Die Holocaustleugnung ist eine besondere Form von Verschwörungsideologie. Hier wird nicht etwas erfunden, das gar nicht passiert ist, wie zum Beispiel bei der Verschwörung der «Weisen von Zion». Stattdessen wird etwas abgestritten, das tatsächlich stattgefunden hat – der Holocaust. Und wie bei anderen Verschwörungstheorien wird auch hinter der Holocaustleugnung ein versteckter Plan angenommen.
Mit den Begriffen „Holocaust“ und „Shoah“ wird ein spezifisches Ereignis in der Geschichte des 20. Jahrhunderts bezeichnet: die staatlich organisierte systematische Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden durch NS-Deutschland und seine Kollaborateure in den Jahren zwischen 1933 und 1945. Die Verfolgungsmassnahmen und Morde erreichten ihren Höhepunkt im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Der Völkermord fand im Zusammenhang mit der von Nationalsozialisten durchgeführten Verfolgung und Ermordung von Angehörigen anderer Gruppen wie dem Völkermord an den Roma und Sinti statt.
Der Begriff „Holocaust“ wird von manchen Organisationen in einem sehr weiten Sinne verwendet, so dass er alle Opfer der NS-Verfolgung umfasst. Die meisten Historikerinnen und Historiker verwenden jedoch eine genauere Definition. Diese berücksichtigt, dass Jüdinnen und Juden in einer Weise verfolgt und ermordet wurden, die ihr Schicksal von dem anderer NS-Opfer unterscheidet, mit der möglichen Ausnahme von Sinti und Roma (einer Opfergruppe, deren Mitglieder von Säuglingen bis hin zu älteren Menschen zur Vernichtung bestimmt waren).
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff „Holocaust“ für viele Menschen problematisch ist. Das Kompositum aus zwei griechischen Wörtern (holókaustos „vollständig verbrannt“) suggeriert, es ginge um die Darbringung eines Opfers durch Verbrennung. Der Begriff kann so fälschlicherweise implizieren, dass der Massenmord an den Jüdinnen und Juden eine Form des Märtyrertums und nicht das Resultat eines Völkermords war. Aus diesem Grund ziehen es viele Menschen insbesondere im Judentum und in Israel vor, das hebräische Wort „Shoah“ zu verwenden, das übersetzt „Katastrophe“ oder „das große Unglück/Unheil“ bedeutet.
Der Holocaust kostete 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Jüdinnen und Juden das Leben. Der systematische Vernichtungsprozess begann mit Massenerschiessungen durch SS-Einsatzgruppen und Polizeieinheiten im Verlauf der Feldzüge gegen Polen und die Sowjetunion. Er setzte sich ab 1942 fort in eigens dazu eingerichteten Vernichtungslagern (Auschwitz-Birkenau, Majdanek, Belzec, Sobibor, Treblinka), in denen systematische Vergasungen durch Benzinmotorabgase oder Zyklon B (Blausäuregas) zur Anwendung kamen. Mehr als drei Millionen Menschen wurden durch Giftgas ermordet; ein Drittel von ihnen durch Zyklon B, die meisten durch Motorabgase. Die Rolle der Einsatzgruppen und Polizeibataillone wird jedoch oft unterschätzt. Sie erschossen insgesamt mindestens 1,3 Millionen Jüdinnen und Juden, darunter auch Kinder.
Die vom Nationalsozialismus propagierte Verschwörungstheorie von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung und Pamphlete wie die fiktiven «Protokolle der Weisen von Zion» bereiteten das Terrain vor für den Holocaust.
Holocaustleugnung als Form des Geschichtsrevisionismus
Neonazis bestreiten das Ausmass und sogar die Existenz dieser Verbrechen. Sie reden von einer «Auschwitzlüge» und beschuldigen die Juden, durch die Verbreitung dieser «Lüge» materielle und politische Vorteile erlangen zu wollen. Darin zeigt sich die im Kontext von Verschwörungstheorien oft vorkommende Täter-Opfer-Umkehrung.
Holocaustleugnung ist allerdings nicht nur ein „Geschäft“ von Rechtsextremen. Sie verbreitet sich auch in islamischen Ländern. Ein bekanntes Beispiel ist der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der Ende des Jahres 2005 mehrmals öffentlich behauptete, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe. Er sprach wörtlich von einem „Märchen“ und einem „Mythos“, erfunden von der „zionistischen Propagandamaschine“ und verbreitet, um die „Besetzung Jerusalems“ und die Unterdrückung der Palästinenser zu legitimieren.
Die Holocaustleugnung ist nicht der einzige Punkt, an dem sich rechtsextreme und islamistische Ideologien treffen.
Die Holocaustleugnung ist eine besonders infame Form des Geschichtsrevisionismus. Es handelt sich dabei um den Versuch, anerkannte historische Ereignisse aus ideologischen Gründen umzudeuten, zu relativieren oder gar zu leugnen. Das geschieht im Rahmen der Holocaustleugnung in verschiedener Form:
So wird zum Beispiel in pseudowissenschaftlichen Arbeiten die Machbarkeit des Holocaust als organisierter Massenmord geleugnet oder dessen Ausmass verharmlost. Es werden einzelne Aspekte wie die Existenz von Krematorien bestritten. Der Holocaust wird als einzigartiges Ereignis der Geschichte in Frage gestellt und beispielsweise das Leid im Vernichtungslager Auschwitz mit dem in Kriegsgefangenenlagern aufgewogen. Manchmal wird auch entlastend hinzugefügt, im Krieg seien auf allen Seiten Grausamkeiten geschehen. Ihre stärkste antisemitische Zuspitzung bekommt die Holocaustleugnung in Behauptungen, die Juden hätten einen „Volkszorn“ provoziert, sie würden in der Nachkriegszeit Profit aus der Shoah ziehen wollen, oder – esoterisch formuliert – der Holocaust sei das Karma des jüdischen Volkes. Umfassend ausformulierte Verschwörungsszenarien finden sich zum Beispiel in der Behauptung, der Holocaust sei inszeniert worden, um die Deutschen zu stigmatisieren.
Holocaustleugnung basiert auf Ideologie, nicht auf Fakten
Die Realität des Holocaust ist historisch zweifelsfrei belegt. Es gibt dazu unzählige Zeugenaussagen, Protokolle und andere Fakten. Die Holocaustleugnung gründet daher in den Köpfen der Holocaustleugnerinnen und Holocaustleugner – oder genauer in deren rechtsextremer Ideologie, nicht aber in der Wirklichkeit.
An dieser Stelle kann nur auf einen kleinen Ausschnitt aus der Fülle der Belege hingewiesen werden:
☛ Die Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem hat eindrückliche «Letzte Briefe aus dem Holocaust: 1941 – 1942» veröffentlicht.
☛ Vielfältige Fotos und Texte auch in deutscher Sprache sind zu finden auf der Website des «United States Holocaust Memorial Museum».
☛ Hier gibt es eine umfangreiche «Chronologie des Holocaust».
☛ Das FRITZ BAUER INSTITUT hat Tonbandmitschnitte aus dem Auschwitz-Prozess (1963 – 1965) online gestellt. Zu hören sind Aussagen von Häftlingen, die der Hölle des grössten NS-Vernichtungslagers entkommen sind, aber auch von Anwälten, Angeklagten und von solchen Zeugen, die nicht als Häftlinge, sondern als SS-Schergen nach Auschwitz kamen. Das FRITZ BAUER INSTITUT dokumentiert Geschichte und Wirkung des Holocaust. Fritz Bauer war als Generalstaatsanwalt in Frankfurt der maßgebliche Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses.
☛ Auschwitz-Prozess-Tonmitschnitte auf YouTube (363 Videos).
☛ Der renommierte Historiker Timothy Snyder hat ein sehr informatives, lesenswertes Buch zum Holocaust geschrieben: «BLACK EARTH – Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann» (Fischer Taschenbuch 2017). Timothy Snyder schlägt aber auch eine Brücke in die Gegenwart und schreibt dazu:
«Unsere Welt verändert sich gerade auf einer Weise, die Ängste wiederaufleben lässt, die zu Hitlers Zeit vertraut waren und auf die Hitler eine Antwort gab. Die Geschichte des Holocaust ist nicht vorbei. Er ist ein Präzedenzfall, der ewig währt, und seine Lektionen haben wir noch nicht gelernt……..
Eine Geschichte des Holocaust muss gegenwärtig sein, sie muss uns erfahren lassen, was aus der Zeit Hitlers in unseren Köpfen und Leben geblieben ist. Hitlers Weltanschauung führte nicht als solche zum Holocaust, aber ihre verborgene Kohärenz erzeugte neue Formen zerstörerischer Politik und erbrachte neue Erkenntnisse über die menschliche Fähigkeit zum Massenmord. Die Kombination aus Ideologie und Umständen, wie sie im Jahr 1941 bestand, wird sich exakt so nicht wiederholen, aber etwas Ähnliches könnte durchaus geschehen. Zu dem Bemühen, die Vergangenheit zu verstehen, gehört deshalb das Bemühen, uns selbst zu begreifen. Der Holocaust ist nicht nur Geschichte, sondern Warnung……
Vielleicht stellen wir uns auch vor, inmitten irgendeiner künftigen Katastrophe würden wir auf Seiten der Retter sein. Doch wenn Staaten zerstört, lokale Institutionen korrumpiert und Marktanreize auf Mord ausgerichtet wären, würden sich nur wenige von uns anständig verhalten. Wir haben wenig Grund zu der Annahme, dass wir den Europäern der 1930er und 1940er Jahre moralisch überlegen oder weniger anfällig für Ideologien sind, wie Hitler sie so erfolgreich propagierte und umsetzte. Wenn es uns ernst damit ist, es den Rettern gleich zu tun, sollten wir rechtzeitig für Strukturen sorgen, die ein solches Handeln wahrscheinlicher machen. Rettung in diesem weit gefassten Sinn verlangt demnach, dass wir die Vorstellungen sehr genau analysieren und begreifen, die der konventionellen Politik den Kampf ansagten und den Weg freimachen für ein beispielloses Verbrechen.» (Seiten 12/13/342)
Geschichtsrevisionismus unterwandert den Wahrheitsbegriff
Holocaustleugnung als extreme Form des Geschichtsrevisionismus verhöhnt die Opfer der Shoah. Sie zersetzt aber auch den Wahrheitsbegriff. Darauf hat der Historiker Richard J. Evans in seinem Buch «Das Dritte Reich und seine Verschwörungstheorien» aufmerksam gemacht. Er betont, es könne über ein und denselben Gegenstand keine unterschiedlichen, gegensätzlichen wahren Feststellungen geben. Es gebe nur eine Wahrheit, auch wenn sie manchmal schwer zu finden sei:
«Zu den beunruhigendsten Aspekten einiger Verschwörungstheorien gehört der offensichtliche Glaube, dass es im Grunde keine Rolle spielt, ob sie wahr sind oder nicht. Aber es spielt eine Rolle. Herauszufinden, was in der Geschichte wirklich geschehen ist, ist schwierig: Es erfordert viel harte Arbeit, wie die genaue Untersuchung von Belegen; es setzt die Bereitschaft voraus, seine Meinung zu ändern und seine Vorurteile und vorgefassten Ansichten aufzugeben, wenn die Belege gegen sie sprechen. Und diese Arbeit ist selbst in einer Zeit wie der heutigen möglich, in der, durch das Internet gefördert, jeder seine Ansichten in der Öffentlichkeit verbreiten kann, wie bizarr sie auch sein mögen. Die sozialen Medien sind endlich auf dieses Problem aufmerksam geworden, aber letztlich ist es nicht mehr möglich, Falschheit durch Zensur zu bekämpfen, selbst wenn wir es wünschten; der einzige Weg, nachzuweisen, was wahr und was falsch ist, ist und bleibt sorgfältige, akribische Arbeit.»
Quellen:
Beitrag zum Thema «Holocaust» auf Wikipedia.
Wolfgang Wippermann: Agenten des Bösen, be.bra Verlag 2007
Demaskiert – Kurzinformation zu Verschwörungstheorien (Broschüre Kreis Recklinghausen)
Empfehlungen für das Lehren und Lernen über den Holocaust
(IHRA-Handbuch, erinnern.at)
Beitrag zum Thema «Holocaustleugnung» auf Wikipedia.
Timothy Snyder: «BLACK EARTH – Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann» (Fischer Taschenbuch 2017)
Ausserdem:
Sowohl der Holocaust als auch die Holocaustleugnung hängen eng zusammen mit Antisemitismus und antisemitischen Verschwörungstheorien. Einen Überblick zur Geschichte des Antisemitismus gibt’s hier:
Antisemitismus und Verschwörungstheorien