Welchen Einfluss haben Verschwörungstheorien auf unser Verhalten? Dieser Frage ging ein Forschungsteam um den Verhaltensökonomen Loukas Balafoutas mit einem Laborexperiment in einer kürzlich publizierten Studie nach. Resultat: Werden Menschen mit Verschwörungstheorien konfrontiert, müssen sie nicht an daran glauben, damit sie ihr Verhalten beeinflussen.
Frühere Studien haben gezeigt, dass der Glaube an Verschwörungstheorien einen Einfluss auf das Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger hat.
Sie können zum Beispiel zu einer tieferen Wahlbeteiligung führen oder zu einer geringeren Bereitschaft, sich impfen zu lassen.
Schon seit Jahren erleben Verschwörungstheorien einen regelrechten Boom, wodurch es kaum mehr möglich ist, sie zu ignorieren. Das motivierte ein Forschungsteam um Loukas Balafoutas dazu, in einem Laborexperiment der Frage nachzugehen, ob Verschwörungstheorien auch dann einen Einfluss auf uns haben, wenn wir gar nicht an sie glauben und wir nur kurz mit ihnen konfrontiert sind.
Loukas Balafoutas ist Professor für Experimentelle Ökonomik am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck. Er fasst das Ergebnis der Experimente so zusammen:
„Unsere Studie zeigt, dass Probandinnen und Probanden, die für lediglich drei Minuten einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einem nachfolgenden Verhaltensexperiment anders gehandelt haben als Probandinnen und Probanden aus der Kontrollgruppe.“
Diese Resultate konnte das Forschungsteam kürzlich im Magazin „Economic and Political Studies“ publizieren.
Verschwörungstheorien verändern das Verhalten
In einem Experiment mit Geldbeträgen („money request game») zeigte sich, dass Versuchspersonen, die zuvor mit einer Verschwörungstheorie konfrontiert wurden, sich anschliessend strategischer handelten.
Dem Forschungsteam ging es nicht darum, dieses veränderte Verhalten als besser oder schlechter zu bewerten, sondern nur darum, zu zeigen, dass Personen, die kurz zuvor einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einer nachfolgenden und inhaltlich völlig anderen Situation ein anderes Verhalten an den Tag legen als die Kontrollgruppe. Daraus schliessen die Forscherinnen und Forscher, dass die Verschwörungstheorie einen Einfluss darauf hat, wie jemand die Welt und die Menschen wahrnimmt.
Verhalten verändert sich – Vertrauen bleibt bestehen
Ob sich neben dem Verhalten auch das Vertrauen durch die Konfrontation mit einer Verschwörungstheorie verändert, hat das Forschungsteam in einem weiteren Experiment, dem sogenannten „trust game“, überprüft. Dabei konnte kein negativer Einfluss festgestellt werden.
In den Experimenten war das Vertrauen in das Gegenüber in beiden Gruppen statistisch gesehen gleich, also in der Gruppe, die mit einer Verschwörungstheorie konfrontiert wurden, und in der Gruppe, bei der das nicht der Fall war.
«Das ist wichtig, denn in unserer Gesellschaft brauchen wir ein gewisses Maß an Vertrauen, damit sie überhaupt funktioniert», erklärt Balafoutas.
Quelle:
Verschwörungstheorien beeinflussen unser Verhalten – auch wenn wir nicht an sie glauben (Südtirol News)
Die Studie:
Loukas Balafoutas, Alexander Libman, Vasileios Selamis & Björn Vollan (2021) Exposure to conspiracy theories in the lab, Economic and Political Studies
Anmerkungen:
☛ Weitere Details zum Aufbau der Experimente im Artikel der Südtirol News.
☛ Die Erkenntnis, dass Verschwörungstheorien das Verhalten beeinflussen, auch wenn man nicht daran glaubt, ist durchaus bemerkenswert. In welcher Art und Weise diese Beeinflussung im realen Leben stattfinden, erschliesst sich durch diese Experimente im Labor allerdings kaum.
☛ Dass die Konfrontation mit einer Verschwörungstheorie das Vertrauen zu Mitspielenden in der Laborsituation nicht beeinträchtigt, bringt nicht die komplette Entwarnung. Verschwörungstheorien zersetzen das Vertrauen in bestimmte Gruppen (Minderheiten, Institutionen, Fachleute, «Eliten»…) und bei bestimmten Themen (Medien, Pharmaindustrie, Impfungen…). Solche spezifischen Vertrauensverluste bilden sich in Laborexperimenten nicht unbedingt ab. Verschwörungstheorien können aber auch zu einer Verschwörungsmentalität führen, die mit einem generalisierten Misstrauen einhergeht. Und beim Misstrauen wiederum ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen einem (nötigen) gesunden Misstrauen und einem generalisierten toxischen Misstrauen.