Für die philosophischen Skeptiker der Spätantike ist Zweifeln die Erkenntnisvoraussetzung, die Voreinstellung, die Haltung, mit der sie an die Dinge herantreten.

Typisch für den Skeptizismus der Spätantike war, dass die prüfende Überlegung nicht zu einer sicheren Aussage führte, sondern in der Aporie endet. Sie kommt also nicht zu einer Lösung, weil sie «immerfort prüft und niemals findet» (Diogenes Laertius).

Die radikalste Form des Skeptizismus vertrat Pyrrhon von Elis (ca. 360 – 270 v.u.Z.).

Seiner Auffassung nach sind wir nie zu irgendeinem Urteil, zu irgendeiner Handlung gerechtfertigt. Etwas fehlt dazu immer, nämlich Wissen, Gewissheit. Darum muss sich der Weise jeden Urteils enthalten, denn der Streit umeinander widersprechende Behauptungen ist der Seelenruhe abträglich. Die Seelenruhe (Ataraxie) ist das eigentliche Ziel dieser Haltung, und nach Pyrrhon die einzige erreichbare Glückseligkeit (Eudaimonie).

Für die antiken Skeptiker geht es also nicht einfach um die Lust an erkenntnistheoretischen Gedankenspielen. Für sie steht die Frage im Vordergrund, welche Lebensweise die glücksträchtigste ist. Die Antwort heisst: diejenige, die sich am wenigsten festlegt.

Für die Skeptiker war von Natur aus nichts richtig oder falsch, gerecht oder ungerecht, schön oder hässlich. Solche Urteile hielten sie nur für menschliche Konventionen, die naturgegeben jederzeit änder- oder aufhebbar seien. Es komme dabei ausschliesslich auf die Umstände und den jeweiligen Blickwinkel an. So scheine ein einzelnes Sandkorn hart, ein Sandhaufen dagegen weich und nachgiebig.

Es handelt sich bei der pyrrhoneischen Skepsis also um eine Philosophie, die auf die weitestgehende  Ruhigstellung sämtlicher Handlungs- und Entscheidungserfordernissen des Lebens abzielt und ihr Ideal in einer rein passiven Seelenruhe zu finden hofft.

Pierre Hadot schreibt in seinem Buch «Wege zur Weisheit – was ist antike Philosophie»:

«…Überzeugt davon, dass es unmöglich ist zu wissen, ob dieses Ding oder Ereignis besser als jenes andere Ding oder Ereignis ist, richtet sich der Skeptiker, dank der Enthaltung jeglichen Werturteils über die Dinge, um im Seelenfrieden ein. Diese Enthaltung verringert seine Schmerzen und seine Qualen, wenn er sie zu erleiden hat, weil er dem Schmerz oder dem Unglück nicht noch die quälende Idee hinzufügt, dass es sich um ein Übel handelt. Er beschränkt sich stets darauf, zu beschreiben, was er empfindet, was ihm erscheint, ohne hinzuzufügen, was die Dinge sind oder was sie wert sind. Er begnügt sich damit, seine sinnliche Vorstellung zu beschreiben und sein eigenes Erlebnis auszudrücken, ohne seine Meinung hinzuzufügen.»

Michel de Montaigne – Ein Skeptiker der Renaissance

Michel de Montaigne (1533 – 1592) entwickelte im Zeitalter der konfessionellen Bürgerkriege einen skeptischen Individualismus. In seinen berühmten Essais gibt er ihm eine passende literarische Form. Damit fand er eine Möglichkeit der intellektuellen Distanzierung von dem widrigen Zeitgeschehen. Montaigne führte seinen Lesern immer wieder vor Augen, wie stark ihr und sein Urteilen von gänzlich zufallsabhängigen Faktoren bestimmt werde. Er blieb wie die antike Skepsis vor allem an der Seelenruhe interessiert.

 

Neuzeitliche Skepsis

Eine Grundtendenz in der Geschichte des skeptischen Denkens lässt sich beschreiben als Übergang von einer antiken «passivistischen» Skepsis zu einer neuzeitlichen «aktivistischen» Skepsis. Die antike Skepsis besass unmittelbare Bedeutung für die Lebensführung. Weil dieser pyrrhoneische Zweifel das Handeln lähmt, tendiert er ins Passive und zum Erleiden.

Demgegenüber wurde für die neuzeitliche Skepsis das Erkenntnisinteresse leitend. Zweifel ist hier auch ein Tun, eine Leistung, die sich gegen erheblichen Widerstand des unbefragten Glaubens und Meinens durchsetzen muss. Zweifel müssen sich artikulieren und aus dem Meer des Nichtwissens auftauchen.

Ein solches  aktivistisches Verständnis des Zweifels gehört zum Selbstverständnis neuzeitlicher skeptischer Philosophien. Sie begriffen das Zweifeln als Waffe gegen alle erdenklichen Arten angemasster Autorität. Für neuzeitliche Skeptiker bedeutet Zweifel nicht die pyrrhoneische Urteilsenthaltung, sondern die Kampfansage gegen falsche Gewissheiten. Die Seelenruhe als Kernanliegen des Pyrrhonismus, dem man alles Urteilen opfert, verschwindet nach und nach aus dem Blickfeld skeptischer Philosophie oder gerät selber unter zweifelnde Befragung.

 

Die Skepsis der Verschwörungstheoretiker – eine Einbahnstrasse

Was bedeutet das nun für die Verschwörungstheoretiker, die sich als «Skeptiker» wähnen?

Ganz sicher sind sie keine Skeptiker im pyrrhoneischen Sinn. Verschwörungstheoretiker enthalten sich in der Regel nicht des Urteils und schon gar nicht der Meinung.

Und wie steht es mit der neuzeitlichen Skepsis als Kampfansage gegen falsche Gewissheiten? Hier scheinen sich die Anliegen der Skepsis und der Verschwörungstheoretiker zu treffen. Aber hier ist es nötig, genauer hinzusehen. Verschwörungsgläubige setzen die Skepsis sehr selektiv ein.

Andreas Sommer schreibt dazu:

«Nicht jeder Zweifel, der einen gewissen Allgemeinheitsanspruch erhebt, scheint….für skeptisches Philosophieren zu qualifizieren. Der dafür taugliche Zweifel darf nicht von vornherein blosses Werkzeug bei der Etablierung bestimmter, bereits feststehender Wahrheiten sein. Die Kraft des Zweifels muss weiter reichen als bis zur Diskreditierung missliebiger Gegenansichten, soll er für skeptisches Philosophieren in Betracht kommen. Zweifel gegenüber anderen Ansichten zur Sicherung der eigenen Ansichten ist kein Ausweis skeptischer Gesinnung (vorausgesetzt, es gibt ‘skeptische Gesinnung’). Erst wer dem Zweifeln das Recht einräumt, Wahrheiten in Mitleidenschaft zu ziehen, die man gerne als eigene Wahrheiten angenommen hätte, scheint für die (nicht selten selbstquälerische) Skepsis berufen zu sein, wie sie von neuzeitlichen Philosophen geprägt wurde.»

Christian Alt und Christian Schiffer schreiben dazu:

«Skepsis ist keine Einbahnstrasse. Verschwörungstheoretiker sind skeptisch gegenüber allem, ausser ihren eigenen Ideen…..Sie hinterfragen nicht, was bei ihren Recherchen herausgekommen ist. Das kritische Denken wird eben nicht auf die eigene Arbeit angewendet. In Geheimdienst-Ermittlungen gibt es oft das sogenannte ‘Red Team’. Die einzige Aufgabe dieses Teams ist es, die Ergebnisse der Hauptermittler zu überprüfen. Löcher zu finden, Fehlschlüsse aufzuzeigen. Ergebnisse auch mal zu verwerfen. Die Suche nach der Wahrheit ist ein anstrengender Prozess, bei dem man sich gern mal auch von Ideen trennen muss, die man jahrelang gehegt und gepflegt hat….»

Die gegenseitige Kritik ist in der Wissenschaft ein wichtiges Element für den Erkenntnisfortschritt. Sie hilft mit, Schwachstellen, Irrtümer und blinde Flecken zu erkennen. Eine wissenschaftliche Theorie ist umso etablierter, je mehr Kritik sie überstanden hat. Verschwörungstheorien sind keine wissenschaftlichen Theorien. Sie sollten aber nicht von Zweifel und Kritik ausgenommen werden. Auch nicht von Verschwörungstheoretikern, die sich als «Skeptiker» sehen.

Alt/Schiffer:

«Verschwörungstheorien muss mit der derselben Skepsis begegnet werden wie anderen Theorien auch. Es kann nicht sein, dass jede Theorie durch ein Stahlbad an Zweifeln gehen muss und ausgerechnet dann für Verschwörungstheorien so eine Art Welpenschutz besteht. Zweifel ist eine gute Sache, kritisch zu sein ist eine gute Sache, aber dann müssen sich auch Verschwörungstheorien gefallen lassen, dass man sie anzweifelt und sie kritisch hinterfragt.

Also bitte: Keine Extrawurst für Verschwörungstheorien……Stattdessen brauchen wir einen Aufstand der Vernunft, selbstbewusst und ohne Arroganz.»

Alt/Schiffer weiter:

[Der Verschwörungstheoretiker] «glaubt einerseits gar nichts, er ist supermisstrauisch, aber andererseits glaubt er eben dann doch wieder, nun ja, jeden Scheiss! Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat einmal darauf hingewiesen, dass die Verschwörungstheorie zwei eigentlich gegensätzliche Philosophien miteinander vereint: den absoluten Glauben an die Wahrheit – Verschwörungstheoretiker glauben die Welt so zu sehen, wie sie tatsächlich ist. – und eine radikal skeptische Haltung, sprich den Zweifel an Institutionen, Wissenschaftlern, sogenannten ‘Mainstreammedien’.»

Diese Zitate zeigen, wie einseitig und selektiv Verschwörungsgläubige den Zweifel und die Skepsis einsetzen. Das spricht dagegen, sie als «Skeptiker» ernst zu nehmen.

An diesem Punkt ist es wichtig, zwischen toxischem Misstrauen bzw. toxischem Zweifel einerseits, und gesundem Misstrauen, bzw. gesundem Zweifel andererseits zu unterscheiden. Gesundes Misstrauen / gesunder Zweifel sind unverzichtbar für Demokratie und Wissenschaft. Verschwörungsgläubige haben jedoch eine starke Neigung zu toxischem Misstrauen / toxischem Zweifel.

Siehe dazu:

Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen

Alt/Schiffer schreiben:

«Kritisches Denken ist die Luft, die unsere Wissensgesellschaft zum Atmen braucht. Ohne kritisches Denken kein Fortschritt, keine Paradigmenwechsel, keine Quantensprünge. Aber ein Zuviel an kritischem Denken ist auch nicht gut. Wäre es ein Fortschritt, wenn morgen alle glauben, die Erde wäre flach und hohl und alle Politiker Echsenmenschen? Wir brauchen einen Konsens. Und wir müssen gute Ideen, die sich kritisch mit dem bestehenden Wissen auseinandersetzen, trennen von absurden Verschwörungstheorien. Das ist aber einfacher gesagt als getan. Im Alltag ist es schwer zu unterscheiden: Was ist kritisches Denken und was ist schon Verschwörungstheorie? Wo verläuft die Trennlinie?»

Hier zwei Beträge, die bei der Unterscheidung helfen können:

Lob der Kritik

Wodurch zeichnen sich Verschwörungstheorien aus? – Merkmale, Charakteristika

Und zum Schluss ein Zitat von Ludwig Marcuse (1894 – 1971) zur «Skepsis»:

«Als abstrakter Begriff ist Skepsis umgeben von einem Hof von Vorstellungen: Zurückhaltung, Vorsicht, Kritik, Resignation; er wird weniger ungefähr, sobald man den Ursprüngen des skeptisch genannten Verhaltens nachgeht, der Folge eines geschwächten Vertrauens. Wenn man dann fragt, was schwächte es, so macht man aus einer Wortwolke ein genau umrissenes Wort.»

Quellen:

Andreas Sommer, Die Kunst des Zweifelns – Anleitung zum skeptischen Denken, Beck Verlag 2005

Christian Alt / Christian Schiffer, Angela Merkel ist Hitlers Tochter – Im Land der Verschwörungstheorien, Hanser Verlag 2020

Ludwig Marcuse, Argumente und Rezepte, Diogenes Verlag 1973

Pierre Hadot, Wege zur Weisheit, Eichborn Verlag 1999

Wikipedia zum Stichwort «Pyrrhonische Skepsis»

Wikipedia zum Stichwort «Skepsizismus»

 

 

 

 

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