Die Französische Revolution wirkte als Urgrund für viele moderne Verschwörungstheorien. Sie kamen verstärkt während bzw. nach der Französischen Revolution auf und gründeten auf Diskursen, die bereits Jahre vor der Revolution entstanden waren. 1797 kulminierte dieses Verschwörungsdenken in der Veröffentlichung zweier einschlägiger Bücher:
– «Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme» des Ex-Jesuiten Augustin Barruel (1741–1820) der vor der Revolution nach London geflüchtet war;
– «Proofs of a Conspiracy» des Edinburgher Professors für Naturphilosophie John Robison (1739–1805).
Beide Bücher wirkten lange nach. Sie wurden in mehrere europäische Sprachen übersetzt und in hohen Auflagen verbreitet. Während Augustin Barruel seine Verschwörungstheorien von einer katholischen Position aus formulierte, gab John Robinson den protestantischen Vorbehalten Ausdruck. So verbreiteten sich diese Verschwörungstheorien in allen Gegenden des Kontinents und in Nordamerika.
Ein ähnliches Werk wurde 1803 vom protestantischen Darmstädter Oberhofprediger Johann August Starck (1741–1816) publiziert. Auch wenn sich diese Veröffentlichungen durchaus voneinander unterschieden, teilten sie die Ansicht, dass die Französische Revolution auf eine Verschwörung von radikalen Philosophen der Aufklärung, radikalen Freimaurern und den Illuminaten zurückzuführen sei. Die Autoren unterstellte diesen Gruppierungen, dass sie nach «Gleichheit» und «Freiheit» auf der ganzen Welt streben würden.
Den drei Theoretikern Barruel, Robison und Starck, war gemeinsam, dass sie an der alten Ordnung festhalten wollten und an einen starken, absolutistischen Staat glaubten, der ihrer Meinung nach von Freimaurern und Illuminaten unterwandert war.
Augustin Barruel war überzeugt, dass die Philosophen der Aufklärung, die «Sophisten des Unglaubens und der Gottlosigkeit», die Gesellschaft und das Christentum schon lange vor dem Umsturz erschüttert hätten. Er klagte Geistesgrössen wie Voltaire, Diderot, D’Alembert und König Friedrich II. von Preussen an, die Zerstörung des Bündnisses von Thron und Altar erstrebt zu haben. Von den radikalen Philosophen sei die Verschwörung durch die beiden «Sekten» der Freimaurer und Illuminaten weitergetragen worden, die hinter den «Sophisten des Aufruhrs» und den «Sophisten der Anarchie» stünden, die «sich gegen alle Throne der Könige» vereinigt hätten. Die Anhänger der Revolution, der «Club der Jakobiner», entstand laut Barruel «Aus dieser Verbindung der Anhänger des Unglaubens, des Aufruhrs und der Anarchie..»
So kam seiner Auffassung nach die Französische Revolution als «dreifache Verschwörung gegen Altar, Thron und Gesellschaft» zustande.
Die Französische Revolution als Verschwörung gegen Altar, Thron und Gesellschaft
Autoren wie Barruel und Starck waren wortgewaltige Vertreter der Gegenaufklärung, die sich gegen die neuen Ideen und den gesellschaftlichen Wandel stellten.
Am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert war man sich weitgehend einig, dass die Illuminaten hinter der Französischen Revolution steckten. Es war dies im Grunde das erste grosse klassische Beispiel für eine Weltverschwörungstheorie, die weltweit zumindest in Europa und in den USA Wirkung entfaltet. In der Annahme darüber, weshalb die Illuminaten das taten, unterschieden sich ein französischer Jesuit, ein schottischer Moralphilosoph oder ein amerikanischer Politiker durchaus – zum Beispiel weil sie Religion hassten, weil sie andere Ziele erreichen wollten. Einig waren sie sich aber darin, dass die Illuminaten dahintersteckten.
Die Thesen von Barruel, Robison und Starck wurden je nach geschichtlichem und sozialem Hintergrund speziell von konservativen und noch mehr von rechtsextremen Gruppierungen unterschiedlich vertreten und für eigene Zwecke instrumentalisiert.
Im Verlauf des 19.Jahrhunderts gerieten dann verschiedenartige Gruppierungen in den Verdacht, durch Komplotte die politische Ordnung zerstören zu wollen. Zunächst betraf das weiterhin die Freimaurer, dann die Sozialisten und später auch die Kommunisten. Wobei die Kommunisten tatsächlich die politische Ordnung umstürzen wollten. Ihre Gegner unterstellten allerdings oft auch dort kommunistische Umtriebe, wo gar keine waren.
Ganz wie bereits bei den Verdächtigungen rund um die Französische Revolution wurde diesen Gruppierungen regelmässig unterstellt, im Geheimen zusammenzuarbeiten.
In Deutschland waren es auch die Katholiken, die ins Visier konservativer Verschwörungstheoretiker gerieten. In Frankreich mussten die Anschuldigungen spezifischer sein und richteten sich deshalb gegen die Jesuiten. Während der letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg wurden dann verstärkt die Juden zur Zielscheibe von verschwörungstheoretischen Verdächtigungen. Diese Entwicklung gipfelte im Phantasma von der „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung“ mit dem tragischen Höhepunkt in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. In der Gegenwart finden diese Konstrukte ihre Fortsetzung in der rechtextremen Verschwörungstheorie von der geplanten Unterwanderung der Gesellschaft durch muslimische Einwanderer («Grosser Austausch»), die vom jüdischen Investor George Soros gesteuert sein soll (dem Lieblingsfeind von Rechtsextremen und Rechtspopulisten).
Im Verlauf der Geschichte hat sich die Vorstellung vom ‚Staat im Staat‘ bei Verschwörungstheoretikern hin zum ‚Staat über dem Staat‘ gewandelt, zu einer Weltregierung, die alles und jeden kontrolliert. Hier knüpfen auch die neueren Vorstellungen von der «Neuen Weltordnung» (NWO) und vom «Deep State» an.
Die Ablehnung von Geheimgesellschaften wie beispielsweise der Freimaurer bzw. das Hervorheben ihres verschwörerischen Wirkens ist bis heute in Verschwörungstheorien allgegenwärtig. Dasselbe gilt ebenfalls für den «Kampf» gegen den Kosmopolitismus. In gegenwärtigen (rechten) Verschwörungstheorien werden die Kosmopoliten als «Globalists» bezeichnet.
Die Verschwörungstheorien rund um die Französische Revolution hatten also weitreichende Ausläufer. Oft wurden dabei neue Inhalte in alte verschwörungstheoretische Strukturen abgefüllt.
Quellen:
Verschwörungstheorien fallen nicht vom Himmel, von Claus Oberhauser,
Ketzer, Chemtrails und Corona, von Ingo Grabowsk, Heel Verlag 2020
Haben die Illuminaten die französische Revolution inszeniert? (SWR)
Den „dunklen Mächten“ auf der Spur (Universität Innsbruck)
Das Imperium schlägt zurück, von Helmut Reinalter, in Zeit Geschichte Nr. 3/2020
«Nichts ist wie es scheint», von Michael Butter, edition suhrkamp 2018