Das erzkatholische «Radio Maria» ist in Italien weit verbreitet. Neben einer Mischung aus Rosenkranz-Gebeten, Bibellektionen, gregorianischen Gesängen und christlicher Schlagermusik erklärt hier Pater Fanzaga seinen Zuhörerinnen und Zuhörern jeden Tag eine Stunde lang die Welt. Dabei verbreitet er Verschwörungstheorien, geht auf Kuschelkurs mit Rechtsextremen wie dem Führer der Lega-Partei, Matteo Salvini, unterstellt dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden, ein Werkzeug des Satans zu sein und wettert allgemein gegen Abtreibungsbefürworter, Homosexuelle, Migranten und den Islam.
Vor einigen Jahren verbreitete der Sender nach einer Erdbebenserie in Italien die absurde Behauptung, es handle sich dabei um eine Strafe Gottes für das gerade eingeführte Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.
Das päpstliche Staatssekretariat entschuldigte sich daraufhin öffentlich für diese wirren Aussagen und bezeichnete sie als „skandalös“.
Allerdings sind dem Vatikan in Sachen Radio Maria die Hände gebunden. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat keinerlei Einflussmöglichkeiten auf das Radioprogramm des privaten katholischen Senders.
Für Radio Maria ist das Coronavirus das Resultat einer gottlosen Weltverschwörung. Pater Livio Fanzaga erklärt in seiner Sendung, wie es seiner Ansicht nach zur weltweiten Covid-19-Pandemie kommen konnte: „Für mich ist diese Epidemie ein kriminelles Projekt, das von den weltweiten Eliten vorangetrieben wird. Um eine Welt ohne Gott zu schaffen.“
Fanzaga behauptet, dass Politik und gleichgeschaltete Massenmedien Teil dieser Verschwörung des Satans seien: „Ein Projekt mit dem Ziel, die Menschheit auszulaugen, sie in die Knie zu zwingen und eine Gesundheits-Diktatur zu errichten. Um eine neue Welt zu schaffen, durch die Ausschaltung all derjenigen, die nicht Ja sagen zu diesem kriminellen Projekt.“
Der Sender ist in Italien kein kleines Nischenradio. Das Programm wird täglich von 1,5 Millionen Menschen gehört und verfügt landesweit über so viele Frequenzen, wie sonst nur der Staatssender RAI. Radio Maria fungiert als Megaphon der erzkonservativen Katholiken in Italien und ist ein Machtfaktor im Land.
Radio Maria – auch ein erfolgreiches Geschäftsmodell
Der Sender sei eine regelrechte Mediengesellschaft, die jährlich Millionen Euro umsetze, sagt der Buchautor und Journalist Fabio Tonacci. Für die Zeitung „La Repubblica“ hat er in die Jahresbilanz von Radio Maria schauen können: „Die Bilanz weist mehr als 20 Millionen Euro aus. Der meiste Teil des Geldes wird aufgewendet, um die riesige technische Infrastruktur mit 874 Sendefrequenzen im Land aufrecht zu erhalten.“ Der Sender sei darüber hinaus im Internet präsent und produziere Inhalte für die sozialen Netzwerke.
Radio Maria finanziert sich vor allem über Spenden seiner Hörerinnen und Hörer, erzählt Autor Tonacci: „Wir haben mit ehemaligen Angestellten gesprochen: Sie berichten von Säcken, die mit der Post kommen, in denen Überweisungsbelege und Briefumschläge mit Geld sind. Die alleinstehende ältere Frau ist die typische Hörerin von Radio Maria.“
Das Programm werde fast stündlich durch Spendenaufrufe unterbrochen, die die Hörer befolgten.
So besitzt das Radioprogramm mit Hang zu Verschwörungstheorien auch über einen großen Grundbesitz. Ihm gehören inzwischen mehr als 70 Immobilien – fast alle vererbt von treuen Hörerinnen und Hörern.
Der Sender ist mittlerweile in über 70 Ländern präsent. Der Schweizer Ableger hat sich laut dem Portal kath.ch inzwischen von den Aussagen Fanzagas zu den Gründen der Corona-Pandemie distanziert. Der Programmdirektor von «Radio Maria Schweiz» verteidigt den italienischen Kollegen aber auch.
Quellen:
Irre Verschwörungsmythen Wie ein Radiosender ein Millionenpublikum aufhetzt (Hamburger Morgenpost)
Italienisches Radio Maria: Verschwörungsmythen mit Millionenpublikum (ARD-Tagesschau)
Schweiz: Radio Maria distanziert sich von italienischem Kollegen
(kath.ch)
Anmerkungen:
☛ Die Erklärungen von Radio Maria zur Erdbebenserie und zur Corona-Pandemie sind ein gutes Beispiel für teleologisches Denken, das sowohl für Kreationismus als auch für Verschwörungstheorien typisch ist.
Siehe dazu:
Teleologie als Bestandteil von Verschwörungstheorien
☛ Radio Maria ist auch ein illustratives Beispiel dafür, wie erzkonservative, rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen sich zunehmend Einfluss in der Medienwelt sichern. Menschen, die für Demokratie und Rechtsstaat einstehen, sollten sich Gedanken machen, wie sich diese Entwicklung begrenzen lässt und was ihr entgegengesetzt werden kann. Jedenfalls ist es Zeit, Organisationen und Medienprojekte zu unterstützen, die für Demokratie und Rechtsstaat stehen.