Im Portal web.de hat Antonia Fuchs ein Interview veröffentlicht mit dem Risikoforscher Ortwin Renn. Dabei ging es um Corona und um Corona-Verschwörungstheorien. Zur Sprache kamen dabei auch die Motive, die zum Glauben an Verschwörungstheorien führen. Als Motive von Verschwörungstheoretikern sieht Ortwin Renn: mehr Sicherheit, mehr Gefühl der eigenen Kontrolle und soziale Geborgenheit in einer verschworenen Gemeinschaft.
- Mehr Sicherheit
Verschwörungstheorien verringern Unsicherheiten. Solche Unsicherheitsspielräume bleiben in der Wissenschaft nicht aus, besonders in einer Lage, in der immer neue Daten gesammelt und interpretiert werden müssen. Renn sagt dazu: «Verschwörungstheorien greifen genau solche Unsicherheiten auf und füllen sie mit Gewissheiten. Das ist für viele Menschen eine willkommene Vereinfachung.»
- Mehr Sicherheit
Verschwörungstheorien geben ihren Anhängerinnen und Anhängern das Gefühl, etwas wert zu sein. Schliesslich glauben sie ja, mehr zu wissen als der Rest der Welt (der «Mainstream!»). Sie sind die «Aufgewachten», die wissen, wer die Fäden zieht. Verschwörungsgläubige sind oft Menschen, die glauben, dass sie wenig Kontrolle in ihrem Leben und in ihrer Umgebung haben. Die Verschwörungstheorien verschaffen ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
- Mehr soziale Geborgenheit und Gemeinschaft
Verschwörungsgläubige empfinden sich als Teil einer Gruppe von Geheimwissenden, die als „Erleuchtete“ solidarisch zueinanderstehen.
Diese Motive spielen eine Rolle beim Mass der Anfälligkeit für Verschwörungstheorien. Doch wie kommt man in den Diskussionen mit Verschwörungsgläubigen gegen solche Motive? Das gelingt jedenfalls kaum mit Argumenten, sagt Renn:
«Was man aus der Sektenforschung weiß: Je absurder etwas ist, an das jemand glaubt, desto weniger können Sie ihm diese Haltung mit Information und Argumenten austreiben. Denn dann würde sein ganzer Lebensentwurf zusammenbrechen.»
Auf die Motive eingehen
Wenn man nicht mit Argumenten gegen diese Motive ankommt, wie dann? Renn weist nochmals darauf hin, dass man diese Menschen auf der rationalen Ebene, also der Ebene der Vernunft, nicht gewinnen kann:
«Was zu wenig gemacht wird – und das mag tatsächlich ein Versäumnis der Politik sein: diese schon erwähnten Motive anzusprechen, die jemanden anfällig dafür machen, auf abstruse Theorien hereinzufallen. Das muss aber ohne belehrenden Ton, sondern empathisch geschehen. Es geht darum, den anderen zu überzeugen, dass man die Motive ernst nimmt, aber nicht die dadurch ausgelösten Fehlurteile. Etwa so: „Wenn jemand dir Sicherheit anbietet und dir erklären will, wie die Welt funktioniert, sind das letztlich Tricks, um deinen Wunsch nach Gewissheit zu entsprechen. Diesen Wunsch teile ich auch. Aber das, was dir hier geboten wird, nutzt nur Deine Sehnsucht aus.“ Damit kann man eher einen fruchtbaren Dialog auslösen als mit einer Belehrung: „Das stimmt einfach nicht, was Du sagst.“»
Quelle:
Streit wegen Corona? Darum gewinnen wir Verschwörungstheoretiker nicht mit Argumenten (web.de)
Ausserdem zum Thema Motive & Verschwörungstheorien:
Siehe auch:
Welche Motive haben Verbreiter von Fehlinformationen und Verschwörungstheorien zu Covid-19?
Selbstaufwertung durch Verschwörungstheorien – und Abwertung anderer