Unter dem Begriff «Feminismus» werden soziale Bewegungen zusammengefasst, die in Europa im Zeitalter der Aufklärung ihre Wurzeln haben und sich für die Rechte von Frauen und gegen ihre Benachteiligung engagieren. Dabei sind die feministischen Bewegungen von den Anfängen bis in die Gegenwart sehr vielgestaltig und heterogen. In jüngerer Zeit kamen neuere Strömungen dazu wie der Queer-Feminismus, der auch biologische Männer inkludiert, die sich als Transfrauen definieren. Einstellungen oder soziale Bewegungen, die sich gegen Feminismus stellen, gibt seit es Feminismus gibt. Auch der Antifeminismus ist sehr vielgestaltig und heterogen.
Bevor man sich in Auseinandersetzungen stürzt rund um Feminismus oder Antifeminismus, wäre es jedenfalls wichtig zu klären, was genau damit gemeint ist. Also: Von welcher Art und Variante von Feminismus oder Antifeminismus sprechen wir?
Antifeminismus als Verschwörungstheorie
Antifeminismus ist dann mit allergrösster Wahrscheinlichkeit eine Verschwörungstheorie, wenn ein geheimer Plan im Hintergrund vermutet wird.
So gehen viele antifeministische Verschwörungsgläubige davon aus, dass der Feminismus eine geheime Verschwörung zur Abschaffung traditioneller Lebensweisen ist und sich gegen Männer richtet.
Verbreitet ist im Antifeminismus auch die Überzeugung, dass die Medien vom Feminismus kontrolliert werden. Dieser Eindruck ist insofern nicht ganz abwegig, als in vielen Medien inzwischen eine identitätspolitische Ideologie stark verankert ist, die mit dem Queer-Feminismus einhergeht. Zur Verschwörungstheorie wird diese Vorstellung aber nur, wenn von einem dahinter verborgenen geheimen Plan ausgegangen wird, von einer Steuerung durch böse Mächte.
Antifeministische Verschwörungstheorien unterstellen oft eine Art von Umerziehungsprogramm. Menschen mit traditionellen Lebensformen sollen damit unterdrückt und ihnen eine nicht-traditionelle Lebensweise aufgezwungen werden. Im Antifeminismus finden sich aber auch konkretere Verschwörungstheorien, die nicht selten auch antisemitische oder anderweitig rassistische Elemente enthalten. So soll beispielsweise die Rockefeller-Foundation den Feminismus erfunden hat, um beide Geschlechter für kapitalistische Ziele gegeneinander aufzuhetzen. Der Name Rockefeller wird oft als versteckter antisemitischer Code verwendet, obwohl die Rockefellers nicht einmal jüdisch sind. Manche antifeministische Verschwörungstheorien gehen aber auch generell davon aus, dass der Feminismus eine Erfindung von Juden/Jüdinnen ist, um die Vorherrschaft der Frauen durchzusetzen. Oft wird auch der Feminismus für die sinkenden Geburtenrate bei Frauen aus westlichen Ländern verantwortlich gemacht. Dahinter soll ein geheimer Plan stecken, um die Bevölkerung stetig durch (hauptsächlich muslimische) Migranten zu ersetzen. Es handelt sich dabei um eine Variante der rechtsextremen Verschwörungstheorie vom «Grossen Austausch».
Antifeministische Verschwörungstheorien können also mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus verknüpft sein.
In radikalisierten Kreisen finden sich auch Verbindungen zur Incel-Szene. Dabei handelt es sich um eine Internet-Subkultur von Männern, die angeben, unfreiwillig zölibatär zu leben, also ohne Geschlechtsverkehr oder auch ohne romantische Beziehung. Frauenhass, der Anspruch, ein Recht auf Sex zu haben und eine gute Portion Selbstmitleid gehören zur Grundausstattung der Incel-Szene.
Ein extremistisch komplett entgleister Antifeminismus spielt darüber hinaus in manchen Attentaten eine Rolle.
Antifeminismus als Unterstellung
«Antifeminismus» wird allerdings auch als Schlagwort und Kampfbegriff verwendet, um Kritik an manchen Formen des Feminismus und an Gender Studies abzuwehren.
Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen einem problematischen bis gefährlichen Antifeminismus und antifeministischen Verschwörungstheorien auf der einen Seite, und der Verwendung des Begriffs Antifeminismus als Kampfbegriff zur Abwehr von Kritik. Zu letzterem deshalb hier ein paar vertiefende Ausführungen anhand eines Beispiels:
Die staatlich unterstützte Amadeu Antonio Stiftung hat den ehrenwerten Auftrag, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu wirken. Sie hat sich in den letzten Jahren allerdings eher weg von einem Universalismus der Menschenreichte und hin zu einem mehr identitätspolitischen Fokus entwickelt (siehe dazu: Was ist Identitätspolitik?). Das zeigt sich in der Themensetzung und in einer grösseren Abstraktheit und Vagheit in Formulierungen und Definitionen.
Die Amadeu Antonio Stiftung hat beispielsweise eine «Meldestelle Antifeminismus» eingerichtet. Und hier stellt sich die Frage, was unter zu meldende «antifeministische Angriffe» fällt. Gewalt und Drohungen gehören fraglos dazu. Dafür gibt es allerdings den Rechtsweg, und es wäre wichtig, Betroffene auf diesem Weg stärker zu unterstützen. Die Meldestelle interessiert sich aber ausdrücklich für Vorfälle, die keine Gesetzesverstösse sind.
Die Erläuterungen dazu, was gemeldet werden soll, bleiben aber an vielen Punkten sehr unbestimmt und vage.
Zu antirassistischen Angriffen, die gemeldet werden sollen, gehört zum Beispiel die «Verbreitung antifeministischer Narrative und Inhalte.»
Das ist problematisch, weil komplett undefiniert ist, was genau damit gemeint ist. Einfach jede politische Aussage die irgendeiner feministischen Aussage widerspricht? Das kann nicht sein, weil Widerspruch zu einer Demokratie gehört und legal ist.
Es kommt aber noch besser. Die Meldestelle schreibt:
«Was charakterisiert antifeministische Vorfälle?
Sie sind organisierte Angriffe (z. B. von rechten und fundamentalistischen Akteur*innen) auf Einzelpersonen und Institutionen aus den Bereichen:
- Frauen-, Gleichstellungs- und Queerpolitik
- Gender Studies und Geschlechterforschung
- Gleichstellungs- und Beratungsstellen
- Aufklärung- und Prävention zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und Gesundheit
Sie dienen der Mobilisierung gegen feministische Anliegen wie:
- den Abbau von Sexismus, Misogynie, Transmisogynie, Trans- und Queerfeindlichkeit
- die Gleichstellung aller Geschlechter
- die Stärkung geschlechtlicher und körperlicher Selbstbestimmung
- geschlechtergerechte Sprache
- Gewaltschutzmaßnahmen
- den Abbau von Diskriminierungspraxen und der Einsatz für Gleichberechtigung»
Hier wird Antifeminismus sehr weit gefasst und es stellen sich viele Fragen:
– «Genderstudies und Geschlechterforschung» können nicht direkt körperlich angegriffen werden. Ist mit «Angriffe» schon Kritik gemeint? Oder eine Petition zum Beispiel? Es gibt viel berechtigte Kritik an der Qualität von Gender Studies – zum Beispiel hier:
Der akademische Sargnagel der Frauenemanzipation (zukunft.at)
Ist das schon meldewürdiger Antifeminismus?
– Sexualaufklärung ist auch Aufgabe der Schule. Dazu gehört zum Beispiel auch Aufklärung darüber, dass es verschiedene sexuelle Orientierungen gibt (Heterosexualität, Homosexualität, Bisexualität). Das ist anerkanntes Wissen. Der Begriff «geschlechtliche Vielfalt» tönt aber stark nach Transaktivismus. Hier wird oft entgegen dem Konsens in der Biologie behauptet, dass es eine Vielzahl von Geschlechtern gebe. Heisst das nun: Wer vermittelt, dass es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt, macht sich des Antifeminismus schuldig? Siehe dazu:
Identitätspolitik liegt falsch: Die Biologie kennt zwei Geschlechter, nicht mehr
– Auch die Formulierung «Stärkung geschlechtlicher und körperlicher Selbstbestimmung» tönt nach «Transaktivisten-Slang». Es gibt Unterrichtsmaterialien und Lehrpersonen, die Kindern vermitteln, wie einfach oder gar cool es ist, das Geschlechts zu wechseln, wenn das Kind lieber das andere Geschlecht wäre. Das ist sehr problematisch, unsachlich und ideologisch. Ist es schon ein «antifeministischer Vorfall», wenn eine Elterngruppe gegen diesen ideologischen Stil Einspruch erhebt?
– Über Sinn oder Unsinn von «Gender Sprache» gibt es sehr kontroverse Diskussionen. Für die «Meldestelle Antifeminismus» scheint es schon meldewürdig, wenn ein Verein sich gegen «geschlechtergerechte Sprache» engagiert. Das ist in einer Demokratie aber eine legitime Position. Wie kommt eine staatlich geförderte Stelle dazu, solche Aktivitäten als antifeministischen Vorfall aufzuführen und allenfalls zu dokumentieren?
Fazit:
☛ Antifeminismus und antifeministische Verschwörungstheorien verbunden mit Drohungen und Gewalt sind ein ernsthaftes Problem und müssen konsequent bekämpft werden.
☛ Der Begriff «Antifeminismus» sollte aber im jeweiligen Kontext möglichst genau definiert werden. Es sollte also klar werden, was genau damit gemeint ist. Sehr fragwürdig ist seine Verwendung als «Kampfbegriff», um Kritik an bestimmten Strömungen oder Positionen des Feminismus zu delegitimieren. Vergleichbar undefiniert als Kampfbegriff eingesetzt werden Begriffe wie «Hass» oder «-phob» (transphob, islamophob). Auch hier sind Präzisierungen nötig.
Quellen:
Verschwörungstheorien – Materialien für Erwachenenbildner*innen (ab Seite 37)
(TEACH Konsortium, Institut für Didaktik der Demokratie, Leibniz Universität Hannover)
Meldestelle Antifeminismus der Amadeu Antonio Stiftung