Vier Mitglieder einer Familie in Montreux (Schweiz) sind beim Sturz aus dem siebten Stock vom Balkon einer Wohnung ums Leben gekommen. Überlebt hat ein Jugendlicher. Dem Drama ging offenbar eine Auseinandersetzung mit den Behörden um eine Schulangelegenheit voraus.
Nach den bisherigen Erkenntnissen der Kantonspolizei Waadt handelt es sich bei den fünf Personen um Mitglieder derselben Familie mit französischer Staatsangehörigkeit.
Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass die Familie seit Beginn der Corona-Pandemie sehr an Verschwörungstheorien und Survival-Thesen interessiert gewesen sei.
Die Familie habe einen beeindruckenden Vorrat an Lebensmitteln aller Art angelegt, der sehr gut organisiert gewesen sei. Dieser Vorrat nahm laut Polizeiangaben mehrere Räume der Wohnung ein und sollte es der Familie ermöglichen, eine grosse Krise zu bewältigen.
Gemäss den Erkenntnissen der Polizei lebte die Familie beinahe autark und zog sich aus der Gesellschaft zurück.
Der 40-jährige Vater, die 41-jährige Mutter, deren Zwillingsschwester und die achtjährige Tochter des Ehepaars starben bei dem Drama. Der 15-jährige Sohn wurde in ernstem Zustand in ein Spital gebracht.
Nur die Zwillingsschwester der Mutter ging einer Tätigkeit ausserhalb des Hauses nach. Weder die Mutter noch das achtjährige Mädchen waren offiziell bei der Einwohnerkontrolle in Montreux registriert.
Der 15jährige Junge war nicht zur Schule gegangen, sondern zu Hause unterrichtet worden.
Dies führte zu einem Verfahren des Oberamts gegen den Vater. Weil dieser einer polizeilichen Vorladung nicht Folge leistete, wurden Gendarmen bei der Wohnung der Familie vorstellig.
Konflikt um Heimbeschulung ging dem Drama von Montreux voraus
Die Ermittlungen weisen darauf hin, dass die Familienmitglieder im Zusammenhang mit dem Verfahren Angst vor einer Einmischung der Behörden in ihr Leben hatten.
Nach ersten Ermittlungen hatten sich unmittelbar vor dem Drama zwei Polizisten in die Wohnung an der Rue du Casino in Montreux begeben, um en vom Oberamt ausgestellten Vorführungsbefehl im Zusammenhang mit der Heimbeschulung des Jungen zu vollstrecken. Die Vorladung bezog sich auf den Vater, den 40-jährigen Franzosen, der in dieser Wohnung wohnte.
Die Polizisten klopften an die Tür und hörten eine Stimme, die sie fragte, wer da sei. Nachdem sie sich angekündigt hatten, hörten die Gendarmen in der Wohnung keine Geräusche mehr. Da sie keinen Kontakt zu den möglichen Bewohnern aufnehmen konnten, entfernten sie sich. In der Zwischenzeit telefonierte ein Zeuge der Polizei und meldete, dass Menschen vom Balkon einer Wohnung gestürzt seien.
Wie sich das Drama genau ereignet hat, ist Gegenstand der Ermittlungen. Zunächst war unklar, ob sich alle Personen absichtlich in die Tiefe gestürzt haben.
Nach Polizeiangaben kann aber ausgeschlossen werden, dass sich zum Zeitpunkt des Geschehens noch eine weitere Person in der Wohnung befunden hat.
Das Eingreifen einer Drittperson schliesst die Polizei inzwischen aus. Die fünf Menschen stürzten kurz vor 07.00 Uhr im Verlauf von fünf Minuten nacheinander aus einer Höhe von über 20 Metern in die Tiefe. Die Ermittlungsbehörde geht inzwischen von kollektivem Suizid aus.
Vor oder während der Tat hatte keiner der Zeugen, einschliesslich der beiden Gendarmen, die ab 06.15 Uhr vor Ort waren, und der Passanten, die sich am unteren Ende des Gebäudes aufhielten, irgendwelche Geräusche oder Schreie aus der Wohnung oder vom Balkon wahrgenommen. Die Polizei entdeckte keine Spuren eines Kampfes in der Wohnung.
Starke Betroffenheit
Jean-Christophe Sauterel, Kommunikationsverantwortlicher der Waadtländer Kantonspolizei, sagte an einer Medienkonferenz in Montreux, es sei unmöglich gewesen, «sich eine so dramatische Tat vorzustellen»
Das Drama löste in der Stadt Montreux und darüber hinaus grosse Betroffenheit aus. Stadtpräsident Olivier Gfeller und der Stadtrat Jean-Baptise Piemontesi begaben sich an den Ort des Geschehens.
Die Politiker hätten «schockiert und bewegt» allen von diesem tragischen Ereignis Betroffenen ihr Beileid ausgesprochen, schreibt die Stadt Montreux in einem Communiqué.
Quellen:
Ermittler gehen von kollektivem Suizid aus (Vilan24 zum Drama von Montreux)
Familie stürzt sich in Montreux vom Balkon in den Tod (Südostschweiz)
Anmerkungen:
Es wird im nach hinein wohl schwierig zu ermitteln sein, welche Rolle genau Verschwörungstheorien im Drama von Montreux gespielt haben. Es sieht aber sehr danach aus, dass ihr Einfluss bedeutend war. Und es ist ein Beispiel davon, in welche Abgründe Verschwörungstheorien führen können, und wie stark sie Menschen von der Welt entfremden können. Die Familie scheint ein ausgeprägtes Prepper-Verhalten entwickelt zu haben. Nicht alle Prepper entwickeln zum Glück diese destruktive Radikalität. Das Drama von Montreux ist hier sicher eine Ausnahme. Allerdings gilt auch: Nicht alle, aber viele Verschwörungstheorien sind hochgradig angsterzeugend. Und darin liegt ein Risikopotenzial.
Suizid-Box
Diese Beratungsstellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da.
Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143, www.143.ch
Beratungstelefon Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147, www.147.ch
.