Mit McCarthyismus wird eine antikommunistische Verschwörungstheorie der Nachkriegszeit in den USA bezeichnet. Der Ausdruck geht zurück auf Joseph McCarthy, der von 1946 bis 1957 Senator von Wisconsin war. McCarthy witterte überall in den USA kommunistische Umtriebe durch Kräfte, die von Moskau gesteuert seien. Sein Verdacht richtete sich insbesondere gegen Hollywood, gegen Regierungsbeamte und gegen Angehörige der Armee.
Was begünstigte den McCarthyismus?
Der McCarthyismus entwickelte sich nicht im luftleeren Raum, sondern auf dem Hintergrund von mehreren begünstigenden politischen und militärischen Einflüssen.
Nach der kommunistischen Machtübernahme in Russland im Jahr 1917 entwickelten sich in den USA starke, vor allem konservative politische Kräfte, die sich dem Kommunismus entgegenstemmten.
Ein sowjetisches Spionagenetz, das auch in Institutionen der Regierung aktiv war, entstand schon in den 1920er Jahren. Die amerikanischen Geheimdiensten deckten es allerdings in den 1940er Jahren grösstenteils auf. In diesem Zusammenhang wurde das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg als Spione entlarvt und 1951 zum Tode verurteilt. Sie hatten das Geheimnis der Atombombe an die Sowjetunion verraten. Fälle wie dieser, die in Filmen, Comics und weiteren populären Medien verarbeitet wurden, verstärkten die nicht unbegründete Furcht vor dem Kommunismus in der Bevölkerung.
Das geschah alles auf dem Hintergrund des Kalten Krieges zwischen den ehemals verbündeten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs – der Sowjetunion auf der einen Seiten, und der von den USA angeführten Koalition der westlichen Staaten auf der anderen Seite. Spionage und Propaganda bildeten einen wesentlichen Teil dieser Auseinandersetzung, die in den 1950er Jahren ihrem Höhepunkt erreichte. Die Furcht vor den Kommunisten ging als Red Scare (deutsch: Rote Angst) in die US-amerikanische Geschichte ein.
Die Besorgnis in Politik und Bevölkerung wurde zusätzlich angefacht durch Erfolge des ideologischen Gegners. Dazu gehörte der erste erfolgreiche sowjetische Atomwaffentest in Jahr 1949, der kommunistische Sieg in China im selben Jahr und militärische Erfolge der «Roten» in Korea. In diesem politischen Klima begann die Kommunistenjagd.
Der gesamte Zeitraum der Verfolgung echter oder vermeintlicher Kommunisten und deren Sympathisanten von 1947 bis etwa 1956 wird heute als McCarthy-Ära bezeichnet, obwohl der namensgebende Senator Joseph McCarthy nur von 1950 bis 1955 öffentlich in Erscheinung trat. Davon abgeleitet ist auch die Bezeichnung McCarthyismus.
Was geschah im McCarthyismus?
Charakteristisch für die McCarthy-Ära waren Vorladungen und Verhöre politisch Verdächtiger vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Bedeutend war das Komitee für unamerikanische Umtriebe (House Committee on Un-American Activities, HCUA) des Repräsentantenhauses, in dem sich unter anderen der spätere US-Präsident Richard Nixon hervortat.
Ein weiterer Untersuchungsausschuss war das 1952 gegründete Permanent Subcommittee on Investigations des Senats (Ständiger Unterausschuss für Untersuchungen), dem Joseph McCarthy vorstand. Dieser war schon 1950 erfolgreich gewesen mit einer Verschwörungstheorie über angebliche Unterwanderungen von Regierungsbehörden durch Kommunisten. Er behauptete, er sei im Besitz einer Liste mit 205 Namen von gegenwärtigen oder ehemaligen Mitgliedern der Kommunistischen Partei, die mit vollem Wissen des Aussenministers im State Departement beschäftigt seien. Die erwähnte Liste existierte nicht.
Beide Ausschüsse kooperierten eng mit dem von J. Edgar Hoover geleiteten FBI. Staatsbedienstete wurden ebenso auf ihre Gesinnung überprüft wie Personen des öffentlichen Interesses, Künstler und Wissenschaftler. Beispiele von bekannten betroffenen Personen sind im Wikipedia-Artikel zur McCarthy-Ära zu finden.
Das Vorgehen McCarthys und des HUAC fand bei einem grossen Teil der amerikanischen Bevölkerung breite Zustimmung. Dazu trugen bei, eine weite Verbreitung von Verschwörungsdenken, von unkritischem Antikommunismus und von Intoleranz gegenüber abweichendem Denken und Verhalten vor allem in ländlichen und kleinstädtischen Schichten des Mittleren Westens. Da sich die Verhöre hauptsächlich gegen Intellektuelle, hochgestellte Regierungsbeamte und andere Privilegierte richteten, könnten auch Ressentiments der Mittelklassegesellschaft mitgespielt haben.
McCarthys Macht bröckelte ab 1954, als er anfing, hochrangige Mitglieder der United States Army vorzuladen und kommunistischer Sympathien zu bezichtigen. Als Reaktion darauf erhob die Armee Gegenanklagen gegen seinen Berater Cohn. Gleichzeitig attackierte am 9. März 1954 der US-amerikanische Journalist Edward R. Murrow im Fernseh-Politmagazin «See It Now» McCarthys Methoden scharf. Murrow verwendete McCarthys eigene Reden und Aussagen, um ihn zu kritisieren, Widersprüche aufzuzeigen und die Gefahr für die Demokratie darzustellen, die von diesem Senator ausging. Die Sendung stiess auf grosses Echo und führte zu einem zunehmenden Popularitätsverlust McCarthys.
Eine Rüge des Senats hatte seine Entmachtung zur Folge. 1955 musste er seinen Vorsitz im Committee on Government Operations abgeben und verschwand in der politischen Bedeutungslosigkeit.
Folgen des McCarthyismus
Die Befragungen der Verdächtigen vor den Ausschüssen waren durch Diffamierung und Einschüchterung geprägt. Wer die Aussage verweigerte, machte sich verdächtig. Wer andere denunzierte, konnte mildere Beurteilung erlangen. Schwarze Listen mit Namen von Verdächtigen aus der Kultur- und Medienszene zirkulierten.
Die Vorladungen im Kontext des McCarthyismus führten zu Hunderten von Entlassungen, öffentlichen Diffamierungen und bei Kulturschaffenden zu Berufsverboten, die oft nur begründet waren mit dem Verweigern der Aussage. Unter Regierungsangestellten, Intellektuellen und Künstlern entstand in dieser Zeit eine Atmosphäre, die von Angst und Verunsicherung geprägt war. Zehntausende wurden in dieser Zeit befragt. Zahlreiche Personen verliessen die USA.
Dass es umfassende Versuche kommunistischer Einflussnahme gab, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Verschwörungstheorie beginnt erst da, wo ein völlig unrealistischer Umfang des Komplotts unterstellt wird und die Verdächtigungen grenzenlos und ohne Faktenbasis herumschwappen. Das führt zur pauschalisierenden Annahme, jeder Sympathisant des Kommunismus arbeite auch automatisch für Moskau.
Der Kalte Krieg mit seiner klaren Konfrontation der Blöcke, fehlenden Kommunikationskanälen zwischen Ost und West sowie ausgeprägten Feindbildern auf beiden Seiten des «Eisernen Vorgangs» bot günstige Voraussetzungen für die wirksame verschwörungstheoretische Propaganda des McCarthyismus.
Quellen:
Ketzer, Chemtrails und Corona, von Ingo Grabowsky, HEEL Verlag 2020
Beitrag zur McCarthy-Ära auf Wikipedia.