Die Birther-Bewegung behauptet, dass Barak Obama als Sohn eines Kenianers auch dort zur Welt kam. Weil die US-Verfassung vorschreibt, der Präsident müsse „ein in den USA geborener Bürger“ sein, halten Birther die Präsidentschaft Obamas für illegal. Die reine Behauptung, dass Obama nicht in den USA geboren sei, ist noch keine Verschwörungstheorie, sondern eine Lüge. An diese Lüge schliessen sich aber verschiedene Verschwörungstheorien an. So soll Obama beispielsweise durch eine kommunistisch-islamisch-afrikanischen Verschwörung als Ausländer ins Präsidentenamt gekommen sein. Oder es werden verschiedene Vertuschungsmanöver unterstellt, wie zum Beispiel die Fälschung der Geburtsurkunde. Ein prominenter Vertreter der Birther-Bewegung ist der Verschwörungstheoretiker Alex Jones, der mit Donald Trump in einem gegenseitigen Unterstützungsverhältnis verbunden ist.
Dokumente, die belegen, dass Obama am 4. August 1961 im US-Bundesstaat Hawaii geboren wurde, wie seine Geburtsurkunde oder eine Geburtsanzeige in der Zeitung Honolulu Advertiser vom 13./14. August 1961, lehnen die Birther als Fälschung oder Teil einer Verschwörung ab. Zum „wahren“ Geburtsort Obamas setzen sie verschiedene faktenfreie Behauptungen in die Welt. Entsprechende Anklagen vor Gericht wurden alle als unbegründet zurückgewiesen, weil die Kläger keine ausreichenden Indizien vorlegen konnten, die auf einen anderen Geburtsort Obamas hindeuteten. Trotz dieser Faktenlage halten überzeugte Birther an ihren Unterstellungen fest.
Donald Trump – das Sprachrohr der Birther-Bewegung
Langjähriges Sprachrohr der Birther-Bewegung war der nachmalige US-Präsident Donald Trump, der sich mit dieser Lügenkampagne profilieren konnte. Trump versprach mal fünf, mal 50 Millionen Dollar für einen handfesten Beweis, dass der US-Präsident wirklich in den USA geboren sei. Und dies notabene zu einem Zeitpunkt, als das Weiße Haus die Geburtsurkunde Obamas bereits veröffentlicht hatte.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt schreiben in ihrem Buch «Wie Demokratien sterben»:
«Die Unterstellung, dass Obama nicht aus Amerika stamme, tauchte das erste Mal während seines Senatswahlkampfs 2004 in der Bloggersphäre auf und kam 2008 wieder aufs Tapet. Republikanische Politiker stellten fest, dass Zweifel an Obamas Staatsbürgerschaft zu säen der einfachste Weg war, um bei öffentlichen Auftritten die Begeisterung des Publikums zu wecken. Also fuhren sie damit fort….
Mindestens 18 republikanische Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses wurden ‘Birther-Vorreiter’ genannt, da sie sich weigerten, diesen Irrglauben zurückzuweisen. Die US-Senatoren Roy Blunt, James Inhofe, Richard Selby und David Vitter, die frühere Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin und Mike Huckabee, der sich 2008 (und kurzzeitig auch 2016) um die Präsidentschaft beworben hatte, stellten sich allesamt in den Dienst der Birther-Kampagne.
Der berüchtigtste Vertreter der Kampagne war jedoch Donald Trump. Im Frühjahr 2011, als er noch über eine Präsidentschaftskandidatur nachdachte, erklärte er in der Fernsehnachrichtensendung Today, er habe ‘Zweifel’ daran, dass Präsident Obama in den Vereinigten Staaten geborener amerikanischer Staatsbürger sei. ‘Ich habe Leute, die sich intensiv damit beschäftigt haben’, fuhr er fort, ‘und sie konnten kaum glauben, was sie gefunden haben.’ Trump wurde zum prominentesten Birther und forderte Obama in Fernsehnachrichtensendungen wiederholt auf, seine Geburtsurkunde zu veröffentlichen. Als dies im Jahr 2011 geschah, verkündete Trump, es handle sich um eine Fälschung. Obwohl er sich dagegen entschied, 2012 gegen Obama als Präsidentschaftskandidat anzutreten, zog er durch seine Birther-Kampagne nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, sondern auch die Sympathien der Tea-Party-Basis der Republikaner. Nichtachtung und Intoleranz waren politisch nützlicher.
Solche Angriffe haben in Amerika eine lange und unehrenhafte Geschichte…….
Aber die Legitimität von Obamas Präsidentschaft in Frage zu stellen war aus zwei Gründen etwas anderes:
Erstens waren diese öffentlich geäusserten Zweifel nicht auf den politischen Rand begrenzt, sondern wurden von einem grossen Teil der republikanischen Wähler übernommen. Laut einer Umfrage von Fox News aus dem Jahr 2011 glaubten 37 Prozent der Republikaner, dass Präsident Obama nicht in den Vereinigten Staaten geboren war, und 63 Prozent hatten Zweifel an seiner Herkunft. In einer Umfrage von CNN/ORC erklärten 43 Prozent der befragten Republikaner, ihrer Meinung nach sei Obama Muslim. Und eine Umfrage von Newsweek ergab, dass eine Mehrheit der Republikaner der Ansicht war, dass Obama die Interessen von Muslimen über diejenigen von Angehörigen anderer Religionen stellte.
Zweitens erreichte diese Welle des Extremismus anders als ihre Vorläufer die oberen Ränge der Republikanischen Partei….
Jetzt….griffen auch führende Bundespolitiker offen Präsident Obamas (und später Hillary Clintons) Legitimität an….
Getrieben von einem politischen Rand, der keiner mehr war, hatten sich republikanische Spitzenpolitiker – unter ihnen einer, der bald Präsident werden sollte, – zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten offen von der Norm der gegenseitigen Achtung und Toleranz verabschiedet. Am Ende von Obamas Amtszeit vertraten viele Republikaner die Ansicht, dass ihre demokratischen Gegenspieler antiamerikanisch seien und eine Bedrohung für die amerikanische Lebensweise darstellten. Damit hatten sie schwankenden Boden betreten. Ein solcher Extremismus verleitet Politiker dazu, die Zurückhaltung aufzugeben. Wenn von Barack Obama, wie Senator Ted Cruz behauptete, ‘eine Gefahr für den Rechtsstaat’ ausging, war es sinnvoll, die Ernennung von ihm ausgewählten Richtern mit allen Mitteln zu verhindern.
Auf diese Weise führte die zunehmende Intoleranz zwischen den Parteien in den Obama-Jahren zur Erosion der institutionellen Zurückhaltung.»
Verschwörungstheorien zersetzten demokratische Gesellschaften
Das Beispiel der Birther-Kampagne zeigt, wie Verschwörungstheorien demokratische Gesellschaften polarisieren und dadurch zersetzen können. Levitsky und Ziblatt legen in ihrem sehr lesenswerten Buch überzeugend dar, dass auch die beste Verfassung den Fortbestand einer Demokratie nicht allein gewährleisten kann. Auch die regelmässige Durchführung von Wahlen kann es nicht. Nach Ansicht von Levitsky & Ziblatt braucht es dazu auch ganz wesentlich die Entwicklung und Pflege starker demokratischer Normen: «Alle erfolgreichen Demokratien stützen sich auf informelle Regeln, die zwar nicht in der Verfassung festgeschrieben sind, aber weithin bekannt sind und beachtet werden.» Zwei Normen halten die Autoren für das Funktionieren einer Demokratie besonders wichtig: «Gegenseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung.»
Diese Normen werden fundamental verletzt, wenn eine demagogische Kampagne wie die verschwörungstheoretische Birther-Bewegung den politischen Gegner konsequent zum Feind macht und die Gesellschaft spaltet. Das kann bis zur Gewaltanwendung führen. Inspiriert von den Verdächtigungen der Birther und nachdem er Alex Jones‘ Film The Obama Deception gesehen hatte, versuchte Oscar Ortega im November 2011 den Präsidenten zu erschießen. Das Attentat scheiterte allerdings.
Siehe zum Thema auch:
Zum Unterschied zwischen Gegnerschaft und Feindschaft
Quellen:
Trumps Unterhose brennt (Süddeutsche)
Steven Levitsky / Daniel Ziblatt: Wie Demokratien sterben, DVA Verlag 2018 (Seiten 187/188/119/120)
Durch Verschwörungstheorien inspirierte Gewaltanwendungen (Psiram)