Verschwörungstheorien basieren auf einem mechanistischen Menschen- und Weltbild. Die mechanistischen Vorstellungen der Verschwörungstheoretiker hat der Amerikanist Prof. Michael Butter folgendermassen auf den Punkt gebracht:
«Verschwörungstheoretiker sehen die Welt mechanistisch – also auf Ursache und Effekt ausgelegt. Diese Vorstellung passt nicht ins 20. oder gar 21. Jahrhundert. Sie passt aber ganz wunderbar ins 18. Jahrhundert, also ins Zeitalter der Aufklärung. Verschwörungstheoretiker vertreten somit ein romantisches Welt- und Menschenbild. Im Grunde wollen sie den Glauben an das selbstbestimmte Individuum bewahren. Im 20. und 21. Jahrhundert kam die Erkenntnis, dass der Mensch Gesellschaft und Geschichte nur bedingt kontrollieren kann. Das hat zur Dekonstruktion des Subjekts geführt. Verschwörungstheoretiker waren mit ihrem Weltbild einmal auf der Höhe ihrer Zeit. Sie sind es aber schon lange nicht mehr.» (Michael Butter)
Quelle: Was Verschwörungstheorien von Religionen unterscheidet (ref.ch)
Verschwörungstheoretiker halten Geschichte für planbar
Michael Butter schreibt in seinem Buch «Nichts ist, wie es scheint», dass Verschwörungstheoretiker die Geschichte oft als eine Abfolge von Komplotten einer oder verschiedener Gruppen auffassen und somit die Welt radikal anders sehen als die Psychologie, die Soziologie oder die Politikwissenschaft. Das Menschen- und Weltbild dieser modernen Sozialwissenschaften hat längst gezeigt, dass komplexe soziale Systeme ein Eigenleben führen und Effekte generieren, die niemand intendiert hat.
Damit Verschwörungstheoretiker trotz zahlreicher Gegenbeispiele daran festhalten können, dass geschichtliche, politisch und ökonomische Prozesse sich mechanistisch durch eine Einzelperson oder eine Gruppe von Verschwörern planen, im Griff behalten und wie vorgesehen umsetzen lassen, müssen sie eine ganze Reihe von Einflüssen ausblenden: Dummheit, Unfähigkeit, Zufälle, Irrtum und Verrat dürfen nicht vorkommen. Sie würden die Pläne der Verschwörer gehörig durcheinanderschütteln.
Gründe, weshalb Geschichte nicht mechanistisch planbar ist, sind in diesem Beitrag zusammengefasst:
Geschichtskompetenz (historical literacy) zur Vorbeugung gegen Verschwörungstheorien
Michael Butter spricht im oben aufgeführten Zitat auch das romantische Welt- und Menschenbild der Verschwörungstheoretiker an. Zu diesem Thema gibt es hier einen Beitrag in der Enzyklopädie:
Romantik und Verschwörungsglauben