Unser egozentrisches Denken wurzelt in der Tatsache, dass Menschen von Natur aus weder die Rechte und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen beachten noch deren Standpunkte bzw. die Grenzen des eigenen Standpunkts richtig zu würdigen wissen.
Erst durch Training werden wir auf unser egozentrisches Denken aufmerksam. Von Natur aus sind wir nicht in der Lage, unsere egozentrischen Annahmen zu erkennen.
Unsere egozentrische Verwendung und Interpretation von Information bleibt uns verborgen.
Ebenso wenig durchschauen wir die Quelle egozentrischer Konzepte und Ideen oder die Folgen egozentrischer Denkansätze.
Wir sind uns dieser eigennützigen Perspektive von Natur aus nicht bewusst und leben mit dem unzutreffenden, aber beruhigenden Gefühl, das Wesen und den Lauf der Dinge objektiv erfasst zu haben. Dabei glauben wir gern an unsere spontanen Eingebungen – wie unzutreffend diese auch sind.
Anstelle intellektueller Normen verwenden wir oft ich bezogene (eher psychologische denn intellektuelle) Normen um festzustellen, was glaubwürdig ist und was nicht.
Egozentrisches Denken in fünf Varianten
Die «Stiftung für kritisches Denken» hat die häufigsten psychologischen Normen des menschlichen Denkens so beschrieben.
Zitat kursiv:
„Es ist wahr weil, ICH es glaube.“ Angeborener Egoismus: Ich unterstelle, dass alles, was ich glaube, auch richtig sei, obwohl ich es noch nie hinterfragt habe.
„Es ist wahr, weil WIR es glauben.“ Angeborener Gruppenegoismus: Ich gehe davon aus, dass die vorherrschenden Ansichten meiner Gruppe richtig sind, obwohl ich die Grundlage dieser Ansichten noch nie zur Diskussion gestellt habe.
„Es ist wahr, weil ich es glauben WILL.“ Angeborenes Wunschdenken: Ich halte für richtig, was mir gut tut, was mich in meinen Ansichten bestärkt, was keine markante Änderung meines Denkens erfordert und was vermeidet, dass ich einen Fehler zugeben muss.
„Es ist wahr, weil ich es IMMER geglaubt habe.“ Angeborene Selbstrechtfertigung: Ich habe einen starken Hang, lang gehegte Ansichten aufrecht zu erhalten, ohne je sorgfältig abzuklären, inwiefern diese der Realität standhalten.
„Es ist wahr, weil es mir NÜTZT.“ Angeborene Selbstsucht: Ich klammere mich fest an Haltungen, die mein Machtstreben, meine Geldsucht, kurz: das Streben nach persönlichen Vorteilen rechtfertigen, obwohl sich dafür weder vernünftige Begründung und noch ein gültiger Beleg auftreiben lassen.
(Zitatende)
Nachdem wir Menschen von Natur aus dazu neigen, unser Denken auf die oben genannten Varianten egozentrischen Denkens auszurichten, ist es nicht erstaunlich, dass wir als Spezies kein grosses Interesse an der Schaffung und Verbreitung einwandfreier intellektueller Normen zeigen. Es kann deshalb nicht überraschend, dass unser Denken häufig fehlerhaft ist; denn wir erliegen der Selbsttäuschung schon von Natur aus gerne.
Quelle zu «Egoistisches Denken»:
Begriffe & Instrumente
Ein Leitfaden im Taschenformat, Stiftung für kritisches Denken, 2003, www.criticalthinking.org
Ausserdem:
«Egozentrisches Denken» verursacht Denkfehler, die in Verschwörungstheorien eine Rolle spielen können. Wer zum Beispiel einen ausgeprägten Antiamerikanismus pflegt, wird Verschwörungstheorien rund um 9/11 leichter Glauben schenken. Sie bestätigen nur, was er oder sie sowieso schon über die US-Regierung denkt (womit nicht gesagt sein soll, dass Kritik an der US-Regierung in vielen Fällen angemessen sein kann).
Darüber hinaus gibt es aber viele weitere Denkfehler, die im Kontext von Verschwörungstheorien vorkommen.
Siehe dazu beispielsweise:
Bestätigungsfehler (Confirmation bias)
Hanlon’s Rasiermesser / Hanlon’s Razor