Hanlon’s Rasiermesser bezeichnet ein Sprichwort, das für den Umgang mit Verschwörungstheorien sehr wichtig ist. Es sagt etwas aus über den wahrscheinlichsten Grund menschlichen Fehlverhaltens:
„Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“
(englisch: Never attribute to malice that which can be adequately explained by stupidity). Oder kürzer gefasst: „Geh nicht von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit genügt“ (englisch: Never assume malice when stupidity will suffice).
Dieser Grundsatz ist bedenkenswert in vielen privaten und politischen Situationen. Man könnte ihn auch etwas erweitert formulieren:
«Geh nicht von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit, Schlamperei, Inkompetenz, Fehleinschätzung oder Irrtum zur Erklärung ausreichen.»
Kurzvariante von Hanlon’s Rasiermesser: Pfusch statt Verschwörung
Hanlon’s Rasiermesser (engl. Hanlon’s Razor) eignet sich in vielen Situationen dazu, Verschwörungstheorien zurückzuweisen. In diesem Sinne sagte zum Beispiel Sir Bernard Ingham, Pressesprecher von Margaret Thatcher:
“Many journalists have fallen for the conspiracy theory of government. I do assure you that they would produce more accurate work if they adhered to the cock-up theory.”
„Viele Journalisten fallen auf die Theorie herein, hinter der Regierung stehe eine Verschwörung. Ich versichere Ihnen, dass sie bessere Arbeit ablieferten, wenn sie stattdessen von Pfusch ausgingen.“
Ingham prägte mit dieser Aussage die lakonische Variante von Hanlon’s Rasiermesser: Cock-up before conspiracy („Pfusch statt Verschwörung“).
Woher der Begriff Hanlon’s Razor / Hanlon’s Rasiermesser ursprünglich stammt, ist nicht eindeutig geklärt.
Quelle: Wikipedia
Der Begriff «Rasiermesser» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass etwas Überflüssiges weggeschnitten wird: Die jeweils einfachste passende Erklärung ist vorzuziehen. Dadurch fällt Böswilligkeit als Erklärung weg.
Das schliesst nicht aus, dass auch Böswilligkeit vorkommen kann.
Aber Menschen neigen offensichtlich dazu, in Ereignissen eine Intention, eine Absicht zu sehen, auch wenn sie nicht vorhanden ist. Dass hinter privaten, gesellschaftlichen oder kosmischen Ereignissen auf uns gerichtete gute oder böse Absichten stecken, macht sie offenbar verstehbarer und greifbarer. Selbst böse Absichten scheinen manchmal leichter auszuhalten als die Vorstellung, dass solche Ereignisse oder der Kosmos insgesamt uns gegenüber neutral sind.
Ohnmachtsreduktion
Wird das Gewitter durch den erzürnten Gewittergott ausgelöst, dann kann man diesen besänftigen, zum Beispiel mit Opfergaben. Man kann mit ihm vielleicht verhandeln. Am Gewitter wird das zwar nach den modernen Kenntnissen nichts ändern, aber es holt die Menschen gefühlt aus der Ohnmacht heraus.
Der Philosoph Bertrand Russel (1872 – 1970) schreibt dazu passend:
«Es fällt uns schwer, einzusehen, dass der Welt unsere Hoffnungen und Befürchtungen gleichgültig sind. Wir können sie uns gütig vorstellen oder wir können sie uns feindlich denken; doch fast zu allen Zeiten haben es die Menschen für so gut wie unmöglich gehalten, sich vorzustellen, dass die Welt sich nicht darum kümmert, ob unsere Wünsche erfüllt oder vereitelt werden.»
(Moral und Politik, Frankfurt 1988, S. 166)
Verschwörungsgläubige neigen stark dazu, böswillige Absichten anzunehmen.
Es wäre aber sehr sinnvoll anzuerkennen, dass Inkompetenz und Dummheit häufiger vorkommen als Verschwörung und Manipulation.
Ein Beispiel dafür sind die Anschläge von 9/11 in den USA. Will man hier über eine allfällige Mitverantwortung der US-Regierung diskutieren, ist es sehr viel plausibler, von Pannen und Fehleinschätzungen auszugehen, als von Böswilligkeit und Absicht.