Die populäre Mystery-Fernsehserie «Akte X» befasst sich mit vielfältigen Themen aus dem Bereich der Verschwörungserzählungen.
Die beiden FBI-Agenten Dana Scully (Gillian Anderson) und Fox Mulder (David Duchovny) klären während ihrer Arbeit mysteriöse Fälle auf. Dabei geht die Forensikerin Scully nach wissenschaftlichen Maßstäben vor, während Mulder an Aliens, Ufos und Verschwörungstheorien glaubt.
Kernaussagen dieser Serie wie «Traue niemandem» und «Die Wahrheit liegt irgendwo da draussen» beeinflussten das Lebensgefühl der «Generation Mystery».
Als «Akte X» in den 90er-Jahren startete, hatten Verschwörungstheorien allerdings noch etwas Spielerisches.
Christian Alt und Christian Schiffer sprechen in ihrem Buch von der goldenen Zeit harmloser Verschwörungstheorien in der Popkultur:
«Denn Verschwörungstheorien haben damals noch Spass gemacht. Es gab keine Chemtrails, keine flache Erde, sogar die jüdische Weltverschwörung hat für zehn süsse Jahre mal nicht herumverschwört. Stattdessen sahen wir Scully und Mulder auf unseren Röhrenfernseher dabei zu, wie sie bei Akte X einer gigantischen Verschwörung auf der Spur waren. Wir wussten: Die Wahrheit, die ist irgendwo draussen. Weit draussen. Es ging um Ausserirdische, um medizinische Experimente und um eine ganze Menge Schwachsinn……Akte X trat damals eine beispiellose Welle an Mystery-Geschichten los. Plötzlich mussten überall Aliens vorkommen oder verrückte Wissenschaftler….
Die 90er-Jahre waren eine naive Zeit, in der man Spass haben wollte….50 Jahre Kalter Krieg mitsamt ideologischer Lagerbildung waren über Nacht verpufft. Anything goes. Verschwörungstheorien gehörten zum cool-ironischen Grossstadtleben genauso dazu wie der Golf III in der Bon-Jovi-Edition.»
Alt und Schiffer halten aber im Rückblick ihren verklärten Blick auf die 90er für falsch:
«Denn während wir in den 90ern absurde Verschwörungstheorien abgefeiert haben wie die neue CD von Weezer, wächst irgendwo in der Verschwörungsmelange ein grosses Problem heran. Gerade in den 90ern kippen Verschwörungstheorien von etwas Harmlosem zu etwas Gefährlichen…»
Akte X prägt das Bild von Verschwörungstheorien
Die Popkultur wie beispielweise «Akte X» bediene sich oft ähnlicher Narrative wie Verschwörungsmythen bedienen sich ähnlicher Narrative, sagt Christian Schiffer im Interview mit dem ARD-Faktenfinder. Manchmal verschwimme dabei, wer wen beeinflusst:
«Popkultur und Verschwörungstheorien……überschneiden sich oft und regelmäßig. Dass liegt daran, dass sie in gewissen Grenzen gerne auf ähnliche Narrative aufbauen: Ein guter Thriller, ein guter Film Noir, ein mittelprächtiger Science-Fiction-Film enthält oftmals einen klar definierten Bösewicht, der eine finstere Verschwörung aufbaut, um ein unglaublich böses Ziel zu erreichen, das viele Menschen in Mitleidenschaft ziehen wird.»
Am sichtbarsten sei die Überschneidung in der Popkultur, die direkt Verschwörungstheorien aufgreift. Das macht Akte X sehr explizit.
Am bekanntesten und am besten untersucht sei wohl die Wechselwirkung zwischen der Science Fiction und Begegnungen mit angeblichen Außerirdischen:
«Nehme wir nur mal „Akte X“. Die Serie hat wohl wie kaum eine andere das Bild von Verschwörungstheorien und Theoretikern geprägt.»
„Akte X“ habe über seine Folgen hinweg immer wieder „real existierende“ Verschwörungstheorien aufgegriffen:
«Übertragung von Krankheiten mit Bienen, subliminale Beeinflussung, Alien-Verschwörungen, Alien-Hybride-Züchtungsprogramme, geheime Militäranlagen und so weiter.»
Damit machte die Serie eben jene Verschwörungstheorien auch populär und in den 1990er-Jahren zu einem beliebten Zeitvertreib.
Schiffer sagt: «Viele Menschen beschäftigten sich in den damaligen Internet-Boards damit, in den USA kamen zahlreiche Zeitschriften raus, die sich explizit Verschwörungstheorien widmeten. Es war einfach cool. Durch seine Omnipräsenz spiegelte „Akte X“ diesen Trend überdeutlich wider.»
Akte X beeinflusste laut Schiffer aber auch damals bestehende Verschwörungstheorien. Zahlreiche Motive über Alien-Mensch-Hybriden seien aus der Serie in bereits bestehende Verschwörungstheorien eingesickert:
«Und auch das heutige Motiv des „Deep State“ hat „Akte X“ wohl mitverantwortet – ein Staat in dem die Regierung selbst nicht die Macht ist, sondern eine kleine Gruppe von Menschen, Unternehmen und/oder Regierungsstellen. Genau das ist das, was in „Akte X“ der „Cigarette Smoking Man“ und seine Mitverschwörer des Syndicate darstellen.»
Verschwörungstheorien sind nicht harmlos, sondern ein Instrument der Angst und Radikalisierung
Christian Schiffer stellt fest:
«Es gab eine Zeit, da erschienen Verschwörungstheorien harmlos. Das ist nun nicht mehr so, sie werden als ein Instrument der Angst und Radikalisierung wahrgenommen. Verschwörungen über den Bevölkerungsaustausch, die jüdische Weltregierung sind nicht lustig und unterhaltsam, sondern gefährlich. Das sind nicht die Verschwörungen, die einst Leute verzückten und begeistert „Akte X“ schauen ließen.»
Schiffer wünscht sich, dass Künstler sich ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie sich Verschwörungstheorien bedienen oder diese verbreiten:
«Und schön wäre natürlich, wenn auch in der Popkultur alles einfach mal so ist, wie es scheint, das wäre mal wirklich etwas Neues. Leider ist ja irgendwo da draußen meistens nicht die Wahrheit, sondern nur der Wahn.»
Um dem entgegen zu wirken, könnten Künstler einen Beitrag leisten, sagt Schiffer. Zum Beispiel, indem sie reale Probleme behandeln, von denen es ja wirklich genug gebe.
Für den Kultur- und Filmkritiker Georg Sesslen sind Verschwörungstriller in Kino und Fernsehen auch Indikatoren für den Grad des Misstrauens zwischen Regierung und Gesellschaft. Er schreibt:
«Nein, unschuldig sind Verschwörungsfantasien auch im Kino nicht. Die schlechten Filme dieser Art, die in der Mehrheit sind, setzen die üblichen Hirngespinste einfach in Bilder um. Nur die besseren schärfen vielleicht unseren Blick dafür, dass sie selbst nicht Ursache, sondern Symptom einer tieferen sozialen Krankheit sind.»
Quellen:
Angela Merkel ist Hitlers Tochter – Im Land der Verschwörungstheorien, von Christian Alt und Christian Schiffer, Hanser Verlag, München 2020
Verschwörungstheorien: „Instrumente der Angst und Radikalisierung“ (ARD-Faktenfinder)
Matthias Pöhlmann (Hg.), „Traue niemandem!“ Verschwörungstheorien, Geheimwissen, Neomythen (ezw-berlin)