Die Verschwörungstheorie von der angeblichen Bilderberger-Verschwörung hat ihren Ursprung in den Bilderberger-Konferenzen. Es handelt sich dabei um informelle, nicht offizielle jährliche Treffen von einflussreichen Personen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Militär, Medien, Universitäten, Geheimdiensten und dem Hochadel. Die erste der Bilderberger-Konferenzen fand im Mai 1954 im Hotel de Bilderberg in Oosterbeek in den Niederlanden statt. Eingeladen hatte Prinz Bernhard der Niederlande, dem das Hotel gehörte. Die Bilderberger-Konferenzen haben also ihren Namen vom ersten Tagungsort. Im Hintergrund dieses ersten Bilderberger-Treffens stand die Befürchtung, dass Westeuropa und Nordamerika nicht entsprechend zusammenarbeiten, wie es zur Lösung der politischen Probleme nötig gewesen wäre. Anfangs wurden nur Eliten aus den Nato-Staaten eingeladen, was sich nach 1989 änderte. Heute stehen hauptsächlich weltpolitische Themen auf der Agenda.
Als Ziel der Treffen wurde formuliert, dass über die Diskussionen eine gemeinsame Denk- und Handlungslinie herausgearbeitet werden sollte. Bis etwa in die Mitte der 1960er-Jahr waren die Konferenzen so geheim, dass kaum jemand davon wusste. Danach wurde jeweils bekannt gegeben, wo die Treffen stattfanden und wer daran teilnahm. Sie finden aber immer noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und der Inhalt der Gespräche ist vertraulich.
Durch den Geheimnis-Charakter werden die Bilderberger-Konferenzen zu einer Art von leerer Leinwand, auf die jeder und jede die eigenen Bilder werfen kann. Das fördert die Entstehung von Verschwörungstheorien.
Begründet wird die Vertraulichkeit damit, dass die Teilnehmenden dadurch freier sprechen können. Sie müssen dann nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Die Teilnehmenden dürfen nach der Konferenz zwar über die besprochenen Themen sprechen, nicht jedoch darüber, wer sich wie dazu geäußert hat.
Beim Treffen 2019 in Montreux ging es beispielsweise unter anderem um den Klimawandel, die Zukunft des Kapitalismus, den Brexit, Social Media.
Die Einladung zu den Treffen spricht der Vorsitzende in Absprache mit einem achtköpfigen Lenkungsausschuss aus.
Verschwörungstheorien rund um die Bilderberger
Den Bilderbergern wurde unterstellt, dass sie eine Weltdiktatur und eine Neue Weltordnung (NWO) anstreben. Ihnen wurden aber auch einschneidende Ereignisse nach 1945 in die Schuhe geschoben, wie zum Beispiel die Ölkrise von 1973, die deutsche Wiedervereinigung von 1990, die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA, die Einführung des Euro 2002 und den Irakkrieg von 2003. Die Bilderberger-Konferenz soll angeblich auch bei den US-Präsidentschaftswahlen im Hintergrund die Strippen ziehen.
Was spricht gegen eine Verschwörung?
Wären die Bilderberger wirklich eine illegale Weltregierung, würden sie wohl kaum den Tagungsort und die Teilnehmer-Liste veröffentlichen. Zudem wäre es ziemlich unpraktisch, jedes Jahr andere Leute einzuladen.
Die Vorstellung, dass eine kleine Gruppe die Fäden für die ganze Welt in der Hand hat und alle wesentlichen Vorgänge im Griff, ist zudem ausserordentlich unplausibel. Sie beruht auf einem mechanistischen Welt- und Menschenbild. In Wirklichkeit kann niemand die menschliche Geschichte so voll im Griff haben. Es gibt immer unzählige unvorhergesehene Einflüsse.
Schaut man sich die Liste der Teilnehmenden an, stehen darauf eine ganze Reihe von Personen, die man sich nur schwer als Mitglieder einer Weltdiktatur vorstellen kann. Aus der Schweiz beispielsweise Bundesratsmitglieder (Christoph Blocher SVP, Pascal Couchepin FDP, Doris Leuthard CVP) und Parlamentsmitglieder (Barbara Janom Steiner BDP, Rolf Schweiger FDP, Christa Markwalder FDP).
Anhänger der Bilderberger-Verschwörungstheorie verweisen gern auf Beispiele wie Angela Merkel, die nach ihrer Teilnahme an der Konferenz (5. – 8. Mai 2005) zur Bundeskanzlerin gewählt wurde (22. November 2005). Für Bilderberg-Verschwörungsgläubige liegt es nahe, dass diese Regierungsübernahme an der Konferenz vorgespurt und beschlossen wurde. Wie so oft im Kontext von Verschwörungstheorien handelt es sich dabei im Rosinenpickerei («Cherry Picking). Herausgepickt wird nur, was der eigenen Überzeugung entspricht, Widersprechendes wird weggelassen. Hier beispielsweise der Fall Peer Steinbrück – er nahm 2011 teil, scheiterte aber 2013 mit seiner Kandidatur zum Bundeskanzler.
Schwer vorstellbar ist auch, dass sich eine weltweite Elite auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigt. Zwar mag es an manchen Punkten gemeinsame Interessen geben, zum Beispiel keine oder tiefe Steuern. In den Details würden aber mit Sicherheit Interessenskonflikte aufkommen – zum Beispiel zwischen verschiedenen Wirtschaftsbranchen und Weltregionen.
Was sagen Elite-Forscher?
Michael Hartmann ist emeritierter Professor für Elite- und Organisationssoziologie an der TU Darmstadt und einer der führenden Elitenforscher Deutschlands. Er will die Geschichten rund um die Bilderberg-Konferenz nicht als völligen Humbug abtun: „Die Theorie hat einen realen Kern, das ist nicht zu vergleichen mit absurden Verschwörungstheorien wie zum Beispiel Chemtrails.“ Dennoch ordnet Hartmann die Treffen anders ein: „Entschieden wird dort gar nichts. Es wird diskutiert, wenn überhaupt, dann werden dort Entscheidungen vorbereitet. Es geht bei solchen Zusammenkünften eher darum, dass man offen miteinander sprechen kann“. Man bekomme dort ein Gefühl dafür, wie bestimme Menschen und Gruppen über wichtige Themen in der Welt denken, und ein Gespür dafür, wie die wirtschaftliche und politische Lage in einem Land ist oder die Stimmung in einem Kabinett.
Zwei Faktoren sprechen für Hartmann eindeutig dagegen, dass die „Bilderberger“ eine geheime Elitenregierung sind. Zum einen, dass beinahe ausschließlich Teilnehmer aus der westlichen Welt, also aus Europa und Nordamerika, vertreten sind. „Wenn man von einer Weltelite sprechen würde, dann müssten auch viel mehr Teilnehmer aus Asien, Afrika oder Südamerika dabei sein“, erklärt der Soziologe, und führt weiter aus: „Die große Mehrzahl der Menschen ist nur ein- oder zweimal dabei. Das spricht klar dagegen, dass dort irgendeine Form von Weltregierung herrscht. Unter den regelmäßigen Teilnehmern sind vor allem viele ehemals Mächtige, die mit der Macht heute nicht mehr viel zu tun haben.“ Die fehlende Kontinuität sieht Hartmann als entscheidenden Faktor: „Für eine globale Elite ist aus meiner Sicht so etwas wie ein gemeinsames Leben erforderlich, eine geteilte Kultur. So etwas entsteht nicht, wenn man sich einmal im Jahr bei einer Konferenz trifft.“
Der Soziologe und Politikwissenschaftler Björn Wendt forscht an der Universität schwerpunktmäßig an den Themen Eliten und Machtforschung. Er steht dem jährliche Treffen der Eliten durchaus kritisch gegenüber, glaubt jedoch nicht an eine Verschwörung: „Wenn man mich fragt, ob die Bilderberg-Konferenz eine Art Weltregierung oder ob sie nur ein unbedeutendes Diskussionsforum ist, würde ich ganz klar sagen: Das ist beides Humbug, und die Wahrheit liegt irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.“
Dass dort Komplotte geschmiedet und Entscheidungen getroffen werden, schließt Wendt aus: „Ich würde die Konferenz als eine Art vorpolitischen Raum sehen. Dort wird sicherlich auch darüber diskutiert, wie die westlichen Eliten gemeinsam auf Probleme reagieren können. Es gibt aber keine Beschlüsse und Entscheidungen.“
Es gebe keine Weltregierung, Machtstrukturen spielten bei diesen Treffen jedoch eine große Rolle. Diese Dimension werde oft deutlich unterschätzt, wenn über die Bilderberg-Treffen geschrieben werde. Wendt glaubt, dass es den Bilderberg-Konferenzen nicht gerecht wird, wenn sie lediglich als informelle Zusammenkünfte von ehemals Mächtigen gewertet werden. Wenn dort Multimilliardäre und internationale Spitzenpolitiker zusammenkommen, dann seien das natürlich extrem einflussreiche Menschen: „Es waren immer die Bosse der großen Konzerne dabei, sei es aus Erdöl-, Auto-, Flugzeug- oder Finanzindustrie. Das ist die große Geldmacht.“
Wendt hält die Konferenzen keinesfalls für harmlos, aber aus einem anderen Grund als von den Verschwörungstheoretikern behauptet: „Wenn sich einige der wichtigsten Menschen der westlichen Welt für drei, vier Tage in einem Hotel einschließen, dann entsteht zwangsläufig eine große Nähe. Dort wird deutlich, wie Macht strukturiert ist. Man sieht, welche Nähe zwischen Politik und Wirtschaft herrscht, und das finde ich durchaus problematisch.“
Insbesondere, weil sich die Treffen völlig außerhalb der Öffentlichkeit abspielen: „Es ist ein sehr privilegierter Zugang, den normale Bürger nicht haben. Dass niemals öffentlich darüber gesprochen wird, wer bei dieser Konferenz genau was gesagt hat, ist auch problematisch. Es gibt keine demokratische Kontrollinstanz dafür. Im Endeffekt ist es eine Privatisierung von öffentlichen Angelegenheiten.“
Sozialwissenschaftler Wendt glaubt jedoch trotzdem nicht an eine Verschwörung. Schliesslich habe jeder Staat eigene Interessen, „und es gibt auf internationaler Ebene deutlich weniger Konsens, als man vielleicht meinen könnte.“ Das sehe man ja auch bei EU-Gipfeltreffen.
Wer aber am die Weltregierung der Bilderberger glaubt, kann es sich einfach machen. wozu sich politisch engagieren, wenn doch alles ein abgekartetes Spiel ist. Verschwörungstheorien sind auch ein Mittel zur Ablenkung von realen Problemen.
Quellen:
«Handbuch der Verschwörungstheorien», von Helmut Reinalter (Hg.), Salier Verlag 2018.
Bilderberg – Werden wir von einer geheimen Welt-Elite regiert? (rp-online)
Verschwörungstheorien: Die Bilderberg-Konferenzen (planet-wissen)
Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Bilderberger-Konferenzen auf Wikipedia.
Website der Bilderberg-Konferenz.
☛ Siehe auch:
Eliten und Elitenkritik im Kontext von Verschwörungstheorien
☛ Bilderberg – Eine Verschwörung gegen die Menschheit? YouTube-Video von wissen2go: