Eine Portion Arroganz gehört zu fast allen Verschwörungstheorien. In unterschiedlich ausgeprägtem Mass.
Verschwörungstheoretiker*innen gehen in der Regel fraglos davon aus, dass sie die sichere Wahrheit kennen. Dazu kommt noch der Anspruch, dass sie diese Wahrheit vor allen anderen erkannt haben – jedenfalls vor den dummen «Schlafschafen».
Damit wird die Anhängerschaft in eine privilegierte Sonderposition gebracht, was zur Selbstaufwertung beiträgt. Passend dazu bezeichnen sich Verschwörungsgläubige oft als «Aufgewachte». Nur schon mit diesen Begriffen zeigt sich unverkennbar Arroganz.
Die Philosophin Dr. Ana Honnacker schreibt dazu:
«Die….Sonderposition, in der sich Verschwörungstheoretiker*innen wähnen, führt geradezu in eine Überheblichkeit, wenn nicht gar Verachtung gegenüber Wissenschaftler*innen. Diese äußert sich nicht zuletzt in der Arroganz, es besser wissen zu meinen als jene, die sich zum Teil seit Jahrzehnten mit einem Fachgebiet beschäftigen. Bei aller gebotenen Skepsis gegenüber als alternativlos und „neutral“ oder „objektiv“ verlautbarten wissenschaftlichen Erkenntnissen steht es eben nicht im persönlichen Belieben, wie gefährlich Covid-19 ist oder wie die Übertragungswege funktionieren. „Alternative Meinungen“ sind hier keine pluralistisch-liberale bürgerliche Tugend, oder gar ein Akt des zivilen Widerstands gegen einen vermeintlichen Mainstream, sondern eine völlige Selbstüberschätzung.»
Quelle:
InDebate: Das große Leugnen. Skepsis und Gewissheitssuche in Zeiten der Pandemie
Grenzenlose Arroganz
Die Arroganz in Verschwörungstheorien nimmt zum Teil absurde Züge an. Da belehrt ein Fitnesscoach in einem einstündigen Video auf YouTube die Fachleute des Robert-Koch-Instituts über epidemiologische und virologische Fragen. Er zeigt dabei keinerlei Anzeichen von Selbstzweifel oder Selbstreflexion, kein Bewusstsein über Grenzen seiner Kompetenz. Da predigt ein gelernter Milchwirt ohne jeden Skrupel über medizinisch komplexe Fragen des Immunsystems oder die angebliche «Impfverschwörung», und bestreitet die Existenz des Coronavirus.
Verschwörungstheoretiker*innen scheinen, welche Arroganz solchen Aussagen eigen ist. Hier ist wohl der Dunning-Kruger-Effekt mitbeteiligt.
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die Unfähigkeit, die eigene Kompetenz angemessen einzuschätzen. Das führt hauptsächlich bei inkompetenten Personen dazu, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten auf einem bestimmten Gebiet in der Regel stark überschätzen. Wer sich in einem bestimmten Bereich nicht auskennt, kann auch nicht wissen, was es dort alles zu wissen gäbe.
Der Dunning-Kruger-Effekt spielt immer wieder auch in Verschwörungstheorien eine zentrale Rolle.
Damit soll nicht gesagt sein, dass Laien zu medizinischen oder generell wissenschaftlichen Themen nichts sagen dürfen. Sie sollten nur die Grenzen ihres Wissens kennen.
Und natürlich sollen Laien den Expertinnen und Experten nicht einfach alles blind glauben. Aber die blinde Ablehnung von Expertenwissen ist genauso fragwürdig.
Dazu passen zwei Zitate:
«Unwissenheit erzeugt viel häufiger Selbstvertrauen als Wissen.»
Charles Darwin, britischer Naturforscher (1809 – 1882)
«Der grösste Feind des Wissens ist nicht die Unwissenheit, sondern die Illusion von Wissen.»
Daniel J. Boorstin, amerikanischer Historiker und Schriftsteller (1914 – 2004)
Interessanterweise werfen Verschwörungsgläubige oft der Wissenschaft Arroganz vor, merken aber nicht, dass ihre eigenen Aussagen davon durchdrungen sind. Während Wissenschaft von Haus aus eigentlich bescheidener daherkommt und sich der Grenzen ihrer Aussagen bewusst ist (oder jedenfalls sein sollte).