Verschwörungsgläubige, die tief im Kaninchenbau stecken, sind oft nur schwere mit Argumenten von ihrem Irrweg abzubringen. Pre-Bunking (deutsch: Präventive Entlarvung) ist dagegen eine Methode, die potenziell erfolgreich sein kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen an Verschwörungstheorien glauben, sinkt nämlich schnell, wenn man sie im Vorhinein über die Argumente bestimmter Verschwörungstheorien aufklärt. Ebenso ist es effektiv, wenn Menschen präventiv über allgemeine Wirkungsweisen von Verschwörungstheorien informiert werden.
Vier Punkte sind beim Pre-Bunking wichtig:
1. Frühzeitige Warnung der Menschen davor, dass es Verschwörungstheorien allgemein oder zu bestimmten Themen / Ereignissen gibt.
2. Anregung zu kritischem Denken und Hinterfragen. Siehe dazu: Lob der Kritik.
3. Behauptungen hinter aktuell auftauchenden Verschwörungstheorien aufzeigen und durch Fakten widerlegen, bevor viele Menschen damit in Berührung kommen. Dabei wird man aber wegen der Schnelligkeit der Nachrichtenströme den Falschmeldungen und Verschwörungstheorien oft hinterherrennen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass man bislang wenig bekannten Verschwörungstheorien durch die Thematisierung mehr Aufmerksamkeit verschafft.
4. Gemeinsame Merkmale von Verschwörungstheorien aufzeigen.
Zum Beispiel:
– Einseitiges und oft pauschales Misstrauen gegenüber offiziellen Erklärungen.
– Immunität gegenüber Widerlegungen.
– Deutung zufälliger Ereignisse als Elemente eines breitangelegten Musters.
– In vielen Fällen starkes Feindbild-Denken, Sündenbock-Suche und Polarisierung in ein Schwarz-Weiss-Schema.
– Ein überholtes Geschichts- und Menschenbild, das von der Steuerbarkeit historischer Prozesse durch eine kleine Gruppe von Verschwörern ausgeht.
– Unterschätzung des Risikos, dass Verschwörungen mit vielen Mitwissern fast zwangsläufig irgendwann auffliegen (dazu siehe bei Machiavelli).
Diese langfristige Aufklärung über gemeinsame Merkmale und Schwachpunkte von Verschwörungstheorien sind beim Pre-Bunking besonders wichtig.
Zum Pre-Bunking beim Thema «Impfungen»:
Die Wirkung des Pre-Bunking wurde in einer Studie zum Thema der Impfgegnerschaft untersucht. Die beiden britischen Psychologen Karen M. Douglas und Daniel Jolley gingen dabei der Frage nach, wie man mit Anhängern von Verschwörungstheorien umgehen kann und wie sie argumentativ erreicht werden können. Konkret geht es darum, von welchen Argumenten sich Impfgegner und Impfskeptiker am ehesten beeindrucken lassen – und von welchen nicht. Diese Frage ist tatsächlich wichtig, denn das Nichtimpfen von Kindern führt potenziell zu hohen individuellen und gesellschaftlichen Risiken. «Prävention ist besser als eine nachträgliche Korrektur», fassen Douglas und Jolley ihre Resultate bereit in der Überschrift ihres Artikels zusammen.
In zwei experimentellen Studien hatten die beiden Wissenschaftler ihre Probanden gebeten, Informationen über Impfungen durchzulesen. Die eine Gruppe bekam zunächst Fakteninformationen auf dem neusten Stand der Wissenschaft, anschliessend erhielten sie Texte mit impfskeptischen Aussagen und weit verbreiteten Verschwörungstheorien über das Impfen. Die andere Gruppe erhielt die Informationen in umgekehrter Reihenfolge: Zunächst gab es die Verschwörungstheorien, danach die faktenbasierten Informationen. Alle Versuchspersonen sollten danach darüber entscheiden, ob sie in einem fiktiven Fall ein Kind impfen lassen würden oder nicht.
Die beiden Psychologen schreiben zu den Resultaten ihrer Studie:
«Die Ergebnisse legen nahe, dass Menschen gegen die potenziell gefährlichen Effekte von Anti-Impf-Verschwörungstheorien immunisiert werden können.» Das gelingt allerdings nur, wenn sie möglichst früh die notwendigen Fakteninformationen bekommen. Denn wenn sich die ablehnenden und falschen Verschwörungstheorien zu den Impfungen einmal festgesetzt haben, sei es schwierig, diese wieder zu korrigieren. Douglas und Jolley fordern darum neue (Bildungs-)Instrumente, um den negativen Effekten von Verschwörungstheorien frühzeitig entgegentreten zu können.
Diese Erkenntnisse sind nützlich für alle Bemühungen um Pre-Bunking.
Quellen:
So erkennt man Verschwörungstheorien (Europäische Kommission)
FAKE NEWS – Ein Handbuch für Schule und Unterricht, von Armin Himmelrath und Julia Egbers, hep Verlag 2018.