Die Verschwörungstheorie vom «Hooton-Plan» geht zurück auf den US-amerikanischen Paläoanthropologen und Hochschullehrer Earnest Albert Hooton (1887 – 1954), der sich vor allem mit der Rassentheorie befasste.
Als Vertreter einer Rassenlehre und Anhänger der Eugenik verfasste er 1943 während des Zweiten Weltkriegs einen propagandistischen Aufsatz für das PM Daily. Darin sprach er sich für die Ansiedlung nicht-deutscher Bevölkerung in Deutschland aus, um „den deutschen Nationalismus und die aggressive Ideologie zu zerstören“. Insbesondere schlug er aber vor, nach dem Krieg deutsche Soldaten in den kriegszerstörten Gebieten zur Zwangsarbeit für den Wiederaufbau einzusetzen. Als Eugeniker wollte Hooton mit diesen Massnahmen die für ihn biologisch begründeten und angeborenen räuberischen Neigungen der Deutschen durch Kreuzung mit Vertretern anderer Völker wegzüchten.
Der Hooton-Plan wurde nie umgesetzt
Der Vorschlag Hootons wurde außerhalb des PM-Daily-Artikels nie wieder aufgegriffen. Es handelt sich deshalb dabei um eine isolierte Ansicht, die auch zu keiner Zeit Bestandteil der US-amerikanischen Nachkriegsplanung für Deutschland war.
Im heutigen Rechtsextremismus werden Hootons Ideen aber als sogenannter „Hooton-Plan“ diskutiert. Zusammen mit ähnlichen Gedankenspielen behaupten Rechtsextreme, dass es sich beim «Hooton-Plan» um ein tatsächlich im Geheimen umgesetzte Idee handle, mit der die biologische Vernichtung der Deutschen durch Massenzuwanderung erreicht werden solle. Anspielungen auf den «Hooton-Plan» gab es beispielsweise aus Kreisen der NPD und der AfD. In Zuge der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 wurde in den Sozialen Medien der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, sie setze den «Hooton-Plan» um. Der Präsident des AfD-Landesschiedsgerichts Sachsen-Anhalt, Peter Günther, schrieb beispielsweise über Merkel, sie sei Jüdin und wolle den Hooton-Plan durchsetzen, also die deutsche Bevölkerung gegen Ausländer austauschen.
Dass diese Verschwörungstheorie mit Ursprung USA gut zum Antiamerikanismus rechtsextremer Kreise passt, liegt auf der Hand.
Sie lässt sich auch interpretieren als Vorläuferin der ähnlich gelagerten, aktuellen Verschwörungstheorien vom «Grossen Austausch» bzw. von «Umvolkung» oder «White Replacement».
Komplexitätsreduktion und Ablenkung von realen Problemen
Verschwörungstheorien vom Typ Grosser Austausch / Umvolkung / Hooton-Plan inszenieren eine radikale Komplexitätsreduktion. Macht man sie sich zu eigen, muss man sich nicht mehr mit den schwierigen politischen und ökonomischen Einflüssen auseinandersetzen, die der weltweiten Migration zugrunde liegen. Personalisierung schafft klare Sündenböcke (Merkel! Soros!). Und die Unterstellung eines geheimen Plans befeuert zwar Empörung, spiegelt aber immerhin Klarheit darüber vor, was da läuft…
Die weltweiten Migrationsbewegungen sind ein Problem, auch für die Zielländer. Verschwörungstheorien und die damit verbundenen Personalisierungen und Kompexitätsreduktionen tragen aber gar nichts zur Bewältigung bei. Siehe dazu:
Ablenkung durch Verschwörungstheorien statt Lösung realer Probleme
Der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev erteilt der ideologischen Aufladung der Migration in einem Spiegel-Interview eine kompakte Abfuhr:
«Migration ist in unserem Jahrhundert die neue Revolution, nicht ideologisch, sondern von Google Maps geleitet: Wenn du dein Leben ändern willst, ist nicht das Klügste, deine Regierung zu ändern, sondern das Land, in dem du wohnst.»
Das ist natürlich auch reduziert, aber das Interview als Ganzes ist lesenswert. Von Iwan Krastev ist immer mal wieder Interessantes zu lesen.
Quellen:
Sachsen-Anhalt: AfD-Funktionär verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien (Spiegel)
Beitrag zu «Earnest Hooton» auf Wikipedia.
Flüchtlingspolitik in Europa: „Migration ist die neue Revolution“ (Spiegel)
Anmerkung:
Die Geschichte vom „Hooton-Plan“ zeigt, wie aus dem Hirngespinnst eines Einzelnen eine Verschwörungstheorie gebastelt werden kann, die vor allem von Rechtsextremen bewirtschaftet wird.