Der Mossad ist der israelische Auslandsgeheimdienst. Aufgrund seiner Struktur und als ziviler Nachrichtendienst in seiner Funktion ist er mit der US-amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) oder dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) vergleichbar. Der Mossad hat den Ruf, einer der bestinformierten Geheimdienste der Welt zu sein. Er ist aber auch Gegenstand zahlreicher Verschwörungstheorien mit antisemitischem Einschlag.
Er eignet sich ausgezeichnet als Sündenbock, dem man unerwünschte Ereignisse in die Schuhe schieben kann.
Verschwörungen gehören quasi zum Kerngeschäft von Geheimdiensten. Es ist daher in diesem Kontext häufig nicht einfach zu unterscheiden, was eine reale Verschwörung des Mossads, der CIA oder anderer Geheimdienste ist, und was nur eine Unterstellung auf der Basis einer Verschwörungstheorie.
Dieses Terrain ist schwierig, weil Geheimdienste quasi naturgemäss Geheimhaltung erfordern, für Demokratien aber Kontrolle und Kritik solcher Aktivitäten unverzichtbar ist. Um das zu ermöglichen, muss jedoch ein bestimmtes Mass an Transparenz gegeben sein.
Beim Mossad kann man unterscheiden zwischen:
– erfolgreichen Operationen (auf Wikipedia hier)
– fehlgeschlagene Operationen (auf Wikipedia hier)
– Operationen, die dem Mossad zugerechnet werden, aber nicht belegt sind (auf Wikipedia hier)
– Verschwörungstheorien bezogen auf den Mossad.
Eine der erfolgreichsten und bekanntesten Operationen des Mossads war die „Operation Garibaldi“. Im Mai 1960 spürte der Mossad den deutschen Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Argentinien auf und entführte ihn nach Israel. Eichmann kam in Jerusalem vor Gericht, wurde zum Tode verurteilt und durch Hängen hingerichtet.
Verschwörungstheorien um den Mossad
Wie bei vielen anderen Geheimdiensten, gibt es auch beim Mossad kritikwürdige Aktivitäten. Weil es sich bei ihm um den israelischen Geheimdienst handelt, eignet er sich aber auch zur Bewirtschaftung von antisemitischen Feindbildern. So werden denn bei verschiedensten Ereignissen fast reflexartig antisemitische Verschwörungstheorien unter Einbezug des Mossads aktiviert.
Beispiele:
☛ Die Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center haben üble antisemitische Verschwörungstheorien hervorgebracht. Eine Reihe von arabischen Zeitungen und Internetauftritten (beispielsweise in Jordanien und Syrien) unterstellten, die Anschläge seien vom israelischen Geheimdienst Mossad oder gar von der israelischen Regierung initiiert worden, weil diese angeblich eine Annäherung zwischen den USA und der arabischen Welt verhindern wollte, um damit freie Hand für ihr Vorgehen gegen die Palästinenser zu erhalten. Dieses Gerücht verbreitete sich auch in Europa. In der Türkei hält es sich in nationalistischen und islamistischen Kreisen, laut denen die Anschläge nur der Rechtfertigung für die Jagd auf Muslime dienten.
Wohl auf einen radikal-islamischen Radiosender der schiitischen Hisbollah-Miliz geht die Verschwörungstheorie zurück, am 11. September 2001 seien keine Juden umgekommen. Das komme daher, dass der Mossad oder Israel allgemeinen die Anschläge organisiert habe, um die USA gegen die islamische Welt aufzubringen. Juden seien vom Mossad gewarnt worden, an jenem Dienstag nicht ins World Trade Center zu gehen.
Diese Behauptung wird von Antisemitinnen und Antisemiten auch heute noch kolportiert.
Die Fakten sehen anders aus: Mindestens 270 Jüdinnen und Juden kamen bei den Anschlägen in New York ums Leben, nach anderen Angaben sogar bis zu 400. Jedes zehnte bis siebte Opfer, also 10 – 14 Prozent, war jüdischer Religion oder hatte eine jüdische Abstammung. Bei einem jüdischen Bevölkerungsanteil in den USA von 1,7 bis 2,6 Prozent und von sechs Prozent in New York heisst das: Jüdische Menschen waren unter den Opfern dieser Anschläge nicht unter-, sondern überrepräsentiert.
Antisemiten in der arabischen Welt können mit dieser Verschwörungstheorie nicht nur ihren Feind als Sündenbock darstellen, sondern zugleich auch das eigene Lager von der Involvierung in dieses Verbrechen entlasten.
Wahrscheinlicher ist im Übrigen, dass der Mossad die USA vor den Attentätern gewarnt hat, wie der «Spiegel» berichtete.
☛ Eine ganz andere Dimension zeigt die Verschwörungstheorie, die der ehemalige FDP-Spitzenpolitiker Jürgen Möllemann in die Welt gesetzt hat. Er behauptete, dass der Mossad seinen Parteichef Guido Westerwelle erpresst habe, damit dieser ihn politisch kaltstelle und damit verhindere, dass er deutscher Aussenminister werde. An der Geschichte ist nichts dran. Sie zeigt aber, wie jemand sich mit einer Verschwörungstheorie eine Niederlage zurecht reden kann. Ausserdem verleiht es Bedeutung, wenn man sich zurecht fantasiert, dass der Mossad sich um einen «kümmert». Diese «Selbstaufwertung» ist ein Gewinn, den Verschwörungstheoretiker oft aus ihren Konstrukten ziehen.
☛ Zum Unfalltod des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider werden ebenfalls Verschwörungstheorien kolportiert, wonach der Mossad darin verwickelt sein soll. Der betrunkene und allein fahrende Haider starb in der Nacht zum 11. Oktober 2008 gegen ein Uhr nachts bei einem Verkehrsunfall mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Hier sind es seine Anhängerinnen und Anhänger, die diese «banale» Todesursache nicht akzeptieren können und in Verschwörungstheorien ausweichen. Dabei spielt der Verhältnismässigkeits-Fehlschluss (Proportionality Bias) eine Rolle: «Grosse Ereignisse» – zum Beispiel der Tod eines Prominenten – müssen demnach auch grosse Ursachen haben.
☛ Schon während der ersten Monate der Corona-Krise stand Israel als jüdischer Staat im Fokus. In verschiedenen Foren, Posts in sozialen Medien und verbreiteten Artikeln wurde behauptet, das Virus sei in Israel gezüchtet worden, der Mossad habe es gezielt eingesetzt und israelische Pharmakonzerne würden aus der Krise massiv Profit ziehen. Auf Twitter zirkulierten Hashtags wie #jewishvirus oder #Mossaddidthis.
Diese Corona-bezogenen Verschwörungstheorien tauchen verstärkt im arabischen Raum auf und im Iran. Sie zirkulieren aber auch in anderen Ländern.
Fazit: Diese Beispiele könnten um ein Vielfaches erweitert werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit Geheimdiensten wie dem Mossad ist nicht nur begrüssenswert, sondern notwendig. Die reflexartige Aktivierung von Feindbildern im Rahmen von Verschwörungstheorien ist aber keine kritische Auseinandersetzung. Damit werden nur Stereotype, Vorurteile und Ressentiments bedient. Auf den Mossad bezogen oft antisemitische Stereotype, Vorurteile und Ressentiments.
Zum geschichtlichen Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Antisemitismus siehe auch:
Antisemitismus und Verschwörungstheorien
Quellen:
Beitrag «Mossad» auf Wikipedia.
ANSCHLAG AUF WORLD TRADE CENTER: Die grotesken Verschwörungstheorien zu „9/11“ (WELT online)
Antisemitische Verschwörungstheorien, von Juliane Wetzel (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit)
Möllemann und der Mossad (n-tv)
Mal wieder die Juden (Göttinger Institut für Demokratieforschung)
9/11-Anschläge: USA sollen Mossad-Warnungen ignoriert haben (Spiegel online)