Sie demonstrieren in verschiedenen Städten gegen «Corona-Massnahmen»: Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Rechtsextreme – ein wirres Gemisch. Vielleicht hat es auch ein paar Leute dabei, die sich echt um Demokratie und Grundrechte sorgen. Aber viele dürften das kaum sein. Hygieneregeln werden oft nicht eingehalten. Das deutet eher auch ein negieren der Pandemie hin.
Wie soll die Gesellschaft mit diesem Phänomen umgehen?
Benjamin Konietzny warnt auf n-tv vor Pauschalurteilen:
«Ähnlich wie bei Pegida ist auch der erste Reflex vom Rest der Gesellschaft. „Idioten“, „Aluhüte“ oder „Schwachköpfe“ seien diese Leute. Durch die pauschale Beurteilung droht sich ein schlimmer Fehler zu wiederholen. Natürlich ist es unverantwortlich, sich nun in riesigen Gruppen zu versammeln und die Regeln zum Infektionsschutz komplett zu ignorieren. Natürlich werden damit in letzter Konsequenz Menschenleben in Gefahr gebracht. Es ist aber sehr fraglich, ob der Protest sich legt, weil die Demonstrierenden mit Pauschalurteilen überzogen werden. Bei Pegida jedenfalls hat es so nicht funktioniert und sogar eher das Gegenteil bewirkt.»
Er rät der Politik, den Medien und der Gesellschaft, den Protest dieses Mal differenziert betrachten und zu versuchen, die „Gemäßigten“ mit guten Argumenten bei Vernunft zu halten. Einzelne Einflüsterer und potentielle Profiteure einer weiteren Spaltung sollen isoliert und mit Mitteln des demokratischen Diskurses entmachtet werden.
Wenn erneut harte Urteile gesprochen, die Teilnehmer der Demonstrationen pauschal beleidigt, verspottet und stigmatisiert werden, sieht er die Gefahr, dass einst „Gemäßigte“ sich radikalisieren. Dadurch könne ein neuer Bruch in der Gesellschaft entstehen.
Verschwörungstheorien widersprechen – ohne Verschwörungsgläubige zu beleidigen
Andreas Niesmann vom «Redaktionsnetzwerk Deutschland» fordert dagegen in einem Kommentar: «Widersprecht den Wirrköpfen!»
Die beiden Positionen müssen aber keine Gegensätze sein. Man kann abstrusen Verschwörungstheorien widersprechen, ohne persönlich beleidigend zu werden. Das ist die konstruktivste Reaktion zjm Schutz der Demokratie.
Andreas Niesmann weist zu Beginn seines Kommentars darauf hin, dass die Verschwörungstheoretiker wie Xavier Naidoo, Ken Jebsen und Attila Hildmann zwar laut sind, aber nicht viele. Er hält es jedoch für die Pflicht der Aufgeklärten, den Unsinn dieser Wirrköpfe zurückzuweisen. Anders als bei den Demonstrationen gehe es dabei tatsächlich um die Verteidigung der Demokratie:
«Da leugnet ein antisemitischer Popsänger die Existenz des Coronavirus. Da phantasiert ein veganer Fernsehkoch die Entmündigung der Bürger durch die Regierung herbei. Da behauptet ein gescheiterter Radiomoderator, eine von Bill Gates organisierte Weltverschwörung aufgedeckt zu haben, die dem Ziel diene, allen Menschen einen Microchip unter der Haut zu pflanzen. Es ist, man kann es nicht anders sagen, gequirlter Bullshit.»
Es sei das gute Recht von Xavier Naidoo, Attila Hildmann, Ken Jebsen und anderen Wirrköpfen, ihre abstrusen Ideen jeden Tag aufs neue in die Welt zu blasen. Niemand könne, niemand wolle ihnen das verbieten, «womit die Theorie von der Meinungsdiktatur bereits widerlegt wäre».
Demokratie muss Schwachsinn aushalten – aber Widerspruch ist nötig
Andreas Niesmann schreibt zum Schluss seines Kommentars:
«Wir können und wir müssen es aushalten, wenn einige Wenige die Meinungsfreiheit auf diese Art missbrauchen. Was wir zum Glück nicht müssen, ist, den Schwachsinn unwidersprochen zu lassen. Im Gegenteil. Gerade in einer Phase der Unsicherheit, in der bei vielen die Ängste und die Sehnsucht nach vermeintlich einfachen Erklärungen steigen, ist es die Pflicht der Aufgeklärten, die Kritik der Verführer und Verwirrten zurückzuweisen. Anders als bei deren Demonstrationen geht es dabei tatsächlich um die Verteidigung unserer Demokratie.»
Quellen:
Umgang mit Corona-Leugnern: Wiederholen wir die Pegida-Fehler? (n-tv)
Krude Verschwörungstheorien: Widersprecht den Wirrköpfen! (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Siehe auch:
Zum Umgang mit Verschwörungstheorien
Wenn Verwandte an Corona-Verschwörungstheorien glauben – Tipps von Experten